Elfie Semotan

Die Modefotografin, die Modefotografie langweilig fand

Im C/O Berlin ist das Werk der Künstlerin Elfie Semotan erstmals außerhalb Österreichs zu sehen. In ihren Bildern verwischen die Grenzen von Mode und Kunst

Eine Eisentreppe, Wände in eleganten Blautönen, darauf Schwarz-Weiß-Fotografien. Im Vergleich zum Erdgeschoss, wo schöne Menschen ihre Soja-Latte zu nostalgischen Elektro-Beats schlürfen, ist der erste Stock des Ausstellungshauses für Fotografie C/O Berlin ein Ruhepol. Licht durchflutet den ersten Raum im ehemaligen Westberliner Amerika-Haus und zieht die Besucher in die Ausstellung. Der Blick fällt auf Fotos von Alltagsgegenständen. Die zarten Licht- und Schattenspiele lassen einen verweilen. Doch im Rücken spürt man mehrere Augenpaare – provokativ und auffordernd. Es sind die Blicke von noch schöneren Menschen, die auf Fotografien gebannt sind. Ihre Haltung, Kleidung oder eben ihre fehlende Kleidung sagen: Werbewelt.

Die Ausstellung "Elfie Semotan: Contradiction" in chronologischem Aufbau zeigt die Vielfalt, aber auch die Widersprüche im Werk der Fotografin. Die Schau beginnt mit Urlaubsbildern der Österreicherin. Ein gegenüberliegendes Plakat zeigt eine aufreizend posierende Frau in Dessous. Darüber steht provozierend "Trau dich doch".  Und genau das tat Elfie Semotan in den 70er-Jahren, als sie das Modeln aufgab und sich der Modefotografie zuwandte. Ihr damaliger Lebenspartner, der Fotograf John Cook, motivierte sie zur Arbeit hinter der Kamera. 1972 tauschten die beiden ihre Plätze, als er im sonnigen Frankreich im Pelz für sie posierte.

Experimente in der heilen Werbewelt

In den folgenden Jahren arbeitete die Österreicherin für verschiedene Magazine, unter anderem für die "Vogue". Die langjährige Zusammenarbeit mit Helmut Lang wird anhand einer beeindruckenden Collage aus verschiedenen Auftragsarbeiten ausgestellt. Es ist offensichtlich, wie die Fotografin innerhalb der Grenzen der Modebranche mit ihrem Medium experimentierte.

Elfie Semotan erforscht die Aura der Modebranche, gibt sich ihr aber nicht gänzlich hin. Ihre Schwarz-Weiß-Porträts von 1985 werben für Zigaretten im Stil der 50er-Jahre, muskulöse Körper im starken Hell-Dunkel-Kontrast für Unterwäsche. Modefotografie hat immer eine eigene Bildsprache, die oft mit der Gesellschaft konform geht. Doch in dieser Zeit brach die Werbewelt mit Konventionen, wurde freizügiger.

Während der Kollege Helmut Newton die klassischen Rollenbilder und Objektivierung der Frau geradezu zelebrierte, versuchte Elfie Semotan Schönheitsideale aufzuarbeiten. Ihre Arbeit ist nicht frei von Werbeklischees, aber sie will die Dinge ein wenig anders machen. Für eine Unterwäschen-Werbung im Magazin "Marie Claire" 1994 kauert Yaerl Raich halb bekleidet auf einer Matratze – ohne jegliches Sexappeal, sondern in ästhetischer Verletzbarkeit. Accessoires werden auf nackten Körpern eines androgyn wirkenden Models präsentiert. Andere Bilder ähneln denen von Peter Lindbergh, der seine Models im Chaos der modernen Stadtkulisse auf und ab laufen ließ. Doch wenn auf einem Bild der Arm eines Models mit Uhren behängt ist und sie von zwei Männern abgeführt wird, erzählt das die Geschichte eines Diebstahls und wirbt gleichzeitig für die Luxus-Accessoires. Dieses teilweise paradoxe Storytelling unterscheidet die Arbeiten Elfie Semotans von denen ihrer Kollegen. Ihre Kompositionen spielen mit Bewegungen, Gegenständen und Überschneidungen von Bildebenen.

Alle auf Claudia Schiffer

Auffallend sind außerdem die kunsthistorischen Inspirations-Quellen: Eine Büroserie in Schwarz-Weiß entspricht im Bildaufbau und Atmosphäre den Gemälden von Edward Hopper und zeigt wie beiläufig bedeutende Werke der Kunstgeschichte. Claudia Schiffer wird in einer Serie für die Zeitschrift "Allure" mit Gegenständen beworfen – die Idee beruht auf den Werken von Anna und Bernhard Blume. Auch so mancher Bildaufbau und die Ausstellungskonzepte sind der Kunstgeschichte entlehnt, wenn sich zum Beispiel zwei Fotos als Diptychon zu einem vollständigen Körper eines Models ergänzen, oder Fotoreihen wie bei den Experimenten Eadweard Muybridges die Bewegungen der Personen seriell festhalten. Seit den 2000er Jahren schafft die heute 77-Jährige zudem fotografische Stillleben, die ebenfalls in der Berliner Schau zu sehen sind.

Auch Leben ist Kunst

Tatsächlich bewegte sich Elfie Semotan auch privat in den Kreisen der Kunst. Sie war mit dem österreichischen Künstler Kurt Kocherscheidt und dem deutschen Maler Martin Kippenberger verheiratet. Beide fotografierte sie in Werkreihen. Doch das ist nicht die einzige Prominenz aus der Kunstwelt: Georg Baselitz, Louise Bourgois, Daniel Richter, Jonathan Meese und viele andere sind in einer Werkgruppe innerhalb der Ausstellung zusammengefasst. Daneben Hollywood-Schauspieler und Mode-Ikonen.

In einem Film am Ende der Ausstellung verrät Elfie Semotan, dass sie die Modefotografie an sich langweilig fand, da sie sich nicht weiterentwickeln würde. Sie wollte die Grenzen der Modebranche testen, hielt vor allem das fest, was als unästhetisch oder hässlich galt. Trotz der innovativen Konzepte sind und bleiben es bildschöne Menschen auf ihren Bildern, die allen Werbemaßstäben genügen. Gerade dieser Widerspruch macht die Fotografien zu etwas besonderem.