Diana Lelonek über ihren "Müllgarten"

"Es ist ein neues Denken"

Diana Lelonek, 1988 in Posen geboren, arbeitet seit mehreren Jahren an ihrem Center for the Living Things, einem fortlaufenden Forschungsprojekt über Lebensformen aus postindustriellen Ruinen in Polen. Auch ihre Arbeit für die Basler Ausstellung "Territories of Waste" entsteht aus diesem Kontext. Gleich hinter dem Verwaltungsgebäude des Museums Tinguely legt sie einen "Waste Garden" an. Per Zoom-Call erklärt Lelonek ihr Projekt

Diana Lelonek, was ist ein Müllgarten?

Das Projekt widmet sich den hybriden Lebensformen, die man auf illegalen Müllkippen oder in Wäldern beinahe überall findet. Die Frage ist: Was passiert, wenn wir etwas wegwerfen, und was geschieht, wenn sich Plastik, Textilien und lebende Organismen verbinden? Moose und Pilze finden einen neuen Nutzen für Styropor. Dinge werden zu neuen Habitaten.

Wie kommen Sie zu diesen Hybriden?

Ich sammle sie, wie Proben. Das spielt mit der botanischen Tradition. Einige Jahre lang hatte ich ein Gewächshaus im Botanischen Garten in Posen, wo ich die Fundstücke aufbewahren konnte. Sie verändern sich ständig, darin unterscheiden sie sich von Museumsstücken. Sie sind im Prozess.

Haben Sie schon mit der Arbeit in Basel begonnen?

Ja, aber dann kam die Pandemie. Beim ersten Besuch sind die Kuratorin und ich spazieren gegangen. Es ist sehr wichtig, dass ich sammle, was es nur in dieser Gegend gibt.

Unterscheidet sich Abfall denn an verschiedenen Orten?

In Polen allein gibt es schon eine große Vielfalt an Biotopen. Ein Objekt aus dem Sumpf bietet Raum für andere Spezies als eines aus dem Nadelwald. Interessant ist hier aber auch das Verhalten der nichtmenschlichen Akteure: Styropor wird wie ein Stein behandelt, Polyurethan wie verrottetes Holz.

In Europa ist Müll unsichtbar geworden, oft wird er in andere Länder gebracht.

Es gibt einen globalen Abfallhandel! Aber das gilt auch innerhalb Europas, zum Beispiel von Westeuropa in die Ukraine oder von Deutschland nach Polen. Mein Projekt konzentriert sich jedoch im Moment auf die Verbindung von Objekten und nichtmenschlichen Wesen.

Heute reden wir über Plastik und Abfall als etwas sehr Gefährliches. Aber wenn Sie so darüber sprechen, ist das ja beinahe eine Heimstatt für Pflanzen.

Das Projekt hat verschiedene Ebenen, es steckt auch eine philosophische Frage und ein kritisches Potenzial darin. Die Hybride beweisen, dass wir anders über den Dualismus von Natur und Kultur nachdenken müssen. Ich habe mit dem Botanischen Garten in Posen zusammengearbeitet und vorgeschlagen, eine Abteilung für Pflanzen einzurichten, die auf Müll wachsen, Pflanzen aus postindustriellen Umgebungen. Das sind die prekären Arbeiter, die in vergifteten Ruinen eine Umgebung für andere Arten schaffen.

Warum sind Abfall und Kontamination eigentlich so faszinierend für die Kunst?

Wenn ich eine Skulptur betrachte, habe ich einen sehr anthropozentrischen Blickwinkel. Aber in den Hybriden von Pflanzen und Abfall liegt eine Kreativität, die über das Menschliche hinausgeht. Es ist eine Grenzüberschreitung, ein neues Denken.