Pelz in der Luxusmode

Der Kleid gewordene Rechtsruck

Auf der Mailänder Modewoche inszenierte sich Fendi als Verteidiger des ewig Schönen - mit Details aus echtem Pelz. Überhaupt wird totes Tier wieder zunehmend salonfähig. Warum nur?

Die Mailänder Modewoche ist kaum vorüber, schon stellen Analyse-Accounts die Schauen mit den meisten Impressionen vor. Diese Saison steht Prada laut "Tagwalk" auf Platz drei, Gucci auf dem zweiten Rang – und an der Spitze? Da glänzt Fendi, mit einer Erfassung von 8,64 Prozent der Plattformnutzer. Eine Marke, die für klassische, italienische Eleganz steht und vor allem noch immer mit der Nutzung von echtem Pelz assoziiert wird. 

Fendis aktuelle Herbst-Winter-Kollektion ging über eine reine Modenschau hinaus. Vielmehr erzählten die 86 Looks die Geschichte des italienischen Hauses, das 2025 seinen 100-jährigen Geburtstag feiert. Das Casting war exzellent, die Looks zitierten prunkvoll die vergangenen Klassiker. "Ich habe verschiedene Jahrzehnte berührt, aber ich versuchte auch, mich nicht auf ein bestimmtes festzulegen … Ich habe großen Respekt davor, dass etwas, das schön ist, immer schön bleibt", erklärte Silvia Venturini Fendi, Designerin und Couture-Erbin in der dritten Generation, nach der Show. Doch kann etwas weiterhin als schön verstanden werden, wenn es so problematisch ist wie echtes Tierfell? 

Fendi begann als ein Geschäft für Pelze und Lederwaren, das Adele Casagrande im Jahr 1918 in Rom eröffnete. 1925 heiratete sie Eduardo Fendi, womit sich auch der Firmenname änderte. Unter den fünf Fendi-Töchtern Alda, Anna, Paola, Franca und Carla arbeitete der große Karl Lagerfeld über 50 Jahre lang als kreative Leitung für das Modehaus. Die längste "Beziehung" der Modegeschichte – viele seiner Codes sind noch heute in den Kollektionen als wiederkehrende Elemente verankert. 

Luxus und Pelz gingen Hand in Hand

Lagerfeld verwandelte grobe Naturmaterialien durch präzise Bearbeitung zu feinen, modernen Stoffen. Pelz wurde plötzlich ganz leicht, Leder bemalt und gefärbt. Unter ihm wurde die Prêt-à-porter-Linie des Hauses auf den Markt gebracht. Ebenso die haute fourrure, die hohe Pelzkunst. Tierhäute und -haare und Fendi-Luxus gingen auch unter dem deutschen Modedesigner Hand in Hand.

In Mailand feierte Silvia Venturini Fendi nun den runden Geburtstag mit ihren eigenen, emotionalen Verbindungen zu der Marke. "Ich wollte nicht zu viel Zeit damit verbringen, in den physischen Archiven zu stöbern. Für mich geht es bei Fendi 100 mehr um meine persönlichen Erinnerungen – echte oder imaginierte –, darum, was Fendi war und was es heute bedeutet." 

Die Kollektion konnte, der Markenidentität folgend, nur mit einem Pelzmantel beginnen. Auch eine Stola aus dem Material war unter den ersten Looks, eine kurze Pelzjacke, und auch die Taschen waren zum Teil aus Fell gefertigt. Doch was vor 100 Jahren für puren Luxus stand und ohne Bedenken in die Kleiderschränke einsortiert wurde, gilt längst als untragbar. Oder? 

Schönes Haar von toten Tieren war mal out

Noch kurz vor der Jahrtausendwende zog sich "Baywatch"-Star Pamela Anderson für Petas Tierschutz-Kampagne "Zeig' Pelz die kalte Schulter" aus. In den frühen 2000er Jahren stürmten Protestierende regelmäßig die Laufstege der Marken, die tote Lebewesen präsentierten. Immer mehr Designer entschieden sich, keinen echten Pelz mehr zu nutzen und wurden dafür gefeiert. Die Londoner Modewoche verbannte das Material sogar aus allen gezeigten Shows. Tiere züchten, quälen, schlachten, nur für ihr schönes Haar, das war out. Klimabedenken, Veganismus und generelle Empathie für alle Lebewesen wurden dagegen immer moderner. 

Doch während bei Fendi der Pelz nie ganz weg war, sprießt er seit etwa einem Jahr wieder bei vielen Modehäusern. Der "Mob Wife"-Trend, der den Stil der Mafiosi-Frauen feierte, soll zu Beginn des Jahres 2024 die große Nachfrage ausgelöst und massentauglich gemacht haben. Die Generation Z kaufte wie wild Vintage-Pelzmäntel, wie man sie von italienischen Großmüttern kennt. 

Bei neuen Pelzen handelt es sich heute dagegen meist um Shearling. Dieses Material besteht aus echtem Lammfell von jungen Schafen. Allerdings wird im Gegensatz zu herkömmlichem Fell sowohl die Wolle als auch die Lederseite genutzt, was weniger Materialverschwendung bedeutet. Es wird daher als Alternative zu klassischem Pelz verkauft. Auch Kunsthaar, das aus Polyester hergestellt wird, und damit aus Erdöl, bricht momentan alle Rekorde. Inzwischen wird argumentiert, dass echter Pelz verglichen mit dem synthetischen vielleicht sogar umweltfreundlicher sei. Beide sind auf ihre eigene Art problematisch, und doch so begehrt wie lange nicht.

Totgesagtes Material lebt länger

In der laufenden Saison war Simone Rochas Kollektion voller faux-Pelzstücke. Gucci zeigte retro-inspirierte Fellmäntel, Prada Pelz-Stolas, Marni mit Webpelz besetzte Kleider. Armani, Etro, Dolce & Gabbana – Fell überall. Wie konnte das für tot erklärte Material wieder so salonfähig werden? 

Die Trendvorhersagerin Mandy Lee findet mehrere Ansätze. Wie immer kommt ein solches Revival nicht von ungefähr. Es ließen sich direkte Verbindungen zum aktuellen Weltgeschehen ziehen. Alles, was verstörend, gruselig und dunkel scheint, fände gerade seinen Weg zurück in den Fashion-Zyklus, erklärt Lee in einem kürzlich veröffentlichten Instagram-Reel. 

Einst unmodern und subversiv, wird vieles durch Social-Media-Trends heute zum Mainstream. Neben Margielas Tabi-Boots eben auch der Pelz. Weiterhin wird echtes Tier immer noch mit einer altmodischen, traditionellen Idee von Luxus verbunden. 

Der Stärkere gewinnt

Einst, zu Fendis Gründungszeiten etwa, galt der Kauf eines neuen Pelzmantels als Zeichen für Reichtum. Man gehörte mit so einem Stück klar zur Elite. Und obwohl die Trendwelle des "stillen Luxus" abgeebbt ist, wird das Streben nach Statussymbolen laut Lee weiterhin anhalten. "Obwohl alle pleite sind, möchten Menschen weiterhin Teile tragen, die Reichtum und Luxus signalisieren. Und ich glaube, dass Pelz dazu gehört", erklärt sie. 

"Da sich die Mode von minimalistischem, stillem Luxus hin zu lauteren, ausdrucksstärkeren Styles wandelt, fügt sich Pelz – ob echt oder künstlich – nahtlos in diese Ästhetik ein", sagt auch Trendforscherin Tiffany Hill. "Der Trend verkörpert klassischen Reichtum und Macht." Der dritte Grund für den Pelz-Aufstieg ist, dass Wertevorstellungen im Umschwung sind. Einst wurde das Material als moralisch höchst fragwürdig aus der Modeindustrie verbannt. Doch Konservatismus, politisch, kulturell und wirtschaftlich, ist auf dem Vormarsch. Und damit kommen vergangen geglaubte Elemente zurück (darunter auch exotische Tierleder), die diese Haltung in der Modewelt zementieren. 

Die Toleranz gegenüber offensichtlich Problematischem wird immer größer. Man könnte Pelz als Kleid gewordenen Rechtsruck verstehen. Rücksichtslos, Macht demonstrierend – der Stärkere gewinnt. Das Tier wird vom Jäger erlegt und als Trophäe um den Hals getragen. Was vor Kurzem noch undenkbar schien, wird heute wieder normalisiert - in der politischen Rhetorik wie in der Mode. Und wie es in der Welt des schönen Scheins so ist, werden Klimabedenken, Feminismus und eben auch Tierwohl nur so lange respektiert und betont, wie sie sich verkaufen.