Neueröffnung der Frick Collection

Fast ganz die Alte

Die altehrwürdige Frick Collection ist eines der schönsten und beliebtesten Museen New Yorks. Nun erstrahlt sie generalüberholt in neuem Glanz - und ist zum Glück noch immer unverwechselbar sie selbst

Der Frühling war eine bloße Vorahnung an diesem Apriltag in New York. Die Luft war schneidend kalt, und die wenigen Kirschknospen, die sich im Central Park schon herausgewagt hatten, bereuten ihre Forschheit. Doch an der Fifth Avenue trotzte eine gute Hundertschaft an Menschen den empfindlichen Temperaturen und wartete geduldig vor den Toren einer ihrer liebsten Institutionen.

Es war der erste Tag der Vorschauen auf die renovierte Frick Collection, jener einmaligen Kunstsammlung des eponymen Stahlmagnaten in seiner prunkvollen Bürgervilla, die er selbst in einem Akt maßloser Tiefstapelei als "simpel und unauffällig" bezeichnete. Vier Jahre war sie geschlossen gewesen, und die Vorfreude der New Yorker, "ihre Frick" wiederzuhaben, war so groß, dass sie ein wenig Frieren gern in Kauf nahmen. "Ich kann es kaum erwarten, meine alten Freunde wiederzusehen", sagte eine ältere Dame, die offenbar ein persönliches Verhältnis zu jedem einzelnen Vermeer, Turner und Goya in den Museumsräumen hat.

Dabei durchdrang jedoch ein Hauch von Sorge die Antizipation. Was hat die deutsche Architektin Annabelle Selldorf mit der Frick gemacht? Erkenne ich die Villa, mit all ihren vertrauten Ecken und Winkeln, dem Fragonard-Zimmer, der Wohnstube mit ihrem Bellini und dem Holbein neben dem Kamin wieder? Oder fühle ich mich hier nicht mehr wie zu Hause?

Einiges ist neu, aber fast alles zum Besseren

Eine Stunde später waren alle Bedenken verflogen. Die Dame strahlte übers ganze Gesicht, während sie sich mit den beträchtlichen Massen durch die Räume des ersten Obergeschosses drängelte, das bislang der Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Ja, sicher, einiges ist neu, aber beinahe ausschließlich zum Besseren. Und die Frick ist immer noch die Frick, seit ihrer Öffnung für die Öffentlichkeit 1935 ein fester Teil des kulturellen Lebens von Manhattan. Unverkennbar, unverwechselbar.

Annabelle Selldorf ist zart und sensibel mit der Villa umgegangen. Von der Fifth Avenue aus verrät nichts, dass eine zeitgenössische Architektin hier Hand angelegt hat, die durchaus mit Glas und Stahl zu hantieren weiß. Der Charakter der Großbürgerresidenz an der Prachtstraße, zu Fricks Zeiten erste Adresse für die wohlhabendsten der wohlhabenden New Yorker, ist unverändert. Der neue Gang, der die Bibliothek mit den Galerien verbindet, ist in Kalkstein gehalten, einem Material, das sich unauffällig an die Beaux-Arts-Fassade schmiegt. "Ich hatte kein Interesse daran, mit Thomas Hastings, dem erste Architekten des Hauses, in Konkurrenz zu treten", so Selldorf.

So hat man beim Durchstreifen der Frick noch immer das wohlige und etwas aufregende Gefühl, wie ein Voyeur durch die Gemächer des Besitzers zu streifen: eines Mannes, der stark seine Zeit verkörperte. Henry Clay Frick hatte, wie viele Unternehmer im "Gilded Age" des US-amerikanischen Kapitalismus, in ähnlich kurzer Zeit wie die heutigen Technologie-Milliardäre ein unvorstellbares Vermögen angehäuft. Eine erstklassige Kunstsammlung war damals ein obligatorisches Symbol des sozialen Status. Und Frick hatte nicht nur die Mittel, sondern auch das Auge dafür, einen der formidabelsten Kulturschätze anzulegen, die die Welt bis dahin gesehen hatte.

Der Geschmack ist immer noch der der früheren Besitzer

Dass Frick selbst verfügte, die Sammlung einmal in ein Museum umzuwandeln, merkt man beim Begehen jedoch nur selten. Die durchkomponierten Zimmer entsprechen bis heute seinem Geschmack und dem seiner Gattin Adelaide. 

Da ist das Esszimmer mit Porträts englischer Gesellschaftsdamen von Thomas Gainsborough, einem Favoriten Adelaides. Der Raum verströmt mit seinen Wandbehängen aus Damast eine eindeutig aristokratische Aura. Da ist das etwas finstere, holzgetäfelte Wohnzimmer mit Hans Holbein, El Greco und dem wunderbaren "Franziskus in der Wüste" von Giovanni Bellini: Bilder, die Frick in seinen letzten Lebensjahren tagelang in tiefer Versenkung studiert haben soll.

Dann ist da die erhabene West Gallery, die mit Meisterwerken von William Turner, Jan Vermeer, Francisco de Goya, Diego Velázquez und Anthonis Van Dyck beinahe schon protzig überladen ist. Und schließlich ist da das Schlafgemach mit dem brillanten "Weißen Pferd" von John Constable und der süßlichen "Emma Hart" von George Romney - die war vermutlich das Letzte, was der Hausherr vor seinem Tod von dieser Welt sah.

Ein freundlicheres Haus als vorher

Annabelle Selldorf hat das Frick-Erlebnis nicht verändert, sondern subtil verbessert. Durch die Erneuerung abgewetzter Dekorationsmaterialien und modernster Beleuchtungstechnik wirkt das Haus freundlicher als bisher. Man hat weniger das Gefühl, durch ein Mausoleum zu wandeln. Der Eingangsbereich wurde vergrößert und mit Marmor ausgestattet, die einzige sichtbare Veränderung ist eine nüchterne Treppe hinauf zum neu zugänglichen Obergeschoss. Der Ort, an dem Selldorf sich ausgetobt hat, ist lediglich ein hochmodernes Auditorium unter dem beliebten Garten, den sie zur Freude vieler Bürger und Frick-Aficionados erhalten hat.  

So haben die New Yorker in diesem Frühjahr, in dem es in Trump-Zeiten ansonsten wenig Grund zur Freude gibt, ein stark vermisstes Juwel in feinfühlig augmentierter Form zurückerhalten. Es ist eines von vielen Monumenten aus einer Zeit, die das alte New York geprägt hat. Einer Zeit, in der Räuberbarone wie Vanderbilt, Carnegie und Rockefeller mit rücksichtsloser Ambition sagenhafte Vermögen angehäuft haben, nur um sie dann in Form großzügiger Philanthropie an die Bürgerschaft weiterzugeben. 

Selbst dieser urkapitalistische amerikanische Bürgersinn macht heute nostalgisch. Und das Frick ist ein perfekter Ort, um in solcher Erinnerung zu schwelgen und dem Terror des Hier und Jetzt zu entkommen.