Guggenheim Bilbao wird 25

Prinzip Hoffnung

Vor 25 Jahren eröffnete das New Yorker Guggenheim ein Museum im nordspanischen Bilbao. Für die dahinsiechenden Industriestadt wurde der spektakuläre Bau von Frank Gehry zum Segen. Auf den "Bilbao-Effekt" hofft man seither auch anderswo

Bilbao hat eigentlich nichts: keinen Strand, keine hübschen Häuschen, es ist noch nicht mal wohlig warm. Trotzdem wollen alle mittelgroßen Kaffs im Irgendwo am liebsten sofort zu einem zweiten Bilbao werden. Denn in die nordspanische Stadt pilgern seit dem 18. Oktober 1997 jährlich mehr als eine Million Touristen das ist fast drei mal so viel wie die Stadt Einwohner zählt , um Frank O. Gehrys mit Titanplatten verkleidetes Guggenheim Museum zu bestaunen. Das "Wunder von Bilbao", wie es sein Direktor Juan Ignacio Vidarte einmal nannte, steht für einen Paradigmenwechsel in der Museumslandschaft.

Als die Guggenheim-Filiale nahe dem Fluss Nevion vor 25 Jahren eröffnet wurde, lag die Arbeitslosenquote in der dahinsiechenden Industriestadt bei mehr als 22 Prozent. "Hätten die Baukosten von rund umgerechnet 140 Millionen Euro nicht besser für den Erhalt der Hochöfen und Werften ausgegeben werden sollen als für ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst?", fragten damals die Skeptiker. Sie irrten: Das Museum hat die Stadt aus der Krise geführt.

Die spanische Filiale spülte auch ordentlich Geld in die New Yorker Solomon R. Guggenheim Foundation und zeigte dessen damaligen Direktor Thomas Krens, dass das Franchisesystem lukrativ sein kann. Die Stiftung diskutierte zahlreiche weitere mögliche Dependancen, darunter in Hongkong, Singapur und Helsinki. Geblieben von diesen Visionen ist indes nur der Plan für ein durch Gehry entworfenes Museum in Abu Dhabi, das 2025 fertiggestellt sein soll und das seit September Stephanie Rosenthal leitet, bis dahin am Berliner Gropius Bau tätig.

Prinzip "Bilbao-Effekt"

Dass Museen (und Sportstadien) in Zeiten der Säkularisierung die Kirchen als Renommierbauprojekte ablösten, ist nicht neu. Diese Tradition geht schon auf das Ur-Guggenheim von Frank Lloyd Wright zurück. Doch dass sich ausgestellte Kunst der Architektur unterordnen muss wie in Bilbao, das ist eine Zäsur – mit zum Teil unguten Folgen für die Kunst.

Gehry, geboren 1929 in Toronto, wurde von Richard Serra und Claes Oldenburg dazu inspiriert, Architektur als Skulptur zu verstehen. Ein Werk von Serra gehört auch zu den spektakulärsten und größten Arbeiten der relativ kleinen Guggenheim-Sammlung, die 147 Werke umfasst: Die massive Großinstallation "A Matter of Time" aus verrostetem und gebogenem Stahl besteht aus acht riesigen begehbaren Ellipsen, Spiralen und Schlangenformen. Die zum Teil 30 Tonnen schweren Platten für die 20 Millionen Dollar teure Arbeit wurden in Deutschland gegossen. Das gute Stück braucht viel Platz. Aber daran fehlt es dem Museum mit 11.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche nicht. Serras Werk kam in der 130 Meter langen Galerie 104 unter.

In 25 Jahren zeigte das Museum 215 Ausstellungen aus der Sammlung und 37 Sonderausstellungen, die von 24,7 Millionen Besuchern gesehen wurden. Auf genau diesen "Bilbao-Effekt" – spektakuläre Architektur plus Ausstellungen mit Eventcharakter – hofft man seit 25 Jahren auch anderswo.