Weg vom Muff des Preußentums

Humboldt Forum will durchstarten

Der Schriftzug des Humboldt Forums vor der Fassade des Berliner Schlosses
Foto: dpa

Der Schriftzug des Humboldt Forums vor der Fassade des Berliner Schlosses

Die barocke Fassade lastet tonnenschwer am Humboldt Forum in Berlin. Doch mit der Eröffnung hinter der umstrittenen Rekonstruktion will sich das 680 Millionen Euro teure Zentrum als internationales Kulturprojekt beweisen. Die ersten Ausstellungen stehen

Nichts weniger als den Muff des Preußentums gilt es abzuschütteln. Das Humboldt Forum will sich als ambitioniertes internationales Kulturprojekt im Herzen Berlins etablieren. Die umstrittene barocke Fassade des alten Stadtschlosses verbirgt noch den Blick auf die ersten Ausstellungen, die am Dienstag (20. Juli) nach digitalem Vorspiel im Dezember nun auch tatsächlich ihre Türen öffnen sollen.

Was das Zentrum für Kunst, Kultur und Wissenschaft leisten kann, ist für Generalintendant Hartmut Dorgerloh schon an der ersten Sonderausstellung namens "schrecklich schön" über Elfenbein zu erkennen. "Die Ausstellung ist eine programmatische Setzung, auch mit einem großen, schwierigen Thema aufzumachen", sagt Dorgerloh der Deutschen Presse-Agentur. "Das Humboldt Forum eröffnet in einer Zeit wichtigen gesellschaftlichen Wandels, wo es in vielen Fällen nicht mehr nur um das schöne Produkt an sich geht, sondern immer stärker nachgefragt wird: Wo sind die Dinge entstanden? Wer hat sie gemacht? Wie und warum sind sie hierhergekommen? Wie sind sie in globale Bezugssysteme eingebunden?" Dies lasse sich anhand der Verwendung von Elfenbein sehr gut zeigen.

Was Elfenbein auch zeigt: Das Humboldt Forum hat eine heftige Kolonialismus-Debatte am Hals. Können heute noch Kunststücke ausgestellt werden, die unter ungeklärten, zweifelhaften oder gar eindeutig kolonialen Bedingungen in deutschen Museumsbeständen landeten? Noch dazu in der Teil-Rekonstruktion eines Schlosses, das auch für deutsche Kolonialmacht und in dieser Zeit verübten Völkermord steht? Mit Kreuz auf der Kuppel und einem weithin sichtbaren Spruch, der die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum fordert. Beides auch Herrschaftsanspruch der Monarchie gegen demokratische Bestrebungen.

Benin-Bronzen als Zentrum des Streits

Die Benin-Bronzen bilden aktuell das Zentrum des Streits. Die Kunstwerke stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897, von manchen Experten deswegen als Hehlerware bezeichnet. Es sind Objekte aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, aktuell verhandeln Deutschland und Nigeria über Rückgaben. Die Bronzen sind in zahlreichen deutschen Museen zu finden, auch im Humboldt Forum sollen sie in zwei Sälen gezeigt werden.

Eine Menge Verantwortlicher im Forum sind froh, dass dieser Teil von Gebäude und Ausstellungen erst im kommenden Jahr öffnen wird. So bleibt mehr vom Scheinwerferlicht der Eröffnung für alle Player. Das Forum teilen sich zwei Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz - bisher touristisch ab vom Schuss in Berlin-Dahlem gelegen - sowie das Land Berlin und die Humboldt-Universität. Hinzu kommen Dorgerloh und sein Team mit der Stiftung Humboldt Forum.

Obwohl zunächst nur Erdgeschoss und die erste von drei Etagen öffnen, buhlen - neben dem Gebäude selbst - gleich sechs Ausstellungen plus Beiprogramm um die Aufmerksamkeit der coronabedingt noch beschränkten Zahl der Besucherinnen und Besucher. Neben der Sonderausstellung "schrecklich schön. Elefant - Mensch - Elfenbein" sind das: "Nach der Natur" im faszinierenden Bereich der Humboldt-Universität, die animierende "Berlin Global"-Ausstellung von Stadtmuseum und Kulturprojekte Berlin, "Nimm Platz!" als geistreiche Ausstellung für Kinder, die dezentrale "Geschichte des Ortes" zur wechselhaften Historie an dieser Stelle der Stadt und schließlich "Einblicke. Die Brüder Humboldt" zu Wirken und Schaffen der Namensgeber Alexander (1769-1859) und Wilhelm (1767-1835) von Humboldt.

"Aktuelle Bezüge mit historischen Perspektiven verbinden"

Seit fast drei Jahrzehnten wird um diesen Ort gestritten, an dem aus einer Sumpfwiese ein Stadtteil erwuchs, Dominikaner ein Kloster errichteten, ein Renaissanceschloss als Vorläufer der späteren Barockversion stand. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs waren leichte Begründung für die DDR-Oberen, die Schlossruine 1950 zu sprengen. Als ähnlich vordergründig empfanden es zahlreiche Ostdeutsche, dass der in den 70er-Jahren errichtete Palast der Republik in der Nachwendezeit nach asbestbedingtem Rückbau völlig abgerissen wurde.

Für die gut 40 000 Quadratmeter umfassende neue Bebauung sammelten Schlossfans im Lauf der Jahre rund 100 des inzwischen rund 680 Millionen Euro teuren Vorhabens. Der italienische Architekt Franco Stella baute barocke Fassaden an drei Außenseiten, im großen Schlüterhof sowie dem Portalteil des Foyers. Zwischen den Insignien preußischer Macht wie Kronen und Adler sind vereinzelt dunklere Stellen im Stein zu finden - die wenigen originalen Überreste des alten Schlossbaus. Stellas moderne Ostfassade ist ob ihrer Eintönigkeit kaum weniger umstritten als die historisierenden Teile.

Deutlich mehr Leben versprechen die Ausstellungen. Für Intendant Dorgerloh ist die Elfenbein-Präsentation "ein gutes Beispiel, wie wir zukünftig immer wieder Themen aufgreifen können, die die Partner im Haus aus sehr unterschiedlichen Perspektiven zusammenbringen, die aktuelle Bezüge mit historischen Perspektiven verbinden".

Kurator Alberto Saviello sagt der dpa: "Wir bringen dazu auch Perspektiven der Ursprungsländer von Elfenbein ein, aus denen wir einen Teil der Exponate bekommen haben, und bieten ein Forum, bei dem unterschiedliche Anschauungen aufeinandertreffen." Aufgabe sei es auch, sich mit den Gegensätzen und Spannungen auseinanderzusetzen. "Sich dieser Komplexität zu stellen, ist eine Aufgabe der Ausstellung und das entspricht auch dem Anspruch des Humboldt-Forums."