Berliner ICC

Eine historische Idee von Aufbruch

Das stillgelegte ICC in Berlin war mal das wichtigste deutsche Tagungszentrum und gehört zu den exzentrischsten Bauten der Nachkriegsmoderne. Im Herbst soll nun für zehn Tage Kunst in das Architekturdenkmal einziehen

Wer früher viel MTV geschaut hat, wird sich vielleicht erinnern: Im Intro der Sendung "Brand:Neu", in der frisch abgedrehte Videoclips präsentiert wurden, rannte eine maskierte Gestalt mit weißem Hoodie und einer VHS-Kassette mit den heißesten Hits an einem futuristischen Gebäude entlang. Was aussah wie ein außerirdisches Musiklabor auf einem unentdeckten Planeten, war eigentlich Berlin-Westend, das silbrig glänzende, asymmetrische Raumschiff-Gebäude stellte sich als Internationales Congress Center (ICC) heraus. 1979 wurde der damals teuerste Bau West-Berlins (Kosten 924 Millionen D-Mark) eröffnet. Jahrzehntelang war die exzentrische Halle nach Entwürfen des Architektenpaares Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte eines der wichtigsten und meistausgelasteten Tagungszentren Europas. Rentabel war es trotzdem nicht. 2014 wurde es wegen Unwirtschaftlichkeit geschlossen, danach waren zwischenzeitlich Geflüchtete in den ehemaligen Kongressräumen untergebracht. 

Über die Zukunft des metallischen Koloss, der dem Land Berlin gehört, wird seit Jahren diskutiert. Auch ein Abriss wurde schon ins Gespräch gebracht, seit 2019 steht das Gebäude jedoch unter Denkmalschutz. In diesem Herbst soll nun jedenfalls erst einmal Kunst in das einstige Aushängeschild der westdeutschen Nachkriegsmoderne einziehen. Laut einer Mitteilung vom Dienstag planen die Berliner Festspiele vom 7. bis 17. Oktober zu ihrem 70. Geburtstag ein disziplinübergreifendes Festival im ICC.

Unter dem Titel "The Sun Machine Is Coming Down" (ein Zitat von David Bowie aus dem Song "Memory Of A Free Festival" von 1969) soll es dort Musik, Performances, Installationen und Filme zu sehen geben. So werden laut der Ankündigung unter anderem Werke aus der Sammlung von Julia Stoschek gezeigt. Auf der Liste der Teilnehmenden stehen Künstlerinnen und Künstler wie Ed Atkins, Rachel Rose, Tino Sehgal, Dara Birnbaum, Barbara Hammer, Arthur Jafa, Cao Fei und WangShui. Die gezeigten Arbeiten sollen sich laut der Berliner Festspiele mit Themen wie "alternative Realitäten im Übergangsbereich von Kultur und Natur" und "Körperkonzepte" beschäftigen. Außerdem sollen die Ideen des Medientheoretikers Friedrich Kittler eine Rolle spielen.

"Das ICC macht heute eine inzwischen historisch gewordene Idee von Aufbruch und technologiebasierter Modernität spürbar", heißt es in der Ankündigung. "In den stillgelegten Relikten dieser Utopie entfaltet sich an einem Ort, der nicht mehr funktionieren muss, nun der nie geplante Luxus von Platz, Ruhe und Schönheit. Wo Technik war, kommen die Körper wieder, Licht und Pflanzen, Musik und Artistik."