Zum Tod des Künstlers Karl-Heinz Adler

Jenseits des Rasters

Foto: Otto Felber
Foto: Otto Felber
Karl-Heinz Adler, 1927-2018

Karl-Heinz Adler war einer der herausragenden Vertreter der konkret-konstruktiven Kunst in Deutschland. Am Sonntag ist der sächsische Künstler im Alter von 91 Jahren gestorben. Ein Nachruf von Sarah Alberti

Er erlebte und überlebte das Ende der Weimarer Republik, den Zweiten Weltkrieg, Aufbau wie Verfall der DDR. Karl-Heinz Adler, am 20. Juni 1927 im sächsischen Vogtland geboren, gilt als einer der herausragenden Vertreter der konkret-konstruktiven Kunst in Deutschland. Seine künstlerische Position steht stellvertretend für die parallelen Kunstentwicklungen in Ost und West, die späte internationale Anerkennung seines Lebenswerks exemplarisch für den kunsthistorischen Lückenschluss nach der Wiedervereinigung.

Adlers Schaffen, es begann bei einer Teppichfirma: Nach einer Ausbildung als Musterzeichner studierte er Textilindustrie an der vom Bauhaus geprägten Kunst- und Fachschule in Plauen. Es folgte das Diplomstudium an der Hochschule für Bildende Künste in West-Berlin, in Dresden lernte er noch bei Hans Grundig. Als Assistent der Architekturabteilung der dortigen Technischen Universität entstand 1957 sein erstes abstraktes Werk: Eine collagierte Schichtung von geometrischen Grundformen. Das Teppichhandwerk, es war Nährboden dieser Arbeiten, die von nur zwei Farben dominiert, die Flächen entsprechend einem Raster zerteilen und neuformieren. Strukturen, die sich aus wiederholenden Elementen zusammensetzen.

Raster bildeten auch die Grundlage für seine Formensteinwände aus Beton, die den öffentlichen Raum der DDR prägten. Sein gemeinsam mit dem Künstler-Kollegen Friedrich Kracht (1925–2007) entwickeltes "BetonFormstein-Programm für die plastisch-dekorative Wandgestaltung" ging 1970 beim Berliner VEB Stuck und Naturstein in Produktion. 

Diese "Op-Art aus Beton", so Architekturkritiker Niklas Maak, sie passte in das von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland vorgegebene Raster. Doch sein geometrisch inspiriertes künstlerisches Werk tat es nicht, wurde nicht und wenn, dann nur gegen große Widerstände der Behörden öffentlich ausgestellt. So arbeitete Adler im Schatten der offiziellen Kulturpolitik, isoliert von Zero, Minimal-Art, Op-Art und konkreter Kunst jenseits der Mauer, die für ihn jedoch nicht unüberwindbar war: 1984 stellte er in Malmö aus, war von 1988 bis 1995 Gastdozent an der Düsseldorfer Akademie. Doch erst der Mauerfall brachte die kunstwissenschaftliche Aufarbeitung wie die internationale Kontextualisierung seines Werkes mit sich.

Und so steht Karl-Heinz Adler heute stellvertretend für viele gleichermaßen vom Sozialismus wie dem wiedervereinten Deutschland geprägte Künstlerbiografien, sensibilisiert sein Beispiel bestenfalls auch nachfolgende Generationen von Kritikern und Kunsthistorikern zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Einschreibung des Systembruchs in die öffentliche Wahrnehmung selbiger.

Anders als ein Großteil seiner Formsteinwände, von denen sich im öffentlichen Raum nur vereinzelte Reste in Hinterhöfen erhalten haben und die im Netz längst ein Eigenleben führen, wurde seinem künstlerischen Schaffen in den letzten Jahren die angemessene Aufmerksamkeit zuteil: Einzelausstellungen im In- und Ausland folgte 1995 der Ehrenaufenthalt an der Akademie Rom Villa Massimo. 1997 zeigte das Folkwang zum 70. Geburtstag eine umfassende Retrospektive. Zuletzt vertreten von der Galerie Eigen+Art, die ihm im Oktober 2016 die erste Einzelausstellung in Berlin widmete, eröffneten im vergangenen Jahr Ausstellungen im Dresdner Albertinum und im Kiscelli Múzeum in Budapest, begleitet von einem umfangreichen Katalog.

Adlers Biografie, so darin die Dresdner Kuratoren, zeuge von der Integrität einer Persönlichkeit, die konsequent, ungeachtet aller beruflichen wie kulturpolitischen Repressionen sowie mit einer reichlichen Portion Optimismus nach vorn schaute, den eigenen Ideen und Möglichkeiten vertraute und die Freiheiten der Wiedervereinigung für sich zu nutzen wusste.  

Seit 1947 lebte und arbeitete Karl-Heinz Adler in Dresden. Am 20. November wird ihm postum vom Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. In Leipzig zeigt Eigen+Art bis zum 20. Dezember Werke, die zwischen 1960 und 2018 entstanden sind – zwei davon noch im September – und die verdeutlichen, dass jede Serie als eine Weiterentwicklung der alten verstanden werden kann. Adler prägte eine ganze Künstlergeneration die an vergleichbaren Fragestellungen arbeitet und der er visuelle wie intellektuelle Referenz ist, darunter Olaf Nicolai und Kai Schiemenz.

Im Gespräch mit Hans-Ulrich Obrist gab Karl-Heinz Adler jungen Künstlern noch vor zwei Jahren folgenden Rat: "Sich nicht mit allem zufriedengeben, sondern sich öfters zu hinterfragen, ob die Dinge noch im Sinne der anfangs gehabten Visionen sind. Und wenn nicht, warum nicht?"