Filmfestival Venedig

Kritikerurteile zu "Werk ohne Autor"

Foto: Disney/dpa
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Szene aus "Werk ohne Autor"

Oscarpreisträger Florian Henckel von Donnersmarck blickt auch in seinem neuen Film "Werk ohne Autor", dessen Handlung an die Biografie von Gerhard Richter angelehnt ist, auf die deutsche Geschichte. Nach der Weltpremiere als einziger deutscher Beitrag für den Wettbewerb der diesjährigen Festspiele in Venedig sind die Kritiken gemischt

Die Spannung war groß. Immerhin hat "Werk ohne Autor", der neue Film von Oscarpreisträger Florian Henckel von Donnersmarck, bereits einige Vorschusslorbeeren erhalten: Er wurde nicht nur als einziger deutscher Beitrag für den Wettbewerb der diesjährigen Festspiele in Venedig ausgewählt, sondern auch zum deutschen Oscar-Kandidaten für den besten nicht-englischsprachigen Film gekürt. Gesehen hatten ihn bis dahin allerdings nur wenige Menschen. Das änderte sich am Dienstagabend, als in Venedig die Weltpremiere von "Werk ohne Autor" auf dem Programm stand. Die große Frage war also: Wie ist dieser Film denn nun eigentlich? 

Nach dem Stasi-Drama "Das Leben der Anderen", für das Henckel von Donnersmarck 2007 den sogenannten Auslands-Oscar gewonnen hat, kehrt der 45-jährige Regisseur thematisch erneut zur deutschen Geschichte zurück. Für "Werk ohne Autor" ließ er sich von der Biografie des gefeierten Malers Gerhard Richter inspirieren und erzählt von dem Künstler Kurt Barnert, der während der NS-Zeit aufwächst, in der DDR erste Erfolge feiert, dann aber in den Westen flüchtet. Dort versucht er in Düsseldorf Fuß zu fassen, wird aber von den traumatischen Erlebnissen seiner Vergangenheit verfolgt.

"Ich glaube an die Freiheit der Kunst", sagte Henckel von Donnersmarck in Venedig. "Die Kunst, die die Nationalsozialisten und Kommunisten wollten, konzentrierte sich stark auf das Handwerk und eine politische Botschaft." Im Deutschland der Nachkriegszeit habe man etwas Neues gewollt und den handwerklichen Aspekt über Bord geworfen.

"Ich habe mir bei der Zeichnung der Figuren Freiheiten genommen, die ich brauchte, um meine Geschichte zu erzählen", hatte Henckel von Donnersmarck zuvor im Presseheft erklärt. "Der Film soll nicht dokumentarisch sein." Deswegen spitzt er die Handlung zu und verdichtet sie, so dass es im Leben des Künstlers dramatische Verwicklungen innerhalb der eigenen Familie gibt.

Nach einer ersten Vorführung beim Festival gab es eher verhaltenen Applaus. Nachdem der Film dann am Dienstagabend seine Premiere feierte, war der Applaus lauter und die Zeitungen veröffentlichten ihre ersten Kritiken. "Donnersmarck, der auch das Drehbuch schrieb, verdichtet die in ihren Grundzügen wahre Geschichte zur schwer genießbaren Schmonzette um einen Hochbegabten, den Fleiß und Leidensfähigkeit zum Erfolg führen. Aber interessiert sich der Filmemacher überhaupt für Kunst?", fragt Jens Hinrichsen auf Monopol-Online – und sieht in "Werk ohne Autor" einen Tiefpunkt des Wettbewerbs.

Hanns-Georg Rodek hingegen hat einen Film gesehen, "der wirklich wissen möchte, was die Welt des Künstlers im Innersten zusammenhält, warum er malt, wie er malt." Problematisch findet der "Welt"-Kritiker, dass sich parallel zur Biografie Gerhard Richters "die wirklich dramatischen Vorgänge" in der ersten Hälfte des Films abspielen, "danach ist – im Vergleich – alles easy, und doch sind noch anderthalb Stunden zu füllen." 

Tim Caspar Boehme findet in der "Taz" den Film immerhin nicht langweilig. Aber findet vieles zu dick aufgetragen: "Zu raumfüllend die flächig-emotionale Musik Max Richters, viel zu häufig – gefühlt ein Viertel des Films – muss Paula Beer ihre Brüste ins Bild halten, und zu altbacken-thesenhaft das Kunstverständnis, das der Film vor sich herträgt und von seinen Protagonisten ausgiebig erörtern lässt."

"Vieles ist breit, das eine oder andere tief, das meiste will hoch hinaus, manchmal klappt es", schreibt Dietmar Dath in der "FAZ". "Aber 'Werk ohne Autor' wirft auch zahllose Bilder an die Wand, die schale Gemeinplätze sind, und zahllose Szenen öden als Phrasen an."

Andreas Borcholte zieht auf "Spiegel Online" Parallelen zwischen Gerhard Richters und Donnersmarcks Arbeit: "Ähnlich wie Richter einst der als überkommen verpönten Malerei, ringt auch Donnersmarck der klassischen Form des epischen Erzählkinos ein mitreißendes Werk ab - das jedoch inhaltlich zu respektvoll und formal zu gediegen ist, um diese Kunstform neu auszuloten. Statt selbst als Autor in den Vordergrund zu drängen, stellt sich der Regisseur nahezu komplett in den Dienst seiner Geschichte, um einem großen Künstler auf die Finger zu schauen."

"SZ"-Kritikerin Susan Vahabzadeh hält "Werk ohne Autor" für einen "sehr schönen Film": "ein deutsches Geschichtspanorama, gerade weil Donnersmarck Parallelitäten betont, die in der realen Biografie Gerhard Richters so klar nicht sind. In Barnerts Familiengeschichte finden alle politischen Umwälzungen ganz zusammen, die familiären Auseinandersetzungen sind im Kleinen dieselben, die im Großen die Gesellschaft durchmacht; aber genau davon handelt ja letztlich alle Kunst."