Maler, Illustrator, Musiker, Konzeptkünstler und nach eigener Aussage auch Programmierer, Altenpfleger und Schulbusfahrer. Was nach dem Selbstverständnis eines gescheiterten Zauberkünstlers klingt, ist tatsächlich die Biografie des Künstlers und Output-Garanten Jim Avignon. Avignon hat in seinem Leben bereits einige Wege eingeschlagen, die andere im Dickicht der Bedeutungsschwangerschaft als unbetretbare Pfade in den "Verbotenen Wald" abtun würden. Ob auf der Designkonferenz Typo, im Olympiastadion, in den Techno-Clubs oder an der East Side Gallery - in Berlin kennt man Jim Avignon branchenübergreifend.
Seit den frühen 90er-Jahren leistet Avignon im Rahmen von Ausstellungen, Live Paintings und Konzerten seinen Beitrag zum Verständnis von Kunst im öffentlichen Raum als Street- und Pop-Art-Künstler. Von 132 Sportlern ließ er das mit 2800 Quadratmetern größte Gemälde der Welt zur Wiedereröffnungsfeier in das Berliner Fußballstadion tragen. Von der Fluggesellschaft British Airways ließ er das "höchste Gemälde der Welt" am Heck des Fliegers auf 12.000 Höhenmetern über den Erdball tragen. Für untragbar hielt die Denkmalschutzbehörde seine öffentlichkeitswirksame Aktion im Oktober 2013, als er an der East Side Gallery mit einigen Kunststudierenden sein eigenes - aber nun mal unter Denkmalschutz stehendes - Wandbild von 1991 übermalte.
Die Rettung vor dem Geretteten
Nun hat das Urban Nation Museum for Urban Contemporary Art ein neues Riesenprojekt des Multitalents ermöglicht. Auf der Fassade des Hauses an der Neheimer Straße 8 im Artpark Tegel empfängt das Werk aus der Reihe "One Wall" fortan Berliner Touristen und Flaneure auf ihren urbanen Spaziergängen. So umstritten die Konservierung und museale Präsentation von Urban Art auch sein mag, das Museum bemüht sich seit Beginn um eine adäquate und der Kunstform gerechte Ausstellungspraxis. Jährlich lädt die Institution fünf oder sechs nationale und internationale Positionen ein, um in der Berliner Stadtlandschaft Wandbilder zu aktuellen Themen zu erschaffen.
In einer Zeit, die von einer globalen Pandemie, klimatischen Um- und politischen Einbrüchen dominiert ist, versammelt Avignons Motiv die Errungenschaften menschlicher Entwicklung im Korb eines erdballähnlichen Heißluftballons: Häuser und Domestizierung, Hochhäuser und Urbanisierung, rauchende Schlote und Industrialisierung, goldene Taler und Ökonomisierung. Mit augenscheinlich gemischten Gefühlen entflieht der Ballon einer sinflutartigen Szenerie. Die Botschaft ist eindringlich: Der aufgeblasene Gasriese in der Optik des blauen Planeten ist bei der herannahenden Flut die einzige Rettung für unsere Errungenschaften und uns selbst. Doch vielleicht, suggeriert das Wandbild, müssen wir uns auch vor einigen dieser Errungenschaften retten.