Neue Erkenntnisse zur Filmregisseurin

Die Schuld der Leni Riefenstahl

Leni Riefenstahl mit Team bei den Dreharbeiten zu "Olympia", 1936
Foto: Fotograf unbekannt, Olympia-Film G.m.b.H., Berlin S.O. 36, Harzerstraße 39, Creative Commons-Lizenz

Leni Riefenstahl mit Team bei den Dreharbeiten zu "Olympia", 1936

Bis zuletzt leugnete Leni Riefenstahl ihre Verstrickung in den Nationalsozialismus - und der Mythos der unpolitischen Künstlerin lebt noch immer. Ein neues Buch und ein Film zeigen die Regisseurin nun als skrupellose Unterstützerin des Hitler-Regimes

Sie war couragiert – in eigener Sache. Bis zuletzt leugnete Leni Riefenstahl (1902-2003) ihre Verstrickung in den Nationalsozialismus. Der von der Künstlerin und ihren Unterstützern genährte Mythos von der unpolitischen Filmemacherin zahlt sich bis in die jüngste Zeit aus. So landeten Riefenstahls "Olympia"-Zweiteiler von 1938 und, noch schlimmer, ihr "Triumph des Willens" (1934) letzten November im oberen Drittel des BBC-Rankings "The 100 greatest films directed by women" – als wäre Riefenstahls Behauptung, sie habe mit dem NS-Parteitagsfilm einen Dokumentar- und nicht etwa einen Propagandafilm gedreht, nicht längst widerlegt.

Zu den Vorbehalten gegen ihre Filme treten neue Erkenntnisse über Riefenstahls persönliches Verhalten im Nationalsozialismus. Michael Klofts sehenswerte Arte-Dokumentation "Leni Riefenstahl – Das Ende eines Mythos" stützt sich vor allem auf die Recherchen der Freiburger Journalistin Nina Gladitz, die vor kurzem ihr Buch "Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin" im Orell Füssli Verlag herausgebracht hat.

In den 1980ern hatte Riefenstahl ein Verfahren gegen Gladitz angestrengt, unter anderem wegen der Behauptung, Riefenstahl hätte für ihren – erst 1954 uraufgeführten – Spielfilm "Tiefland" Sinti und Roma aus Zwangslagern der Nazis persönlich rekrutiert und nicht entlohnt. Überlebende ehemalige Komparsen hatten in Gladitz’ Dokumentation "Zeit des Schweigens und der Dunkelheit" entsprechende Aussagen getroffen, und das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied in zweiter Instanz, dass die Interviewpassagen im Film bleiben durften.

Allerdings musste Gladitz ihre Behauptung herausschneiden, Riefenstahl habe von der geplanten Deportation und Ermordung ihrer Komparsinnen und Komparsen gewusst. Noch 2002 fabulierte Riefenstahl in einem Zeitungsinterview: "Wir haben alle Zigeuner, die in 'Tiefland' mitgewirkt haben, nach Kriegsende wiedergesehen. Keinem einzigen ist etwas passiert." Laut Gladitz eine glatte Lüge, wie die Autorin von "Karriere einer Täterin" in Klofts Film erklärt, denn ein Großteil der Sinti und Roma aus "Tiefland" finde sich auf den Opferlisten von Auschwitz.

Auch kritische Reaktionen

Auch an der Künstlerin Leni Riefenstahl lassen Arte-Film wie Buch kaum ein gutes Haar. Was weniger mit der Frage zusammenhängt, wie naziaffin ihre Werke waren. Gemäß Gladitz und Kloft hat sich Riefenstahl vielmehr notorisch mit fremden Federn geschmückt. Am übelsten soll sie dem Fotografen, Regisseur und Kameramann Willy Zielke (1902-1989) mitgespielt haben. Es gibt Belege dafür, dass angebliche Riefenstahl-Fotos – die auf dem Kunstmarkt später hohe Preise erzielten – von Zielke stammen, und auch einzelne Filmsequenzen und der komplette Schnitt von "Tiefland" soll auf das Konto des Kollegen gehen.

Unklar bleibt, in welchem Umfang Riefenstahl hinter einem Komplott steckt, das zu Zielkes Zwangssterilisierung und seiner Einweisung in eine psychiatrische Klinik führte. Zweifellos hat die Regisseurin aber in einem bisher ungeahnten Maß von Zielkes Können profitiert. Laut Gladitz wurde der unter Vormundschaft seines Schwagers (der wiederum laufend Kontakt zu Riefenstahl hielt) stehende Zielke gegen Kriegsende noch einmal zum Schnitt von "Tiefland" gezwungen und wurde dabei zu Riefenstahls "persönlichem Gefangenen" (Gladitz) in einem Tiroler Chalet. Er selber habe seine Essensmarken abgeben und hungern müssen, als Entmündigter habe er das Anwesen nur mit Riefenstahls Erlaubnis verlassen dürfen.

Es soll nicht verschwiegen werden, dass Gladitz’ Riefenstahl-Buch – deren Thesen der Arte-Film weitgehend übernimmt – auch kritische Reaktionen hervorgerufen hat. So erhebt Bert Rebhandl in der FAZ vom 23. Oktober einige Einwände. Seine Skepsis bezieht sich nicht zuletzt auf Zielkes "unveröffentlichte(n) Erinnerungen, viele Jahre später geschrieben und von einer bemerkenswerten Luzidität geprägt". Die Autorin, so Rebhandl weiter, behandle die Erinnerungen wie einen "autoritativen Text","wo dieser doch ebenso sehr einer Hermeneutik bedürfte wie die 'Memoiren' von Leni Riefenstahl. Diese wurden auch jahrelang als Quelle gelesen und sind das doch allenfalls als Modell für Entlastungsstrategien." 

Kurzum und bei aller Antipathie: Wie skrupellos Hitlers Lieblingsregisseurin wirklich war, können wir nicht exakt wissen. Dass Riefenstahl keine Ausnahmekünstlerin war, belegen dröge Werke wie "Tiefland" (dessen mutmaßlicher Antisemitismus filmwissenschaftlich noch ausgeleuchtet werden müsste). Ganz sicher taugt die Legende von Leni als Unschuldslamm bloß noch für eingefleischte Fans.