Liz Magic Laser über politische Therapie

"Es bringt nichts, wenn wir uns vorgefertigte Meinungen an den Kopf werfen"

Trump, Gelbwesten, Klimawandel: Die Zeiten sind aufgewühlt, Politik wird mit Emotionen gemacht und selbst die als bürokratischer Apparat verschriene EU weckt plötzlich zärtliche Gefühle. Die US-Künstlerin Liz Magic Laser erforscht in einem "Political Therapy Workshop" in der Kunsthalle Baden-Baden den Zusammenhang zwischen Seelen- und Weltlage. Doch ist die weitere Psychologisierung der Politik der richtige Weg?

Liz Magic Laser, wir haben in den letzten Jahren viel Wut in den Bevölkerungen der westlichen Welt gesehen. Baut eine "politische Therapie" nicht all die Energie ab, die man für Revolution oder zumindest Protest  einsetzen könnte?
Es ist natürlich nur ein zusätzliches Angebot für Menschen, denen Aktivismus nicht ausreicht. Grundsätzlich darf man sich fragen, warum man an Therapien teilnehmen sollte. Gerade diese Frage interessiert mich. Die orthodoxe Linke lehnte in den 60er- und 70er-Jahren Therapie, Yoga und andere Methoden ab, die Wut und Frustration abbauen, anstatt für den Wandel und den Klassenkampf fruchtbar zu machen. Heute wissen wir, dass alles vielschichtiger ist, dass die hergebrachten Mittel des Protests wichtig sind, aber nicht ausreichen. Man kann diese Widersprüche zu den Hippies zurückverfolgen, die einen Wandel anstrebten, aber neoliberale Zustände förderten oder schlicht in Eskapismus endeten.

Was genau ist das Ziel einer "politischen Therapie"?
Es ist ein Experiment: Können diese Methoden, die man häufig mit Nabelschau und Selbstoptimierung in Zusammenhang bringt, den politischen Dialog verändern? Eine Debatte, in der Menschen sich nur vorgefertigte Meinungen an den Kopf werfen, bringt uns nicht weiter. Gruppentherapie kann ein introspektiveres und gleichzeitig interaktiveres Format für Gruppenkonversation sein. Die politischen Ansichten in unserer Zeit fallen stark auseinander, das konnte ich in früheren Runden "politischer Therapie" erleben.

Was passiert genau in solchen Sitzungen?
Die Teilnehmer folgen meinen Instruktionen, die auf Konzepten der Urschrei- und Psychodramatherapie aus den 70er-Jahren beruhen. Damals waren solche Therapien sehr beliebt, es wurden Räume mit gepolsterten Wänden gebaut, in denen Plüschtiere lagen, an denen man sich auslassen oder die man umarmen konnte. In Baden-Baden habe ich einen gepolsterten Raum geschaffen, in dem Plüschtiere liegen, die auf Symbolen politischer Parteien basieren. In der Kunsthalle wird eine britische Psychodrama-Therapeutin in der Installation präsent sein, und wenn Besucher interessiert sind, wird sie die in Gesprächen verwickeln und schauen, was dabei herauskommt. Es wird meditative Sitzungen geben, wir werden sehen, ob es eine Resonanz gibt.

Welche Rückmeldungen haben Sie nach früheren Sitzungen bekommen?
Nach der Wahl Donald Trumps fühlten sich viele angesichts der Zunahme rechter Kräfte hilflos. Es gibt eine kindliche Ohnmacht und Frustation, und in dieser Art von Therapie kehrt man zur Kindheit zurück und lässt es raus. Es geht darum, einen neuen Umgang damit zu lernen.    


Was gewinnt man aber, wenn man diese Therapiemethoden im Kunstkontext anwendet?
Ich würde gar nicht von "gewinnen" sprechen in einem aktivistischen Sinn. Es geht hier um ein experimentelles Umfeld, in dem wie schauen, wie man miteinander spricht und mit Kontrollverlust umgeht. Durch den Kunstkontext hat man hier eine größere Freiheit. Natürlich geht eher ein liberales Publikum in Kulturinstitutionen, aber auch hier findet man große Meinungsverschiedenheiten in politischen Dingen.

Emotionalisiert Ihre Arbeit nicht eine politische Debatte weiter, die ohnehin durch Populisten und Protestbewegungen wie den Gelbwesten so stark mit Gefühlen aufgeladen?
Die Linke wie die Rechte sind voller Wut und Empörung, die Politik ist von Gefühlen durchzogen. Sehen Sie sich dieses virale Video an, mit dem die EU zur Wahl des Europaparlaments aufruft: Wie das ungeborene Kind hier benutzt wird als Repräsentant der Zukunft, wie Angst und Gefühle eingesetzt werden.  


Diese Verbindung von Emotionen und Politik ist überall, deshalb müssen wir uns fragen, wie wir damit umgehen. Was genau uns so wütend macht. Hier in New York ist jeder die ganze Zeit auf Trump wütend, es ist schon fast wie ein Wettbewerb. Vielleicht könnte man aber auch sagen, dass er es auch nicht wert ist, es ist ja nicht nur dieser eine Mann, sondern ein größerer Kontext. Vielleicht sollten wir jetzt auch nicht stundenlang über den Mueller-Report beugen, sondern uns hinsetzten und vernünftige Pläne schmieden. Ist es nicht wie im persönlichen Erleben, in dem man auch immer einen Schuldigen sucht, anstatt sich auf die Zukunft zu konzentrieren? Solche Fragen stellen wir mit unserem Workshop.

Ihre Aneignungen psychotherapeutischer Methoden erscheinen auch immer leicht ironisch. Wieviel Parodie ist dabei?
Humor ist wichtig, weil er die Skepsis von Leuten aufweichen kann, sodass sie dann auch tatsächlich etwas Neues ausprobieren. In anderen meinen Arbeiten, die sich um New-Age-Elemente in der Unternehmenskultur drehen, ist das parodistische Moment ausgeprägter. Es ist ein so interessiert Widerspruch: wie subkulturelle, anti-kapitalistische Ideen aus Hippie-Kommunen sich fortpflanzen bis ins Silicon Valley, um dort für effizientere Mitarbeiter zu sorgen.