Loewe Craft Prize in Paris

Gut gemacht

Das Modehaus Loewe will sich mit seiner Stiftung und dem Loewe Craft Prize auch für hervorragendes Handwerk einsetzen. In Paris wurden nun die besten Entwürfe aus Tausenden von Einsendungen gekürt und sind in einer Ausstellung im Palais de Tokyo zu sehen

Loewe, das ist nicht nur diese Modefirma mit dem elegant und fröhlich geschwungenen Logo, dessen Korbtaschen alle haben möchten. Das ist auch ein Betrieb, der dafür bekannt sein möchte, das seine Taschen aus Raffiabast oder Kalbsleder in höchster Handwerkskunst gefertigt wurden. "Das Handwerk ist die Essenz von Loewe", sagt der Kreavitdirektor Jonathan Anderson. "Darin liegt unsere Modernität, und sie wird immer relevant sein."

Vom Deutschen Heinrich Loewe Rössberg 1846 in Madrid gegründet, gehört das Label heute, wie so viele andere auch, zum französischen Konzern LVHM. Doch Anderson hat es seit seiner Ernennung 2013 geschafft – zum Beispiel mit auf Absätze gesteckten Tennisbällen –, die Marke sehr cool zu machen.

Seit 2016 verleiht das Luxushaus einen Designpreis, beziehungsweise dessen Loewe Foundation, die 1988 von Enrique Loewe, Mitglied der vierten Generation der Gründerfamilie als private Kulturstiftung gegründet wurde. Und zwar nicht für Handtaschen, Higheels oder gute Sakko-Schnitte, sondern es geht der spanischen Mode-Firma darum, besonders starkes Kunsthandwerk auszuzeichnen. In Vergessenheit geratene Techniken zeigen, Jahrhunderte altes Wissen sichern, sowas. Und auch in diesem Jahr möchte der Preis Menschen auszeichnen, die "grundlegend wichtige Beiträge zur Entwicklung des zeitgenössischen Handwerks geleistet" haben.

30 Finalisten aus fast 4000 Einsendungen

Dafür wurden im Februar diesen Jahres 30 Finalisten ausgewählt. Und zwar aus mehr als sagenhaften 3900 Einsendungen aus 124 Ländern und Regionen. Dabei waren Arbeiten aus Keramik, Holz, Textilien, Leder, Glas, Metall aber auch Lack. In der Jury saßen in diesem Jahr neben dem Loewe-Kreativchef Anderson zum Beispiel die spanische Designerin und Architektin Patricia Urquiola, der Architekt und Pritzker-Preisträger Wang Shu oder Abraham Thomas, als Kurator zuständig für moderne Architektur, Design und Dekorative Kunst am Metropolitan Museum of Art in New York.

Das Palais de Tokyo in Paris zeigt gerade die 30 für die Short List ausgewählten Arbeiten in einer Ausstellung. Zu sehen sind dort Wandteppiche, Schalen, Fliesentische, irre Gebilde, Lederflechtereien und vieles, von dem man erstmal keine Ahnung hat, wie es wohl hergestellt worden sein könnte. Man entdeckt organische Formen, Stapeleien, verdrehte Formen von Materie, die auch deswegen ausgewählt wurden, weil sie die Möglichkeit von Material ausreizen.

Der Gewinner wurde von der Schauspielerin Aubrey Plaza in Paris verkündet, die in der zweiten Staffel der Modewelt-Lieblingserie "White Lotus" mitspielte. Ausgezeichnet wurde eine menschengroße Keramikskulptur von Andrés Anza.

Wenn Keramik im Digitalzeitalter ankommt

"I only know what I have seen" heißt die Arbeit des 1991 in Mexiko Geborenen und sieht aus wie eine Mischung aus Kaktus, Durian-Frucht und freundlichem KI-Comic-Geist. Ihre Oberfläche besteht aus tausenden filigranen Keramikstacheln, die wiederum auf einzelnen Schläuchen zu sitzen scheinen. Unmöglich sieht sie aus. Im Sinne von: Wie ist dieses Gebilde möglich? Von der Jury heißt es, dass sich dieses Werk über die Zeit und den kulturellen Kontext hinwegsetze, "indem es auf antike, archäologische Formen zurückgreift, aber auch eine postdigitale Ästhetik nachzeichnet, bei der die Keramik die wichtigsten Einflüsse unserer Zeit aufnimmt."

Desweiteren wurden drei lobende Erwähnungen ausgesprochen. Einmal für Miki Asai, die 1988 in Japan geboren wurde und für ihr Werk "Still Life" mit Papier, Holz, Eierschalen, Pigmenten und Kashu, also Pflaumenwein arbeitete. Gefertigt wurden drei skulpturale Ringe, auf denen jeweils ein Miniaturgefäß thront. Und mit Miniatur ist wirklich mini gemeint. Sie passen in ein Puppenhaus. Die Jury hob Asais "teleskopische Formensprache sowie ihre Beherrschung der Lack- und Eierschalentechnik" hervor, die in der Größe wirklich beeindruckend ist.

Auch emmanuel boos, 1969 in Frankreich geboren und mit Absicht klein geschrieben, wurde erwähnt. Sein Tisch "Comme un lego’", der wie ein Fliesenmöbel aussieht, nach dessen glänzendem Finish man sich wirklich die Finger leckt, ist aus 98 hohlen Porzellanziegeln gefertigt. "Hinter seiner spielerischen Konstruktion verbirgt sich eine Welt versteckter Zerbrechlichkeit, und seine beweglichen Ziegelsteine brechen sanft die Erwartungen an utilitaristische Objekte", sagt die Jury - und man bekommt eine Idee, was das bedeuten könnte, wenn man den Couchtisch sieht, auf den man natürlich niemals etwas stellen, setzen oder legen würde.

Wie das Nest einer Schwalbe

Ein weiteres Objekt, dessen Nutzen nicht sofort ersichtlich ist, das man aber ebenso sofort anfassen möchte, ist die Skulptur "16" von Heechan Kim. Der 1982 in Korea geborene Künstler (oder Designer?) hat in einer traditionellen Bootsbautechnik ein großes Gefäß aus Holz und Kupferdraht geschaffen, das laut Jury "eine neue Sprache der zeitgenössischen Geometrie und des architektonischen Designs" zeigt. Auch hier wird nicht gleich deutlich, wie es wohl gefertigt wurde, aber das es lange dauert, das sieht man allen Objekten an. Wie bei Schwalben, die wochenlang ihre Nester aus Lehm und Pflanzenteilen zusammenkleben.

Viele Objekte wirken so, als hätten sie sich von der Natur inspirieren lassen oder als seien sie vielleicht auch die Natur. Wer nicht nach Paris fahren kann, um all die Entwürfe zu bestaunen, findet auf der Loewe-eigenen Plattform theroom.loewe.com alle Designs, die jemals für den Preis nominiert waren.