Medienschau

"Als wäre eine künstliche Intelligenz am Werk gewesen, nicht die deprimierende Wirklichkeit"

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Ist das Aus von Thilo Mischke bei "TTT" ein überfälliger Schritt oder ein Zeichen für marode Debattenkultur? Und steht mit dem brennenden Tesla vor dem Trump Tower das Bild des Jahres schon fest? Das ist unsere Medienschau am Montag
 

Debatte

Dass Thilo Mischke nach heftiger Kritik doch nicht Moderator der ARD-Kultursendung "TTT" wird, findet Eva Thöne im "Spiegel" richtig – der "konfuse Umgang mit der Personalie" zeige aber auch, dass es um die Gleichberechtigung noch immer schlechter stehe als oft behauptet. Sowohl die ARD als auch Mischkes Verteidigerinnen und Verteidiger hätten sich darauf berufen, dass der Journalist sich für sein Buch "In 80 Frauen um die Welt" und weitere misogyne Äußerungen entschuldigt habe. Tatsächlich aber "hatte sich Mischke sogar nur mal für den Titel seines Buchs entschuldigt, aber für den Inhalt höchstens, na ja, halbgar. Der Glaube an diese Entschuldigung und ihre Kraft aber hielt bei der ARD sogar noch an, als die Belege für weitere misogyne Aussagen schon auf dem Tisch lagen", so Thöne. "Das entlarvt, wie schlecht es trotz Feminismus-Hype der vergangenen Jahre auch heute noch tatsächlich um die Gleichberechtigung steht. Genauer: Wie man sich durch den Glauben an hohle Rituale einreden kann, es sei doch jetzt alles supi – und dann so weitermacht wie bisher, also zum Beispiel ungeeignete Typen weiter in gut bezahlte und prestigereiche Jobs bringt. Er hat sich ja entschuldigt!"

Auch die "Zeit" kommentiert den Fall. Man habe Mischke wirklich für eine Fehlbesetzung als Moderator halten können, schreibt Laura Hertreiter, man könne ihn aber auch als eine besonders interessante Entscheidung der ARD sehen. "Was man allerdings nicht machen kann: einen Rückzieher, wie ihn die ARD nun hingelegt hat." Denn die "heftige Diskussion" habe "nichts zutage befördert, was für die Verantwortlichen bei der ARD nicht zu jedem Zeitpunkt verfügbar war. Das Gesamtpaket Thilo Mischke, es war immer ein öffentliches. Die Verantwortlichen bei der ARD haben ihn erst auf nicht nachvollziehbare Weise besetzt und nun ohne einen Hauch von Selbstkritik und Bereitschaft, Verantwortung für die eigene Entscheidung zu übernehmen, fallen gelassen." 

Die "FAZ" sieht die Sache etwas anders. "Die Kulturchefs der ARD zogen also die Reißleine, um eine Debatte zu beenden, die von Beginn an keine war. Auf Für und Wider war die Kritik an Mischke nicht angelegt, sondern darauf, ihn abzusägen", schreibt Michael Hanfeld. Dabei habe sich Mischke "in einem Podcast im März 2021 von seinem Buch und seinen Äußerungen distanziert und eine Neuauflage verhindert", stünden auf seiner "Habenseite" zudem auch journalistische Reportagen, "mit denen er sich Anerkennung verdient hat." So offenbare der Fall einen besorgniserregenden Zustand der Debattenkultur in der Medien- und Kulturbranche.

 

Schon vor der Eröffnung der Venedig-Biennale im vergangenen Frühjahr gab es wegen des Gaza-Krieges Boykottaufrufe gegen den israelischen Pavillon. Schließlich entschieden die Künstlerin Ruth Patir und die Kuratorinnen Mira Lapidot und Tamar Margali selbst, die Ausstellung "(M)otherland" nicht zu öffnen, bevor es nicht einen Waffenstillstand und ein Abkommen zur Rückkehr der Geiseln zwischen der israelischen Regierung und der Hamas gebe. Bekanntlich kam dies nicht zustande, und der Pavillon blieb geschlossen. Nun wird Patirs Videoinstallation aber doch noch zu sehen sein, wie Hili Perlson in der "Taz" schreibt, nämlich ab März in Tel Aviv und später im Jewish Museum in New York. Perlson stellt die Arbeit vor und konstatiert, dass es tragisch sei, dass ein "besonders feministisches Werk" bisher nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. "'(M)otherland' reflektiert das Frausein und die Belastungen des weiblichen Körpers, auch durch geschickt eingewobenen Details, auf eine Weise, mit der sich viele Be­trach­te­r:in­nen identifizieren können. Und obwohl Ruth Patir beängstigende Themen frontal anspricht, tut sie dies ohne Pathos – schließlich spielt sich das Drama des Lebens in den Kleinigkeiten des Alltags ab. Die Geschichte von '(M)otherland' ist zutiefst persönlich und verweist doch auf das Universelle. Gut, dass sie in diesem Jahr jetzt doch öffentlich gezeigt werden kann."


Kunstjahr 2025

Die Plattform "Artnet" hat zum Anfang des Jahres wieder das Kunstwelt-Orakel angeworfen und prophezeit, welche Künstlerinnen und Kuratoren 2025 wichtig werden. Darunter ist auch die deutsch-brasilianische Malerin Janaina Tschäpe, deren Werke bereits in großen Museumssammlungen wie der des New Yorker Guggenheim und des Centre Pompidou in Paris zu finden sind. "Gladys Lin, eine zwischen Taipeh und New York ansässige Kunstberaterin, beschreibt Tschäpes Gemälde als 'lyrische Abstraktionen', die 'reich an Kontext sind und Portale zu uralten Landschaften öffnen'. Sie stellte auch fest, dass Tschäpes Werke zunehmend die Aufmerksamkeit von Sammlern außerhalb Amerikas auf sich ziehen." Bei den Kuratoren wird unter anderem Jessica Vaughan herausgehoben, die sich mit Kunstprojekten in der Londoner U-Bahn einen Namen gemacht hat.

 

Interview

Für Monopol hat die Publizistin und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal kürzlich einen Essay über wütende Mädchen nach dem "Brat Summer" geschrieben. Wer die Autorin noch besser kennenlernen will, kann ihr über eine Stunde im Interview bei den "Zwischentönen" im Deutschlandfunk zuhören. Mit Moderator Joachim Scholl spricht sie über Feminismus, Rassismus und ihre beiden Romane "Identitti" und "Antichristie". 


Bildkultur

Schon zu diesem frühen Zeitpunkt im Januar hat Arno Frank im "Spiegel" ein potenzielles Bild des Jahres identifiziert: Den explodierten, brennenden Tesla vor dem Trump Tower in Las Vegas. Für den Autor ist diese Konstellation trotz seiner brutalen Implikationen (ein US-Elitesoldat hatte sich in dem Fahrzeug vermutlich erschossen, dann zündete ein selbstgebauter Sprengsatz) ein fast künstlerischer Bote des Unheils: "Das Fahrzeug als Symbol für Elon Musk, die Immobilie als Symbol für den künftigen Präsidenten. Und das Feuer, die Gewalt, als Kommentar zur autoritären Amour fou zwischen dem reichsten Oligarchen und dem mächtigsten Politiker des Landes. Als visuelle Metapher ist das fast schon zu perfekt. Als wäre eine künstliche Intelligenz (oder ein intelligenter Künstler) am Werk gewesen, nicht die deprimierende Wirklichkeit. Was das Tableau nur noch dystopischer macht."