Medienschau

"Çağla Ilk greift nach den Sternen"

artikelbild_monopol-medienschau

Kunst-Patriarch Guy Wildenstein in Steuerprozess für schuldig befunden, die Kuratorinnen Çağla Ilk und Jenny Schlenzka im Porträt und der Pritzkerpreis als Auszeichnung für Männer: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Porträt

Carmela Thiele stellt im "Tagesspiegel" die Kuratorin Çağla Ilk vor, die den deutschen Pavillon der Kunstbiennale Venedig in diesem Jahr verantwortet. "Mit Çağla Ilk kommt jemand ins Spiel, der eigentlich nicht kompatibel ist mit den Strukturen staatlicher Kulturinstitutionen. Eine kunsthistorische Perspektive sucht man vergeblich bei ihr. Eher überraschend wurde sie 2020 gemeinsam mit Misal Adnan Yildiz als Doppel für den Direktorenposten der Kunsthalle Baden-Baden berufen. Çağla Ilk greift nach den Sternen. Vielleicht ist es das, was anderen fehlt: der Wunsch etwas zu schaffen, das so noch nicht dagewesen ist, etwas nur an diesem Ort, zu dieser Zeit Relevantes, aber dennoch universal und zeitlos."

Timo Feldhaus schreibt in der "Berliner Zeitung" über Jenny Schlenzka, die nun als neue Direktorin des Gropius Bau ihr Programm startet, und die Charakterisierung klingt ganz ähnlich wie oben bei Çağla Ilk: "Sie steht für zeitgenössische Kunst, die tradierte Formen hinter sich lässt, mit Hang zum Interdisziplinären, Sinnlichen, Genre-sprengenden und Offenen, hin zu Tanz, Theater, Happening und Kollektiverfahrung. All die Dinge also, die etwas anders sind, als 'nur' eine teure Malerei an der Wand. Das passt gut zu Berlin und in unsere Zeit, der das Experimentelle und Spielerische verloren geht."

Kunstmarkt

Der Kunsthändler Guy Wildenstein ist von einem Pariser Gericht im Prozess um Vorwürfe der Steuerhinterziehung für schuldig gesprochen worden, berichtet die "New York Times": Wildenstein sei "zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, von der die Hälfte zur Bewährung ausgesetzt wird und die andere Hälfte unter Hausarrest mit einer elektronischen Fußfessel zu verbüßen ist. Das Gericht verurteilte ihn außerdem zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von einer Million Euro, erklärte, dass über 3,4 Mio. EUR seines Vermögens beschlagnahmt würden, und ordnete an, dass er alle Steuernachzahlungen an die französische Regierung zu leisten habe." Der 78-jährige Franzose und US-Bürger, der an der Spitze einer einflussreichen Kunsthändlerdynastie steht, war 2017 gemeinsam mit Mitangeklagten in einem aufsehenerregenden Prozess freigesprochen worden. Das Pariser Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung 2018. Die Staatsanwaltschaft, die mehrere Jahre Haft gefordert hatte, ging damals gegen diese Entscheidung in Berufung. Den Angeklagten wurde unter anderem vorgeworfen, nach dem Tod von Guy Wildensteins Vater im Jahr 2001 hohe Vermögenswerte verheimlicht zu haben. Das Vermögen sei mit sogenannten Trusts verschleiert worden. Trusts sind eine besondere Art der Treuhand-Vermögensverwaltung. 

Architektur

Der Pritzker-Architekturpreis geht dieses Jahr an den Japaner Riken Yamamoto. Wieder ein Mann, stellt Ulrike Knoefel resigniert im "Spiegel" fest: "Bis 2023 war das Verhältnis beim Pritzker auf jeden Fall dieses: 46 Männer, sechs Frauen. Nun steht es 47 zu sechs. Der Preis ist einer für Männer, Frauen kommen als Ausnahme vor. Viele Architekturfans wird das nicht überraschen, sie halten es für normal. Und der Preis bestätigt ihre Vorurteile." Ein Vorurteil lautet, es gebe einfach keine weibliche Konkurrenz. "Das stimmte nie, heute weniger denn je. Schon früh galt es als fragwürdig, dass 1991 zwar Robert Venturi, nicht aber seine Frau und berufliche Partnerin Denise Scott Brown berücksichtigt wurde. Über Venturi sagte Jay Pritzker während des Festaktes, dieser Mann sei eines der originellsten Talente in der Architektur. Originell war Scott Brown ebenso, aber vergebens bat sie später um eine rückwirkende Mit-Anerkennung. Heute ist sie 92 Jahre alt und wartet womöglich immer noch darauf, dass die Pritzkers in der Gegenwart ankommen."

Restitution

25 Jahre nachdem 44 Länder die bahnbrechende "Washingtoner Erklärung" zur Rückgabe von NS-Raubkunst unterzeichnet haben, hat eine kleinere Gruppe von Nationen unter Führung der Vereinigten Staaten ein Abkommen unterzeichnet, das diese Richtlinien stärken soll. "Zu den Klarstellungen, die als Teil der best practices vorgeschlagen werden, gehört auch eine Anleitung dazu, was ein so genannter Verkauf unter Zwang ist"m schreibt Catherine Hickley in der "New York Times". "Juden in Nazi-Deutschland und den besetzten Ländern wurden manchmal gezwungen, ihre Kunst zu verkaufen, oft mit einem Preisnachlass, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, nachdem sie von ihren Berufen ausgeschlossen worden waren, oder um vor ihrer Flucht Strafsteuern zu zahlen. In den Washingtoner Grundsätzen wird nicht ausdrücklich darauf eingegangen, wie mit solchen Forderungen umzugehen ist."

Das besondere Kunstwerk

Die Skulptur "Venus in Lumpen" des italienischen Künstlers Michelangelo Pistoletto ist vergangenen Sommer bei einem Feuer in Neapel zerstört worden. Nun steht das von einem Obdachlosen in Brand gesetzte Werk wieder, berichtet die Nachrichtenagentur APA (via "Der Standard"). Die Kunstinstallation zeigt die römische Göttin Venus, die auf einen großen Haufen bunter Kleiderlumpen blickt. Laut Pistoletto soll die Schönheit der Venus der Hässlichkeit und Brutalität des "zerlumpten Lebens" gegenübergestellt werden. Es gibt mehrere Versionen der Skulptur. Die großformatige Version in Neapel wurde erst wenige Wochen vor dem Brand auf der zentralen Piazza Municipio aufgestellt. Der 90-jährige Pistoletto gilt als bekanntester Vertreter der italienischen Arte Povera, der "armen Kunst". Sein Anliegen ist, Kunst, Gesellschaft und Alltag zu verbinden. Pistoletto nahm mehrmals an der Documenta in Kassel teil. Die Biennale in Venedig zeichnete ihn 2003 mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk aus.