Medienschau

"Vorurteile kann man nicht verbieten"

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Hans Eichel als "Retter der Kunstfreiheit", Hintergründe zum Rücktritt der Städelschul-Rektorin und eine episch verlaberte Review der Hip-Hop-Ausstellung in der Schirn: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Antisemitismus-Debatte

"Ich will auch keine antisemitische Kunst sehen", beteuert Documenta-Unterstützer Hans Eichel im Gespräch mit Hanno Rauterberg in der "Zeit". Deswegen möchte der SPD-Politiker aber keine Bilder abhängen, keine Künstler bevormunden und auch keinen "Code of Conduct" für Kulturinstitutionen, wie er gerade diskutiert wird. "'Vorurteile kann man nicht verbieten.' Nur durch Aufklärung lasse sich Antisemitismus zurückdrängen, durch mühsame, schmerzliche Gespräche. Also alles zeigen, egal wie schlimm? Nein, nein, sagt Eichel. 'Kunstfreiheit heißt ja nicht, du kannst beliebig Leute beleidigen.' Doch um die Grenzen zu wahren, brauche es keine Codes, wirklich nicht. Schließlich gibt es Gesetze." Rauterberg nennt den einstigen Bundesfinanzminister deshalb auch etwas überschwänglich einen "Retter der Kunstfreiheit".

Es ist offenbar noch längst nicht alles gesagt zum vermeintlichen Berlinale-Eklat. In der "Welt" hat nun der Germanist Magnus Klaue einen Schuldigen gefunden: die "kultursensiblen Funktionärskaste". Sie verantworte eine Politisierung des Betriebs: "Die woke Kulturbürokratie, die eher einer Groß-WG als einer funktionierenden Verwaltung ähnelt und statt auszuübender Amtspflichten nur freiwillige Selbstverpflichtungen kennt, weiß nichts mehr von der Eigengesetzlichkeit der politischen, ästhetischen und moralischen Sphäre, verwechselt sie ständig miteinander und hält, sobald es ihr moralisch opportun erscheint, Unkunst für Kunst und Demagogie für Politik." Also, liebe Museumsdirektorinnen und Künstler, kümmert euch um euren eigenen Kram und löst zum Beispiel endlich das Sockelproblem!

Personalie

Stefan Trinks hat in der "FAZ" mutmaßliche Hintergründe zum Rücktritt der Rektorin der Frankfurter Städelschule und Direktorin des Portikus, Yasmil Raymond: "Aus der Schule wird aber auch ein Machtkonflikt kolportiert, Raymund als Verantwortliche für die Hochschule habe eine Gaza-Solidaritätsbekundung der Studenten im Namen der Städelschule nicht mittragen wollen. Die Solidaritätsadresse sei angeblich gefördert worden von männlichen Professoren der Schule, von denen Raymond sich als Frau seit Längerem nicht respektiert fühle und deren propalästinensische Haltung sie nicht teile. Schon im Januar hatte sie als Portikus-Direktorin Ärger, da die iranische Regisseurin Maryam Tafakory ihre Filme wegen der proisraelischen Haltung der Deutschen dort nicht zeigen wollte und der Portikus deshalb zeitweise schließen musste."

Museen

Falls die Belegschaft im Potsdamer Barberini und Minsk einmal kollektiv und solidarisch für Arbeitnehmerrechte streiten wollen, müssen sie mit Widerstand rechnen: Museumsgründer Hasso Plattner ist "kein großer Fan von Betriebsräten", schreibt "Correctiv". Das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut jedenfalls "betrieb in den vergangenen Monaten viel Aufwand, um einen Betriebsrat zu verhindern. Sie bezahlte unter anderem eine Anwaltskanzlei. Diese half ihr, einen Pseudo-Betriebsrat zu installieren – um eine echte Mitarbeitervertretung als überflüssig erscheinen zu lassen."

Ausstellung

Ausstellungsrezensionen werden wenig gelesen, Google Analytics kann man da leider nicht täuschen. Aber lieber Gott, lass bitte nicht solche Texte wie der von Antonia Baum in der Printausgabe der "Zeit" über "The Culture" in der Frankfurter Schirn die Zukunft der Kritik sein! In der Besprechnung (?) sind die Ausstellung und ihre Exponate nur zweitranging. "Hier riecht es plötzlich gut (Papier, frische Farbe, Parfüm), hier sind wenige Menschen, die gemächlich an den makellosen unifarbenen Wänden vorbeigehen, vor denen Vitrinen stehen, in denen für die Geschichte des Hip-Hop bedeutsame Kleidungsstücke gezeigt werden und von HipHop inspirierte Kunstwerke." Oder gehört das alles zum "Spannungsfeld"? "Nach der VIP-Begehung gibt es Reden und eine Party. Das Foyer ist voll, die älteren Frankfurter Herrschaften mit ihren Schals haben sich schon Plätze gesichert, Sabrina Setlur ist auch da. Inzwischen ist das Publikum gemischter, jünger. Eine Frau im Tweedjackett zeigt auf den Hinterkopf eines schwarzen Mannes, der seine Haare zu Cornrows geflochten trägt. 'Mensch, schau mal, wie akkurat!', sagt sie zu ihrer Begleitung. Wenig später hört sie den Frankfurter Bürgermeister Mike Josef (vor 41 Jahren in Syrien geboren, mit Rap aufgewachsen) über Frankfurt als Hip-HopStadt sprechen. Und noch später, als der uralte Rapper Torch auflegt, wird getanzt. Es wird getanzt in einem Spannungsfeld, das am Hauptbahnhof beginnt und inzwischen bis zur Schirn reicht, es reicht von der Tweed-Frau mit ihrem Safari-Kommentar bis hin zu Kendrick Lamar und von da wieder zurück zu Chanel, für die Lamar übrigens arbeitet." Ah, ok.

Fotografie

Der weltberühmte Boxer Muhammad Ali, die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek oder der Krimi-Schriftsteller Jussi Adler-Olsen haben etwas gemeinsam: Sie alle wurden von der Künstlerin Isolde Ohlbaum fotografiert. Seit den 1970er-Jahren ist die Münchnerin mit der Kamera unterwegs, um Menschen zu porträtieren. Die Bayerische Staatsbibliothek hat nun 21.000 zwischen 1975 und 2022 entstandende Bilder der Fotografin online gestellt. Bis Ende 2025 erwirbt die Staatsbibliothek das gesamte fotografische Werk Ohlbaums mit Schwarzweiß-Negativen, Farbdias, Abzügen und Bilddateien. Hinzu kommen ausgewählte Korrespondenzen mit bedeutenden Personen des kulturellen und literarischen Lebens.