Medienschau

"Ich möchte frei sein und große Fragen stellen können"

artikelbild_monopol-medienschau

Ein Ideenaufruf zur künstlerischen Umgestaltung des Berliner Humboldt Forums, Urs Fischer in Las Vegas und Pamela Rosenkranz im Interview: Das ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

In Berlin haben die Soziologin Teresa Koloma Beck, Kultursenator Joe Chialo und die Journalisten Deniz Yücel und Jens Balzer über Antisemitismus im Kulturbetrieb diskutiert. Nur saßen die falschen Leute auf dem Podium, findet Johannes Schneider in der "Zeit": "Weder war eine Jüdin vertreten, wie neben Beck später auch die Verlegerin Myriam Halberstam am Zeltmikro feststellte: "Wenn man hier über Rassismus sprechen würde, würde man kein ganz weißes Publikum auf dem Podium haben." Noch gab es irgendeinen tieferen Einblick, was die Sicherheit Israels als sogenannte deutsche Staatsräson bereits jetzt für den Kulturbetrieb bedeutet. Das konnte weder Beck als Soziologin liefern, noch wollte es ein anderer Podiumsteilnehmer beitragen – lediglich Yücel gab einen Hinweis mit der Bemerkung, die israelfeindliche Initiative Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) spiele in Deutschland 'zum Glück keine Rolle'. In internationalen Zusammenhängen tut sie das aber sehr wohl. Und seit der Deutsche Bundestag im Jahr 2020 BDS als antisemitisch verurteilt hat und verschärft seit dem Terror vom 7. Oktober 2023, stellt das vor allem Kulturvermittlerinnen vor Probleme, die Auswärtiges nach Deutschland holen. Dass sie Programme schon längst nicht mehr nur mit einem freien Blick auf Exzellenz bauen und stattdessen mit der Durchforstung von teils jahrealten BDS-Unterschriftenlisten auf der ganzen Welt Skandalvermeidung betreiben müssen: Das ist ein Verdacht, den zuletzt immer wieder internationale Stimmen erhoben. Man müsste ihn durch konkrete Gegenrede an konkreten Beispielen ausräumen. Auf dem Bebelplatz ist das nicht passiert. "

"Jetzt drehen die Schlosskritiker wirklich durch", titelt die "Welt" polemisch wie ihr Schwesterblatt "Bild". Es geht um die Anhänger der "Initiative Schlossaneignung", einen Ideenaufruf zur künstlerischen Umgestaltung des Berliner Humboldt Forums. Man will die "komplexe Geschichte des Ortes im 19. und 20. Jahrhundert" sichtbar machen: "Imperialismus und Unterdrückung der Minderheiten, die Revolution von 1918, die Zeit der Weimarer Republik, des Zweiten Weltkriegs, der Deutschen Teilung und der DDR, aber auch der friedlichen Wiedervereinigung und der kulturellen Aneignung des Palastes der Republik." Philipp Oswalt, Jürgen Zimmerer, Kristin Feireiss, Max Czollek, Philipp Ruch und andere "verzweifelte" Initiatoren würden damit "nach Heilung ihrer im Dauerprotest geschlagenen Wunden schreien", psychologisiert "Welt"-Autor Marcus Woeller. Die Vorschläge zur Wiederaneignung seien "eine bizarre Mischung aus Anprangerung und Geschichtsklitterung", ein "Fake-Bombing". Aber auch das Humboldt Forum und sein Direktor kommen nicht gut weg: "Es ist kein Schloss, hat Hartmut Dorgerloh gesagt. Und damit wird er recht behalten. Leider weiß man auch von seinem Haus nicht genau, was es ist oder was aus ihm mal werden könnte. Das Humboldt Forum im Berliner Schloss könnte wenigstens versuchen, die Diskussionshoheit dort zu übernehmen."

Ausstellung

Was, Andy Warhol war schwul? Ein bisschen wirkt der Fokus auf die Homosexualität des Künstlers in der Ausstellung "Andy Warhol. Velvet Rage and Beauty" in der Berliner Neuen Nationalgalerie wie eine Selbstverständlichkeit, die doch schon immer dem Werk des Pop-Papstes und seiner Rezeption eingeschrieben ist. Aber nein, findet Nicola Kuhn im "Tagesspiegel": "Bisher wurden explizite Darstellungen, obwohl sie sein gesamtes Schaffen begleiteten, schamhaft ausgespart – sogar am gleichen Ort, noch 2001, in der großen Retrospektive von Heiner Bastian. Mag sein, dass es einer Wiedergutmachung gleichkommt, wenn die Nationalgalerie jetzt über 300 Werke zeigt, in denen Warhols Besessenheit des männlichen Körpers zum Ausdruck kommt. Vielleicht ist es auch einfach nur an der Zeit, ähnlich wie in Venedig, wo der Brasilianer Adriano Pedrosa als seine Besonderheit geltend macht, der erste offen queere Kurator der Biennale-Hauptausstellung zu sein." Stefan Trinks stellt in der "FAZ" klar, dass "die Gretchenfrage, ob sich durch das Wissen um die sexuelle Orientierung etwas an der Wahrnehmung der Kunst ändert" sehr unterschiedlich beantwortet wird. "Die Kuratoren der Ausstellung, Nationalgalerie-Direktor Klaus Biesenbach und Lisa Botti, bejahen sie naturgemäß aus vollem Herzen. Sie gehen so weit, nicht nur Warhols obsessive Suche nach Schönheit in all den Liz-Taylor- und Marilyn-Monroe-Madonnenkolonnen, sondern auch seine Passion für elektrische Hinrichtungsstühle und schrecklichste Unfälle in der 'Death and Disaster'-Serie auf anhaltende Sublimation zurückzuführen."

Kunstmarkt

Für den Kunstmarkt soll kommendes Jahr der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben statt neun Prozent gelten. "Ein schönes Geschenk der vielgescholtenen Koalition und der oft kritisierten Kulturstaatsministerin an die mit schwierigen wirtschaftlichen Zeiten konfrontierten Kunstverkäufer", nennt das Ursular Scheer in der "FAZ". "Mögen Agrarverbände, Baugewerbe oder öffentlicher Dienst maulen, der Kunsthandel hat ein Monitum weniger vorzubringen."

Sabine Spindler und Susanne Schreiber fassen im "Handelsblatt" die spektakulären Ergebnisse der Jubiläumsauktion von Ketterer Kunst in München zusammen, wo zwei expressionistische Gemälde am Freitagabend Millionenerlöse eingebracht haben: "Wie der Versteigerer dem Handelsblatt unmittelbar nach der Auktion mitteilte, wurde die erwartete Schätzsumme des Evening Sales in Höhe von 26 Millionen Euro weit übertroffen. Damit stellt Ketterer Kunst seine Marktführerschaft auch im Jubiläumsjahr unter Beweis."

Interview

Im "NZZ"-Interview mit Benedict Neff spricht die Schweizer Künstlerin Pamela Rosenkranz, die für die Zeitung Seiten gestaltet hat. Darin geht es auch um politische Kunst: "Es ist ein politischer Entscheid, Künstlerin zu werden. Aber mit der Kunst selbst möchte ich keine Politik betreiben. Ich möchte frei sein und grosse Fragen stellen können. Nicht sagen, wie der Mensch sein soll, sondern fragen, was das Menschliche eigentlich ist."

Das besondere Kunstwerk

Der Schweizer Künstler Urs Fischer hat im Fontainebleau Las Vegas eine 14 Meter hohe, mit Blattgold verzierte Skulptur aufgestellt: ursprünglich eine Lehmfigur, eingescannt und mit Hilfe eines 3-D-Druckers Schicht für Schicht in ein vergrößertes Modell aus Gips und Bindemittel verwandelt. Davon hat Fischer einen Abguss genommen und kann schließlich die Formen, die im Kleinen entstanden sind, als große Skulptur präsentieren. Der Clou: Auf ihnen sind noch die nun riesenhaften Fingerabdrücke zu erkennen sein. Was nach roher Kraft aussieht, ist doch Ergebnis eines komplexen Prozesses. Anlass für die "New York Times" den Schweizer Künstler in einem langen Porträt vorzustellen und sich zu fragen, ob Gegenwartskunst in dem Unterhaltungsmekka in der Wüste Platz hat. "Tatsächlich ist sie die größte Stadt der USA ohne ein großes Museum, trotz einer Reihe von Fehlstarts und der langjährigen Fürsprache des Kunstkritikers und Akademikers Dave Hickey, der fast zwei Jahrzehnte lang in der Stadt lebte. Ende letzten Jahres kündigte die Stadt eine Vereinbarung für eine neue Einrichtung an, die zum Teil von Elaine Wynn, der Geschäftsfrau und ehemaligen Ehefrau von Steve Wynn, und dem Los Angeles County Museum of Art, das von Michael Govan geleitet wird, unterstützt wird. Seine unwahrscheinliche Zuneigung zu Las Vegas rührt daher, dass er jahrzehntelang häufig nach Las Vegas kam, um Michael Heizers 'City' zu besichtigen, das gigantische Land-Art-Werk, für das sich Govan unermüdlich einsetzt, vier Stunden nördlich von Las Vegas. Im Rahmen der Vereinbarung würde das LACMA wichtige Werke für ein geplantes, 70.000 bis 90.000 Quadratmeter großes Museum in der Nähe des Zentrums für darstellende Künste in der Innenstadt zur Verfügung stellen, das sich eher an Einwohner als an Touristen richtet. Es soll innerhalb eines Jahrzehnts realisiert werden, sagt Govan, aber 'Schulkinder in Las Vegas sollten wirklich keine Exkursionen zum Strip machen'."