Medienschau

"Redefreiheit wird reklamiert, um anderen den Mund zu verbieten"

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Kopfüber-Foto Melonis kostet Museumsdirektor Job, weitere Reaktionen auf die Störaktion im Hamburger Bahnhof und Museumsdirektorin Florence Thurmes warnt vor einem Rechts-Label für Ostdeutschland: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Debatte

Die Störaktion im Hamburger Bahnhof in Berlin, die am Wochenende eine Hannah-Arendt-Lesung zum Ziel hatte, beherrscht weiter die Feuilletons. Marcus Woeller hat in der "Welt" kein Verständnis für den Abbruch der 100-Stunden-Performance durch die kubanische Künstlerin Tania Bruguera: "Als Kunstfigur wurde sie zudem regelrecht dekonstruiert von ein paar Aggressoren. Das gelang ihnen eher unfreiwillig, weil sie offenkundig nicht Teil jenes Kunstbetriebs sind, der Bruguera in den vergangenen Jahren wie eine Heilige, wie einen Guru verehrt hat. Statt sich nach dem Abgang der Protestierenden wieder auf ihr Werk zu konzentrieren und mit Hannah Arendt darüber nachzudenken, ob die noch ungelesenen Seiten ihres Buches noch Lösungsmöglichkeiten für die polarisierte Gegenwartsgesellschaft bereithält, cancelte sich Bruguera lieber selbst." Der Autor findet es zudem "beschämend" von der Künstlerin, sich auf Instagram "nach dieser Eskalation dennoch auf die Seite der 'Aktivisten' zu stellen."

Der Hamburger Historiker Volker Weiß schreibt in einem Gastbeitrag in der "SZ", in dieser "Intervention" zeige sich der ganze Widerspruch der BDS-Bewegung: "Redefreiheit wird reklamiert, um anderen den Mund zu verbieten. Seit Jahren setzt sich die BDS-Kampagne aggressiv für einen vollständigen und globalen Boykott israelischer Produkte, Institutionen und Akteure ein. Sobald ihre Forderung nach pauschalem Ausschluss jedoch auf Gegenrede stößt, beklagen ihre Protagonisten lautstark, 'gesilenced' zu werden. Organisationen wie die Hamas spielen in ihrer Argumentation nie eine Rolle. Im Rahmen der Arendt-Lesung wirkte der autoritäre Propagandastil gespenstisch. Die Vehemenz, mit der die Direktorin eines jüdischen Museums als das personifizierte Böse angeprangert wurde, offenbarte den antisemitischen Kern des Ganzen, das Label 'Zionistin' war Anklage, Beweisführung und Urteil in einem."

Derweil wollen mehrere Frankfurter Kulturinstitutionen eine Lesung organisieren, um ihre Unterstützung für Mirjam Wenzel zu zeigen, berichtet die "FAZ" in ihrem Lokalteil. Die Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt war eingeladen, in der Lesung aus "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" von Hannah Arendt auch eine Passage zu lesen - die dann durch die Demonstranten gestört wurde. "Wenzel wurde von ihnen als 'Zionistin' und 'Rassistin' beschimpft. Die Aktivisten warfen der Museumsdirektorin vor, sie unterstütze durch ihre Solidarität mit Israel einen 'Genozid in Gaza'"

Die neue Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz, Florence Thurmes, warnt vor einem Rechts-Label für Ostdeutschland: Der Rechtsruck sei überall in Europa sichtbar, sagte die 42-Jährige der "Berliner Zeitung". Man beobachte beispielsweise sorgenvoll, dass unter weniger demokratischen Regierungen Museumsdirektoren entlassen würden. Ähnliches sagte die gebürtige Luxemburgerin im Monopol-Interview im Dezember: "Auch Dortmund hat eine große Neonazi-Szene. Da gibt es auch immer wieder rassistisch motivierte Vorfälle. Und trotzdem schaut man stärker auf den Osten, wenn so etwas passiert. Insofern ist es umso wichtiger, mit dem Kulturhauptstadtjahr 2025 ein gutes, positives Gegenbild von Chemnitz und der Region zu schaffen." Überhaupt spitze sich in der Gesellschaft aktuell vieles zu, heißt es nun in der "Berliner Zeitung", auch in der Kulturszene und gerade im Zusammenhang mit dem Krieg in Israel und Gaza. Das hat ihrzufolge auch Auswirkungen auf die kulturelle Arbeit.

Museen

Ein Kopfüber-Foto von Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat einen Museumsdirektor im Süden des Landes den Posten gekostet. Der Leiter des Museums der 32 000-Einwohner-Stadt Ostuni, Luca Dell'Atti, erklärte am Mittwoch seinen Rücktritt. Grund dafür war die Veröffentlichung eines Fotos, das die Vorsitzende der Rechtsaußen-Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) mit dem Kopf nach unten zeigte. In Italien wurde dies allgemein als Bezug auf die Hinrichtung des faschistischen Diktators Benito Mussolini verstanden, dessen Leiche nach der Erschießung 1945 von Partisanen mit dem Kopf nach unten aufgehängt und öffentlich zur Schau gestellt wurde. Dell'Atti stand deshalb heftig in der Kritik, wie etwa die Nachrichtenagentur Ansa meldet. Der bisherige Museumsdirektor, der auch als Professor an einer Universität unterrichtet, begründete seinen Rücktritt damit, dass er "in unerträglicher Weise an den Medienpranger gestellt" worden sei. Das Foto hatte er in der Nacht zum Montag auf seinem Instagram-Konto veröffentlicht. Inzwischen ist es verschwunden. Die Aktion wurde über die Parteigrenzen hinweg kritisiert. Auch die Stadtverwaltung von Ostuni ging zu dem 31-Jährigen auf Distanz. In den italienischen Medien war von einem "Schock-Foto" die Rede. Italien wird seit Oktober 2022 von einer Koalition aus drei Rechtsparteien regiert. Melonis Fratelli d'Italia haben ihre Wurzeln in der postfaschistischen Bewegung. Der faschistische Diktator Mussolini (1883-1945) war in Italien in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mehr als 20 Jahre an der Macht. Das Land war damals einer der engsten Verbündeten von Nazi-Deutschland unter Hitler. Nach Mussolinis Sturz 1943 erklärte Italien Nazi-Deutschland den Krieg. Das Land wurde von deutschen Truppen besetzt, gegen die Partisanen Widerstand leisteten. Die Deutschen rächten sich mit brutalen Vergeltungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung. In diesen Monaten wird an vielen Orten an die Geschehnisse vor 80 Jahren erinnert.

Mitglieder des Erschießungskommandos und Schaulustige umringen am 28. April 1945 in Giulino di Mezzegra bei Como die Leichen von Benito Mussolini und weiterer Faschisten. Der Ex-Diktator wurde auf der Flucht in die Schweiz am 27. April 1945 von Partisanen gefangengenommen und am Tag darauf hingerichtet
Foto: dpa

Mitglieder des Erschießungskommandos und Schaulustige umringen am 28. April 1945 in Giulino di Mezzegra bei Como die Leichen von Benito Mussolini und weiterer Faschisten. Der Ex-Diktator wurde auf der Flucht in die Schweiz am 27. April 1945 von Partisanen gefangengenommen und am Tag darauf hingerichtet

Das besondere Kunstwerk

Ist Elsa von Freytag-Loringhovenals die eigentliche Erfinderin des berühmten Pissoir-Readymades "Fountain" von Marcel Durchamp? Natürlich nicht, ereiferte sich Kulturmanager und Publizist Thomas Girst kürzlich in seinem Gastkommentar in Monopol. Die Diskussion geht aber weiter: Jetzt berichtet Philipp Meier in der "NZZ" von einem neuem Kunstwerk zum Thema: "Für Elsa von Freytag-Loringhoven interessiert sich jetzt auch die niederländische Künstlerin und Regisseurin von Dokumentarfilmen Barbara Visser. In ihrer zurzeit im Kunsthaus Zürich gezeigten Filminstallation 'Alreadymade' begibt sie sich auf Spurensuche nach der vermeintlichen 'Fountain'-Schöpferin. Was Fakt ist und was Fiktion an der rätselhaften Geschichte um das berühmte Pissoir und seine Protagonisten Marcel Duchamp und Elsa von Freytag-Loringhoven, bleibt natürlich auch in Vissers facettenreichem Film-Krimi offen."

Film

Die Dreharbeiten zu dem Biopic "Michael" über Popstar Michael Jackson sind kürzlich angelaufen. Nun hat das Studio Lionsgate das erste Foto von dem Dreh veröffentlicht. Auch US-Regisseur Antoine Fuqua postete das Bild auf Instagram. Es zeigt den Hauptdarsteller Jaafar Jackson (27), Sohn von Musiker Jermaine Jackson, im schwarz-weißen Outfit mit Mikrofon auf einer Bühne. Er ist der Neffe des 2009 gestorbenen "King of Pop". Das Foto am Drehset sei von dem renommierten Fotografen Kevin Mazur aufgenommen worden, der damals, kurz vor Jacksons Tod, den Sänger bei dessen letzten Konzertproben fotografiert hatte.


Sie hätten ein unglaubliches Team für Kostüme, Kamera, Make-up oder Choreografie, darunter einige Leute, die einst mit Michael Jackson gearbeitet hätten, teilte Fuqua  laut "Variety" mit. Am wichtigsten aber sei Jaafars Verkörperung des Sängers. "Das geht weit über die körperliche Ähnlichkeit hinaus. Michaels Geist scheint auf magische Weise durch." Man müsse das erleben, um es zu glauben, sagte Fuqua. US-Schauspieler Colman Domingo ist in der Rolle des umstrittenen Familienpatriarchen Joe Jackson an Bord, Nia Long spielt Mutter Katherine Jackson.  Der britische Star-Produzent Graham King und die Familie des Sängers machen bei dem Projekt mit. Der Kinostart ist für April 2025 geplant.