Medienschau

"Kunst als Rettungsstrategie gegen die Trivialität"

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Wie die Kunstszene auf die politische Krise in der Türkei reagiert, das "Großdesaster" Überseequartier in Hamburg und Kunstsammlerin Elaine Wynn gestorben: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Debatte

Für das Istanbuler Kulturmagazin "Art Dog" beleuchtet die Kuratorin Beral Madra die Entwicklung der zeitgenössischen Kunstszene in der Türkei. Trotz geopolitischer Krisen und schwächelnder Infrastruktur erlebe das Land derzeit eine Phase "außergewöhnlich intensiver und wirkungsvoller" künstlerischer Produktion. Diese entwickle sich laut Madra "inmitten des ideologischen, politischen und wirtschaftlichen Niedergangs" als Form des Widerstands. Besonders hebt sie die Vielfalt der Ausdrucksformen vor – von neo-surrealistischen Gemälden bis zu dokumentarischen Videoarbeiten –, die durch "Wissen, Bewusstsein, Wissenschaft und Erinnerung" geprägt seien. Trotz subtiler Zensurmechanismen der Politik und wirtschaftlicher Interessen habe sich zeitgenössische Kunst in den letzten 50 Jahren zu einem kritischen Instrument entwickelt, das tief ins gesellschaftliche Unbewusste wirke: "Es ist nicht mehr möglich, diese Tatsache zu leugnen." Gleichzeitig warnt Madra vor einer falsch verstandenen Wirkmacht der Massen: "Das Verständnis der Feinheiten eines Kunstwerks erfordert gemeinsame Bildung." Dennoch sieht sie eine steigende Wirksamkeit der metaphorisch-kritischen Kunstformen, etwa in aktuellen Protesten mit "ungewöhnlich humorvollen Bannern". Dabei funktioniere Kunst als "Rettungsstrategie gegen die Trivialität staatlicher und privater Investitionen". Madra zitiert Jacques Rancière: "Art is going elsewhere. Politics has to catch it" und zeigt damit auf, wie Kunst soziale Räume für Ethik, Freiheit und Widerstand öffnet. Auch wenn sie betont: "Das konservative Lager beginnt, sich mit der Gegenwartskunst auseinanderzusetzen", bleibt die Kunst ein Ort der Konfrontation mit Postwahrheit und Neokapitalismus.

Der US-Präsident hat seinen Klassenfeind gefunden: Franklin Foer untersucht im "Atlantic" die zunehmende Feindseligkeit der Trump-Administration gegenüber der "professionellen Managerklasse" (PMC), einer Gruppe hochgebildeter Wissensarbeiter wie Anwälten, Universitätsprofessoren und Journalisten. Foer argumentiert, dass Trump nicht nur gegen ideologische Gegner kämpfe, sondern eine umfassende soziale Revolution anstrebe, die die Macht dieser Klasse zerstören soll. Trump ziele darauf ab, die Autorität und den Einfluss von Berufen zu zerschlagen, die die kognitive Elite repräsentieren. Die PMC werde in Trumps Rhetorik als eine "hegemoniale Kaste" dargestellt, die ihre Macht über die Gesellschaft ausweitet. Foer vergleicht diese Politik mit marxistischen Theorien, die auf bürokratische Eliten abzielen, und beschreibt, dass Trump "eine marxistische Theorie der Macht" gegen diese Elite ausführt, jedoch statt gegen Milliardäre gegen die gebildete Mittelschicht vorgeht. Das führe zu einer systematischen Schwächung ihrer Institutionen. "Die Lektion der Kulturrevolution ist, dass die Säuberung des PMC bestenfalls zu einer wirtschaftlichen Stagnation führt", bilanziert Foer. "In der Zeit nach dem Maoismus blühte das soziale Misstrauen; Anti-Intellektualismus führte zu historischer Amnesie und konformistischem Denken. Selbst wenn die Vereinigten Staaten dies vermeidet, zeigen die weltweiten wirtschaftlichen Turbulenzen, die auf Trumps Zollankündigungen folgten, die Gefahren der Verbannung und Stigmatisierung von Fachwissen. Dies ist die dunkle Realität des Trump-Projekts - eine Vision, die weitaus umfassender und daher weitaus zersetzender ist als der bloße Rachedurst eines autokratischen Präsidenten."

Nachruf

Die Hotel-Milliardärin und Kunstsammlerin Elaine Wynn ist im Alter von 82 Jahren verstorben, meldet "ArtNews". Die "Königin von Las Vegas" prägte die Stadt mit ikonischen Hotels wie Mirage, Bellagio und Wynn. Ihre Kunstsammlung zählte Werke von Manet, Mitchell und Freud; 2013 erwarb sie Bacons "Three Studies of Lucian Freud" für 142,4 Millionen Dollar. Als langjährige Co-Vorsitzende des Los Angeles County Museum of Art spendete sie 50 Millionen Dollar für den Neubau und engagierte sich auch für das geplante Kunstmuseum in Las Vegas. Neben der Kunst widmete sie sich Bildungsinitiativen, etwa als Vorsitzende des UNLV-Fundraising-Gremiums und durch ihre Arbeit mit "Communities in Schools" "Sie wollte ein Erbe hinterlassen, das über ihren Namen auf einem Hotel hinausgeht", so "ArtNews"-Autor Maximiliano Durón. Nach ihrem Bruch mit Ex-Mann Steve Wynn wurde sie 2018 größte Anteilseignerin von Wynn Resorts und kämpfte für Reformen. Ihr Ziel: "Die Integrität dieses außergewöhnlichen Unternehmens wiederherstellen." 

Museen

Larissa Förster ist seit Januar 2025 Direktorin des Museums Weltkulturen in Frankfurt am Main. Sie will die koloniale Vergangenheit der Sammlung kritisch aufarbeiten, wie sie im "FR"-Interview sagt: "Wir brauchen noch sehr viel Forschung, sehr viel Bewusstwerdung und öffentliche Diskussion." Besonders wichtig sei ihr die Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften: "Das Gute an diesem Weg ist, dass er uns verbindet." Die Sammlung zeitgenössischer Kunst aus dem globalen Süden soll weiter wachsen. Mit der geplanten Dependance im Bankenviertel verdoppelt sich die Ausstellungsfläche – eine Herausforderung, die zusätzliches Personal erfordere. Förster betont, dass echte Gleichberechtigung im internationalen Austausch schwer zu erreichen ist: "Das absolute Gleichgewicht wird nie möglich sein." Dennoch möchte sie Austausch und Teilhabe stärken, Veranstaltungen ausbauen und die Häuser am Schaumainkai sichtbarer als Einheit präsentieren. Auch Barrierefreiheit stehe auf ihrer Agenda.

Architektur

Hanno Rauterberg kritisiert in der "Zeit" das neu eröffnete Überseequartier in Hamburg. Trotz jahrzehntelanger Planung sei dort ein "architektonisches Großdesaster" entstanden, das durch gestalterische Beliebigkeit und autogerechte Konzepte auffalle. Der Eingang des Quartiers wirke wie ein "Riesenschlund", der nicht einlade, sondern "gleich verschlucken" wolle. Selbst renommierte Architekturbüros konnten laut Rauterberg der "ökonomischen Maximierung" keine ansprechende Form geben. Die sogenannten Arkaden bezeichnet er als besonders misslungen: Sie erweckten "den Eindruck, dass Hamburg nun mit Venedig und seinem Dogenpalast konkurrieren wolle", seien aber schlecht umgesetzt. Rauterberg bemängelt das Fehlen einer städtebaulichen Idee: "Hier bleibt sich alles fremd." Insgesamt falle das Überseequartier "auf billige Weise teuer" aus. Sein Fazit ist bissig-resigniert: "So wie Bottrop oder Hagen auf ihre Weise attraktiv sind, wird auch das neue Quartier sein Publikum finden. Mehr aber auch nicht."

Der Vatikan hat Antoni Gaudí, den Architekten der Sagrada Família in Barcelona, offiziell auf den Weg zur Heiligsprechung gebracht. Papst Franziskus erkannte als ersten Schritt Gaudís "heroische Tugenden" an, meldet "The Guardian". Gaudí, bekannt als "Gottes Architekt", verband tiefe Frömmigkeit mit religiöser Symbolik in seinen Bauwerken. Seit über 30 Jahren fordern Anhänger seine Heiligsprechung, da seine Werke Menschen zum katholischen Glauben bekehrt hätten. Die Kirche prüft die Bitte seit den 2000er-Jahren. Mit dem Bau der Sagrada Família wurde 1882 begonnen – bis heute ist er nicht abgeschlossen.