Medienschau

"Ich wundere mich oft, warum wir nicht alle wahnsinnig werden"

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Welches NRW-Museum ist dieses Jahr vorn, wie weiter mit der Documenta und was denkt Lars Eidinger über den Tod? Das ist unsere Presseschau am Montag

 

Debatte

Wie geht es weiter mit der Documenta nach dem Rücktritt der Findungskommission? 3sat-"Kulturzeit" hat Stimmen gesammelt, unter anderen von Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr. Die "FR", die "SZ" und "Der Tagesspiegel" berichten vom Symposium "Die Documenta als Zäsur", das am Wochenende in Kassel unter der Organisation des Documenta-Instituts stattfand. Dieses war allerdings schon lange vor dem Anschlag der Hamas am 7. Oktober und dem militärischen Gegenschlag Israels im Gaza-Streifen geplant. 


Hart mit der Documenta ins Gericht geht Anna Staroselski vom Verein Werteinitiative jüdische-deutsche Positionen im Deutschlandfunk. Die Ausgabe im vergangenen Sommer sei eine "Zäsur" gewesen, weil sie gezeigt habe, in was für einem sicheren Umfeld Antisemitismus im Kunstbetrieb stattfinden könnne. Im Gespräch mit Moderator Michael Köhler attestiert sie auch der gesamten Kulturbranche, "seit Jahren" ein Problem mit Antisemitismus zu haben. Staroselski berichtet von 170 antisemitischen Vorfällen im Kunst- und Kulturbetrieb, die der Recherche- und Informationsstelle im vergangenen Jahr gemeldet worden seien. In einem Positionspapier der Werteinitiative heißt es, so trügen Kunst- und Kultur mittelbar zur Legitimierung antisemitischen Gedankenguts in der Gesellschaft bei. Von der Politik fordert Anna Staroselski, keine Projekte mehr zu fördern, die das Existenz Israels in Abrede stellen und gezielt in antisemitismuskritische Kulturprojekte zu investieren. 

 

Kritikerumfrage

Eine Ausstellung zu dem in Deutschland wenig bekannten Avantgarde-Maler Chaim Soutine in der Kunstsammlung NRW (K20) ist dieses Jahr Spitzenreiter bei Kunstkritikerinnen und -kritikern in Nordrhein-Westfalen. Die Schau erhielt in der jährlichen NRW-Museumsumfrage der "Welt am Sonntag" in der Rubrik "Beste Ausstellung" die meisten Nennungen. Der jüdisch-belarussische Maler Soutine (1893–1943) blieb zeitlebens ein Außenseiter im Pariser Kunstbetrieb. In Deutschland gab es seit Jahrzehnten keine Präsentation seiner Werke mehr. Auch zwei weitere Präsentationen in der Kunstsammlung zu Isaac Julien und Etel Adnan wurden gelobt. Die Ausstellungen zu Chaim Soutine und Isaac Julien sind noch bis zum 14. Januar zu sehen. Insgesamt wurden acht Kunstkritikerinnen und Kunstkritiker zu Tops und Flops im NRW-Kunstbetrieb befragt. Hoch in der Kritikergunst steht derzeit auch das Museum Kunstpalast in Düsseldorf, das am Dienstag eine spektakuläre Neupräsentation seiner umfangreichen Sammlung eröffnet. Das Museum wird gelobt etwa für die Ausstellung "Mehr Licht", die der Monopol-Gründer und Schriftsteller Florian Illies kuratiert hatte. Beifall gibt es auch für "die tolle Abfolge" der neuen Sammlungspräsentation und Direktor Felix Krämer, der den Spagat schaffe, "ein weites Publikum anzuziehen, ohne die Qualität herunterzuschrauben". Allerdings bekommt Krämer auch zwei "Zitronen des Jahres": für seinen Umgang mit dem Fotoarchiv der rheinischen Kunstszene (AFORK) und für eine Ausstellung zu Refik Anadol, der mit künstlicher Intelligenz monumentale Datenbilder schafft. Gleich drei "Zitronen" vergaben die Kritiker wieder einmal für die Vorgänge rund um das geplante Deutsche Fotoinstitut. Kritisiert werden "teure Gutachten, schleierhafte Entscheidungen, vage Pläne" sowie die "Verschwendung von Steuergeldern", die dem bisher noch nicht real existierenden Fotoinstitut bereits einen Eintrag im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler bescherten. Den Streit um den Standort des künftigen Fotoinstituts hatte Düsseldorf für sich entschieden, Essen hatte das Nachsehen. Als "Museen im Aufwind" sehen die Kritiker etwa die Kunsthalle Bielefeld, das Museum Morsbroich in Leverkusen, das Skulpturenmuseum Marl und das Osthaus-Museum in Hagen.


Interview

Dass die Performance-Künstlerin Marina Abramović demnächst vom Männermode-Magazin "GQ Germany" ausgezeichnet wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Schließlich hat sie sich in ihrer Karriere immer wieder gegen den bewertenden männlichen Blick gewehrt. Bei den "GQ Men of the Year"-Awards wird sie nun "Art Icon of the Year", wie die Zeitschrift des Verlags Condé Nast mitteilte. Überreicht werden soll die Auszeichnung im Rahmen einer Gala am 30. November in Berlin - genau am 77. Geburtstag der aus Serbien stammenden Künstlerin. Mit dem Preis werden Männer und Frauen ausgezeichnet, die "inspirieren und Außergewöhnliches leisten". Abramović kommentierte die Auszeichnung im Interview mit "GQ Germany" trocken: "Ein Modemagazin hat mich zur Frau des Jahres gewählt, und Sie kürten mich zum Mann des Jahres, scheinbar kann ich beides sein!". Von Eigenschaften, die auch heute noch vielen als weiblich gelten, hält sie wenig: "Ich mag Amazonen, mutige und starke Frauen. Zerbrechlichkeit und Schwäche als verführerisches Element, um Männern zu gefallen, widerstreben mir."

Lars Eidinger (47) hat nach seinen eigenen Worten ein entspanntes Verhältnis zum Sterben. "Ich habe keine Angst vor dem Tod", sagte der Schauspieler der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Ich finde es eher verblüffend, wie gut der Mensch darin ist, sich mit dem Zustand zu arrangieren, in dem wir uns befinden, mit der völligen Unwissenheit, dem Gefühl, sich selber nicht begreifen zu können, das Universum - und letztlich dieses Leben - eigentlich nicht begreifen zu können. Ich wundere mich oft, warum wir nicht alle wahnsinnig werden." Mit diesem Unerklärbaren könne man aber auch Frieden schließen. "In ihm liegt auch eine Schönheit." Einblicke in seine Art, die Dinge zu sehen, gibt Eidinger in dem Fotoband "O Mensch", für den er nach eigenem Bekunden Alltägliches fotografiert hat. Dazu gibt es Haikus der japanischen Dichterin Yoko Tawada. Die Kultur Japans beeindruckt den Schauspieler schon lange. "Geduld ist eine Tugend in Japan, was ich irgendwie eine schöne Idee finde und so verschieden davon, wie wir sozialisiert sind", erklärte der Berliner in der "FAS". "Das Zuhören wird viel mehr geschätzt als das Sprechen. Jemand, der gut zuhören kann, ist gesellschaftlich viel angesehener als jemand, der toll reden kann. Das sind Gesellschaftsentwürfe, die mir irgendwie einleuchten."

Der für bombastische Filme berühmte Regisseur Ridley Scott arbeitet derzeit an einem Western. "Ich habe bereits ein Skript", verriet der 85-Jährige dem "Spiegel". "Die Geschichte dreht sich um ein Indianermädchen, das sich mit den Masern infiziert. Die waren damals wie die Pest." Zu Details sagte der Brite nichts, wohl aber zu den Gründen für seinen Traum. "Mit 16 wollte ich Cowboy werden. Ich glaube, meine Eltern dachten damals, ich hätte einen Dachschaden." Sportlich wäre Scott damals nach eigener Einschätzung dazu auf jeden Fall in der Lage gewesen. "Ich hatte Reitunterricht bei einem deutschen Lehrer namens Herr Grüner. Ich konnte reiten wie ein Comanche! Als ich elf war, konnte ich im vollen Galopp vom Pferd ab- und aufsteigen." Sein aktueller Kinofilm spielt aber nicht in den USA. "Napoleon" ist ein Historienepos über den berühmten französischen Kaiser, der vor rund 200 Jahren starb und startet am Donnerstag im Kino. Die Faszination für Themen aus der Vergangenheit verdankt Scott nach eigenen Worten einem Lehrer seiner Schule, der ihm die historischen Romane des Autors C. S. Forester empfahl. "Mein Lehrer sagte: Ich weiß, dass du seine Bücher lieben wirst, weil sie eine Menge Sex enthalten. Aber alle historischen Eckdaten und Ereignisse darin seien korrekt beschrieben. Also habe ich mich darauf eingelassen." Von expliziten Liebesszenen als Selbstzweck hält Scott in Filmen allerdings wenig. "Ein Paar, das sich stöhnend im Bett rumwälzt, dieses künstliche Oh! und Ah!... Das finde ich meistens langweilig. Das braucht kein Mensch", sagte der 85-Jährige der "SZ". "Wenn man es macht, muss die Szene mehr zeigen als Sex."