Medienschau

"Prätentiös, öde und überflüssig"

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Ein Verriss des neuen Biopics über Edvard Munch, weitere Standpunkte zu Terrorbildern und eine Zara-Kampagne, die den Bildern des Gaza-Kriegs zu nahe kommt: Das ist unsere Medienschau am Dienstag
 

Debatte

Hat der deutsche Kulturbetrieb ein Antisemitismus-Problem? Vielleicht – aber vielleicht liegt es woanders, als es in den auf das Hamas-Massaker vom 7. Oktober folgenden Debatten oftmals vermutet wurde. "Dass Tausende Kunstwerke, die in der Zeit des nationalsozialistischen Deutschlands jüdischen Bürgerinnen und Bürgern geraubt wurden, bis heute immer noch nicht restituiert wurden – das ist eine Schande" – so sagte es Kulturstaatsministerin Claudia Roth in vergangenen Woche und kündigte eine Reform bei der Rückgabe von NS-Raubkunst an. Klaus Hillenbrand greift die Debatte in der "Taz" auf und diskutiert Roths geplante Reformschritte ebenso wie ein von den Ländern ins Gespräch gebrachte "Restitutionsgesetz". Ohne ein solches Gesetz "ist die Durchsetzung der Ansprüche von Verfolgten des Nationalsozialismus bei minder bekannter Kunst nahezu unmöglich", so Hillenbrand. "Kulturstaatsministerin Roth bemüht sich derzeit im Gespräch mit weiteren Ministerien der Ampelregierung um eine Neuregelung bei der Verjährung, ein Auskunftsrecht und eine zentrale Gerichtsinstanz. Das wäre immerhin ein kleiner Schritt."


Soll man sich die Aufnahmen vom Massaker der Hamas am 7. Oktober ansehen oder nicht? Im Interview mit Monopol hat Kunsthistoriker Horst Bredekamp gerade ein Bilderverbot auf Social Media gefordert. Diese Frage diskutiert nun auch Jakob Hessing in der "FAZ" aus persönlicher wie aus politischer Sicht. Die israelische Regierung mache die Gewaltbilder nicht der allgemeinen Öffentlichkeit des Landes zugänglich und begründe dies damit, die Angehörigen schützen zu wollen – ein nachvollziehbarer Grund, so Hessing, auch wenn zugleich Machtkalkül dahinter stehe. "Daneben gibt es aber auch einen subjektiven Grund, weshalb ich diesen Bildern eines Massakers auszuweichen suche. Ich will nicht nur die betroffenen Familien schützen, sondern auch mich selbst. Ohne sie gesehen zu haben, weiß ich ja bis ins erschreckende Detail, was sie beinhalten. Die Weigerung, der Barbarei ins Auge zu sehen, werfe jedoch Fragen von größerer Reichweite auf: "Ist es nicht so, dass auch ungesehene Bilder eine verheerende Wirkung auf die Seele haben können, weil man von ihrem schrecklichen Inhalt weiß? Weil sie als Folge einer Verdrängung vielleicht noch gefährlicher sind als die schrecklichsten Bilder, die man zwar gesehen, damit aber auch 'hinter sich' hat? Gäbe es also zwei Formen des Selbstschutzes: die Weigerung, sich dieses Grauen anzutun, die ich gewählt habe, und umgekehrt den Zwang, gerade deshalb hinzuschauen, um der latenten Drohung vorzubeugen, die von nicht gesehenen Bildern ausgeht?"
 

Film

Johanna Adorjan lässt in der "Süddeutschen Zeitung" einen schönen rant auf filmische Künstlerbiografien im Allgemeinen und das jetzt anlaufende Edvard-Munch-Biopic im Besonderen ab. "Diesmal hat man sich des armen Edvard Munchs angenommen, obwohl der in 30.000 erhaltenen Werken wirklich alles Menschenmögliche dafür getan hat, selbst Zeugnis abzulegen von dem, was er erlebt, gesehen, vor allem aber gefühlt hat." Man müsse dem 34-jährigen norwegischen Regisseur Henrik Martin Dahlsbakken zugutehalten, dass er ganz offensichtlich etwas Originelles machen wollte und das Leben von Edvard Munch nicht chronologisch nacherzählt. "Aber es ist etwas herausgekommen, das zugleich prätentiös, öde und, offen gestanden, überflüssig ist. Niemand braucht diesen Film der angeblich von Edvard Munch handelt, aber wenn das der Titel nicht verraten würde, käme man nie darauf."


Ausstellung

Monokel, Zigarettenspitze, Bubikopffrisur und kniefreies Kleid – so sah die "Neue Frau" der Weimarer Zeit aus, zumindest in der Imagination (meist männlicher) Künstler. Wie und warum der Typus der modernen Frau wie auch andere Typen entstand, davon erzählt jetzt die Ausstellung "Sieh dir die Menschen an!" im Kunstmuseum Stuttgart, die dem neusachlichen Porträt in der Weimarer Zeit nachspürt. "In zahlreichen Bildnissen konturierten Künstler und Künstlerinnen damals das 'Typische' porträtierter Personen aus Sozial- und Berufsgruppen, die wie die moderne Frau plötzlich im Fokus der Aufmerksamkeit standen", schreibt Ulla Fölsing im "Tagesspiegel" über die Schau mit Werken von u.a. Otto Dix, Conrad Felixmüller, George Grosz, Grethe Jürgens, Alexander Kanoldt, Jeanne Mammen, August Sander, Christian Schad und Rudolf Schlichter. "Zentrales Anliegen der Ausstellung ist die Untersuchung gesellschaftlicher Stereotypen: deren vermeintlich wissenschaftlicher Untermauerung, ihrer künstlerischen und medialen Verbreitung und Wirksamkeit teilweise bis heute."
 

Shitstorm

Nach hinten los ging eine Werbekampagne des spanischen Modeherstellers Zara, die im Netz auf viel Empörung und Boykottaufrufe gegen das Fast-Fashion-Label stieß. "Viele Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien erkannten in einigen Fotos, die auf Instagram und X geteilt wurden, Parallelen zum Krieg im Gazastreifen, der die Weltgesellschaft derzeit aufheizt und spaltet. Als geschmacklos bezeichneten viele die Kampagne", schreibt beispielsweise der "Tagesspiegel".  Auf den Aufnahmen ist das Model Kristen McMenamy unter anderem mit in weiße Tücher gewickelten Puppen zu sehen, einigen Mannequins fehlen Körperteile, was viele User an Aufnahmen von Leichen in Gaza erinnerte. Zara versicherte in einer Reaktion, dass die Kampagne bereits vor dem Terrorangriff der Hamas und dem israelischen Gegenschlag entstanden sei und sich mit Nähpuppen und Statuen auseinandersetze. Trotzdem zog die Marke die Kampagne zurück.