Medienschau

"Geduld statt Gebrüll"

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Kritik an Claudia Roths Politikverständnis, Johann König eröffnet neue Räume und scheitert beim Presserat, und eine Ausstellung will wie eine 90er-Party sein: Das ist unsere Presseschau am Dienstag
 

Debatte

Wegen ihrer Reaktion auf die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Documenta und die Berlinale sowie eines umstrittenen Konzeptpapiers zur deutschen Erinnerungskultur steht Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) nun schon länger in der Kritik. In der "FAZ" attestiert ihr Andreas Kilb, auch bei weniger spektakulären Themen wie der Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und der Filmförderung zu scheitern - was auch an ihrem grundsätzlichen Politikverständnis liege. "Die frühere Parteichefin der Grünen sieht das Amt, das sie vor zweieinhalb Jahren angetreten hat, offenbar nicht als kulturpolitische, sondern als aktivistische Aufgabe an. Sie genießt es, vor Publikum über Kunst und Kultur, Demokratie und Vielfalt zu reden, doch die politische Kärrnerarbeit, die solche Predigten erst plausibel macht, ist ihr fremd. 'Wie ei­ne Löwin' wolle sie für ihre Klientel kämpfen, hat Roth gelegentlich erklärt. Aber Kulturpolitik ist nicht die Serengeti, sondern ein Handwerk. Statt Gebrüll verlangt es Geduld und Verhandlungstalent, damit jene Großprojekte nicht entgleisen, die, einmal in Gang gebracht, nur schwer zu stoppen sind. Claudia Roth indes scheint mehr Freude am Pro­jek­te­schmie­den zu haben als an den Mühseligkeiten der Durchführung."

 

Der Berliner Galerist Johann König ist mit einer Beschwerde zu einem Artikel der "Zeit" beim Presserat gescheitert, in dem über Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn berichtet wurde. Das berichtet der "Spiegel", der nach eigenen Angaben das Gutachten des Gremiums über den Fall einsehen konnte. "Die drei Autorinnen des Textes warfen dem Galeristen vor, Frauen bedrängt und belästigt zu haben. Insgesamt zehn mutmaßlich Betroffene und mehrere Zeugen berichteten von übergriffigem Verhalten, es ging unter anderem um unerwünschte Küsse und Berührungen. König bestritt die Vorwürfe allesamt vehement – und führt seitdem einen Kampf um die Wiederherstellung seines Rufs, auch juristisch. Zuletzt untersagte das Oberlandesgericht Hamburg zwar einige Stellen im Text, erklärte die Berichterstattung der 'Zeit' jedoch grundsätzlich für rechtens. Die Öffentlichkeit habe ein 'berechtigtes Interesse', von den Vorwürfen zu erfahren, hieß es damals. Dieser Argumentation schließt sich nun auch der Beschwerdeausschuss des Presserats an – und zwar in allen von König beanstandeten Punkten."


Kunstmarkt

Mit Johann Königs Expansion nach Süddeutschland beschäftigt sich dagegen das "Handelsblatt". Sabine Spindler schreibt darin über das neue Kulturkraftwerk Bergson am Rande Münchens, in dem König über 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche bespielen will. Auch dieser Artikel geht auf die juristischen Auseinandersetzungen wegen des oben erwähnten "Zeit"-Artikels ein, die aus Sicht von Königs Anwalt keineswegs abgeschlossen sind. Jedoch: "Seine Vorbereitungen für das Bergson tangieren die juristischen Auseinandersetzungen nicht. München stand schon länger auf der Wunschliste des Galeristen. 2019 gab er im Auktionshaus Ketterer mit der Ausstellung 'Szene Berlin' ein München-Gastspiel. 'Der Umsatz lag damals sogar über dem auf der Art Basel', erzählt er dem Handelsblatt. Aus kommerzieller Sicht schätzt er München als eine Stadt mit einer finanziell potenten Sammlerschaft und Kultursinn. München als Wirtschaftsstandort zeigt sich darüber hinaus durch den Zuzug von Firmen wie Google, Apple und US-Tech-Riese Meta stabil. Das Bergson bietet nun Gelegenheit, hier längerfristig zu agieren: 'Wir gehen von einigen Jahren Präsenz aus.' Geplant ist zudem ein Skulpturengarten."


Ranking

"Die 100 wichtigsten Köpfe der Berliner Kultur" will der "Tagesspiegel" vorstellen. Im ersten Teil sind auch einige bekannte Namen aus der bildenden Kunst dabei, zum Beispiel der deutsche Pavillon-Künstler und Theaterregisseur Ersan Mondtag und die neue KW-Leiterin Emma Enderby. Auch der Modedesigner William Fan findet einen Platz: Über ihn heißt es: "Ohne die Modenschauen von William Fan würde der Fashion Week ein wichtiges Element fehlen: Poesie – aber auch Sinn. Denn der Designer sucht sich nicht nur die interessantesten Orte für seine Inszenierungen, wie die Aufwärmhalle des Olympiastadions und den Fernsehturm, er verkauft seine Kollektionen auch überwiegend von Berlin aus an eine treue internationale Kundschaft. Dabei lebt er elegant vor, wie schön sich seine Entwürfe tragen lassen. Die Geschlechterzuordnungen sind bei seinen Kreationen genauso fließend wie die Materialien und Schnitte."


Porträt

Wie "eine Party in den Neunzigern" soll sich die Ausstellungsreihe "The Dark Rooms" anfühlen, die an verschiedenen Orten in Berlin stattfindet - und deren Locations bis zum letzten Moment geheim gehalten werden. Ebenfalls im "Tagesspiegel" stellt Hilmar Schmundt die Macher der Reihe, Clara und Sven Sauer, vor, die auch die beliebten Underground-Events unter dem Titel "Himmel unter Berlin" organisiert haben. Mit ihren spektakelhaften Inszenierungen im Dunkeln bewegen sie sich selbst zwischen Guerilla-Schau und und Pseudo-Exklusivität, wie der Autor schreibt. "Bei der nächsten Ausstellung im April bekommen die Besucher:innen am Eingang eine Yogamatte ausgehändigt, um sich drinnen das Gemüt erschüttern zu lassen. Wie lange wird es dauern, bevor der Himmel unter Berlin endgültig verdämmert, weil auch die letzte Brache zu einem Coworking-Space umbetoniert worden ist? 'Es gibt kaum noch Orte für Subkultur in Berlin', sagt Sven Sauer. 'Uns bleiben vielleicht noch drei Jahre.'"
 

Friedrich-Jahr

Über den "Mehrzweck-Melancholiker" Caspar David Friedrich ist auch im vierten Monat des Jubiläumsjahrs noch nicht alles gesagt. Peter Richter schaut sich in der "Süddeutschen Zeitung" an, welche Schwerpunkte die einzelnen Museen im Umgang mit dem Maler setzen. Als nächstes ist die Alte Nationalgalerie in Berlin dran: "Hier geht es ebenfalls um Entdeckung, aber auch um Wiederentdeckung. Denn in Berlin hatte Friedrich früh seine größten Erfolge, während er in Dresden oft Geldsorgen hatte. In Berlin wurde er als auswärtiges Mitglied in die Akademie gewählt, während er in Dresden über eine kümmerlich honorierte Lehrtätigkeit nicht hinauskam, in Berlin bejubelte Kleist seinen zur Weltliteratur gewordenen Eindruck, auf Friedrichs 'Mönch am Meer' schaue man wie mit weggeschnittenen Augenlidern. Und vor allem wurden dieses und etliche andere Gemälde Friedrichs in Berlin von einem königlichen Hof aufgekauft, wo besonders in Person des Kronprinzen romantische Begeisterung herrschte, während man im Dresdner Schloss auffällig uninteressiert blieb."