Medienschau

"Man könnte es antisemitischen Klimawandel nennen"

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Ist die Kunstwelt verlogen, bringt die deutsche Symbolpolitik gegen Antisemitismus irgendwas, und was lernen wir aus dem 14-stündigen Documenta-Film? Das ist unsere Medienschau am Montag


Debatte

Der Berliner Künstler Leon Kahane wirft dem Kunstbetrieb im Interview mit der "Frankfurter Rundschau" Verlogenheit vor. Er nehme nicht nur ein antisemitisches Klima wahr, sondern auch eine Verklärung und Instrumentalisierung des Kollektiven, die an sozialistische Utopien anknüpfe. Auf die Frage von Lisa Berins, ob die Documenta Fifteen eine Zäsur gewesen sei, sagt Kahane: "Es war eher eine Zuspitzung als ein Wendepunkt. Die historische Erfahrung von Jüdinnen und Juden ist, dass Antisemitismus mit Antisemitismus beantwortet wird. Wenn er irgendwo durchbricht, bedeutet das nicht, dass es danach eine Welle der Empathie gäbe. Man könnte es antisemitischen Klimawandel nennen, jedes Mal kommen noch ein paar Grad hinzu. Schon vor der Documenta habe ich in der 'Süddeutschen Zeitung' beschrieben, was die heutigen Debatten in der Kultur mit den Aufarbeitungskämpfen des sogenannten zweiten Historikerstreits zu tun haben. Bei dem ständigem Ruf nach einem Perspektivwechsel geht es eigentlich gar nicht darum, dass man mehr versteht, sondern darum, dass man verlernt. Dass man verlernt, den Antisemitismus als das zu betrachten, was er ist: eine regressive Kulturtechnik, die alle Konflikte auf den Juden oder das Jüdische zurückführt – und zur Schoah geführt hat."
 

Dass die derzeitige deutsche Symbolpolitik mit Klauseln und Codes of Conduct im Kampf gegen Antisemitismus im Kulturbereich hilfreich ist, bezweifelt Rüdiger Schaper im "Tagesspiegel". "Es wird auf der Leipziger Buchmesse, die nächste Woche beginnt, Beiträge zur internationalen Politik geben, zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Im Mai lädt Cannes zum Filmfestival. Im September gibt es wieder das Internationale Literaturfestival Berlin. All das sind wahrscheinliche Bühnen für Diskussionen und Protest, für Bekundungen von Sympathie und Empathie. Wie auch nicht? Darauf kann man sich vorbereiten – mit Fragen, mit möglichen Antworten, mit Neugier, mit Widerspruch. Nur kann man den internationalen Betrieb nicht wasserdicht machen nach deutschen Maßstäben. Und auch nicht mit blindem Boykott von außen."

 

Film

Gut einen Monat nach der Premiere auf der Berlinale hat sich Stefanie Diekmann für die "FAZ" noch einmal Dimitris Athiridis' 14-Stunden-Epos über die Documenta 14 vorgenommen. Der Film zeige, wie umstritten bereits diese Ausstellung gewesen sei, schreibt die Autorin. Sie konstatiert, dass die Rolle des Filmemachers innerhalb des Teams unklar bleibe, der dokumentarische Ansatz aber trotzdem Erkenntnisse ermögliche: "Was immer die Vereinbarungen waren, die Dimitris Athiridis für sein Filmprojekt getroffen hat: Neben dem Porträt eines Organisations­zusammenhangs ist 'exergue' auch das einer professionellen Kaste, die gerade nach der Documenta von 2017 keine gute Presse hatte und hier im Modus der teilnehmenden Beobachtung ins Bild gesetzt wird. Sie hatten sich sehr viel vor­genommen und noch mehr zugetraut. Die meiste Zeit aber werden sie im Film damit beschäftigt sein, von einem Projekt, das sehr groß gedacht war, zu retten, was noch gerettet werden kann, wenn das Budget überzogen, die Berichterstattung negativ, die entscheidende Kooperation gefährdet und die Stimmung wieder einmal am Kippen ist. Dass all dies gefilmt und, wichtiger noch, verwendet werden konnte, gehört zu den Aspekten, die 'exergue' zu einem großartigen Dokumentarfilm machen." Unseren Text zu "Exergue" finden Sie hier


Der Erfolg des Science-Fiction-Epos "Dune: Part Two" hält an und ist bereits größer als der des ersten Teils. Laut dem Branchenportal "Box Office Mojo" spielte der Film seit Kinostart weltweit bereits 494,7 Millionen US-Dollar (454 Millionen Euro) ein. Der erste bildgewaltige Teil (2021) von Regisseur Denis Villeneuve schaffte demnach weltweit ein Ergebnis von mehr als 400 Millionen Euro. Der zweite Teil von "Dune" kam am 29. Februar in die deutschen Kinos. Der Stoff basiert auf einer Romanreihe von Frank Herbert. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Wüstenplanet Arrakis. Nur dort gibt es eine besondere, wertvolle Substanz - weswegen der Planet von anderen Mächten der Galaxie ausgebeutet und seine Bewohner unterdrückt werden. Villeneuve versammelte für seine Verfilmung viele Stars, darunter Timothée Chalamet, Zendaya, Florence Pugh und Austin Butler.


Das besondere Kunstwerk

In der "Berliner Zeitung" kann Timo Feldhaus den Blick nicht von den Porträts abwenden, die Star-Fotografin Annie Leibovitz als Artist in Residence für Ikea gemacht hat (sehen Sie unsere Bildstrecke dazu hier). Eines davon ist das Bild einer Wahlfamilie in Berlin, das viel über die Stadt und ihre Menschen erzähle - auch, wenn das Projekt vor allem ein PR-Stunt sei. "Mit dem sicherlich exorbitanten Honorar, das sich Leibovitz hat auszahlen lassen, hätte man wohl über einige Jahre viele Künstler an verschiedenen Orten residieren lassen können, die es wahrscheinlich sogar nötiger gehabt hätten. Sind wir hereingefallen auf das kulturelle Whitewashing eines globalen Möbelplayers? Wahrscheinlich ist das so. Die ganze Geschichte hat jedenfalls zu einem Bild geführt, das Berlin so zeigt, wie es gerne wäre – und manchmal eben auch einfach ist."