Medienschau

"Niemand will den Eindruck erwecken, man lasse sich einschüchtern"

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Damien Hirst als Datums-Trickser, die New Yorker Kunstszene als Protestzone und das Berliner Stadtschloss als Festung für den Kulturkampf: Das ist unsere Presseschau am Dienstag


Debatte

Frauke Steffens berichtet in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von propalästinensischen Protesten in der New Yorker Kunstwelt. Dort wolle aber niemand "den Eindruck erwecken, man lasse sich einschüchtern oder mache Entscheidungen von der politischen Lage abhängig", fasst die neue Feuilleton-Korrespondentin der Metropole für die "FAZ" zusammen. Seit Längerem sei die Szene in Auseinandersetzungen um den Krieg in Gaza verwickelt. Als jüngstes Beispiel nennt Steffens die Aktionen gegen eine Schau von Michal Rovner in der Pace Gallery. Propalästinensische Demonstrierende werfen der israelischen Künstlerin "kulturelle Aneignung" vor, weil in ihren Werken Mohnblüten vorkommen – für Palästinenser Symbol der Verbindung ihrer Vorfahren mit ihrem Land. Aus Protest verstreuten etwa 30 Aktivistinnen und Aktivisten künstliche rote Blüten in der Galerie, mit den Namen getöteter Kulturschaffender aus Palästina darauf. "Rovners Ausstellung wurde überdies zum Ziel des Protests, weil sie in einer Video-Installation der Opfer des Hamas-Terrors vom 7. Oktober gedenkt. Die Demonstranten warfen der Galerie und der Künstlerin vor 'Artwashing' des von ihnen  'Genozid' genannten Kriegs zu betreiben: Die Zehntausenden von der israelischen Armee getöteten Palästinenser würden nicht erwähnt".
 

"Israelhass in der Architektenszene" sieht die "Neue Zürcher Zeitung" in der Schweiz am Werk, genauer gesagt: an der renommierten Hochschule ETH Zürich. Als Beleg dafür werden Äußerungen einzelner Dozenten und Mitarbeiter aufgezählt, die sich einmal mehr mit den bekannten Reizwörtern Apartheid, Genozid und Anti-Zionismus hervorgetan haben. Auch die Unterschriften unter einem "Call for immediate action" einer Initiative namens Architects and Planners Against Apartheid werden gezählt. "Mehr als 2000 Personen aus aller Welt haben diesen Aufruf unterschrieben, der in sozialen Netzwerken zu den meistgeteilten offenen Briefen im Bereich Architektur gehört. Auch 27 Personen mit ETH-Affiliation haben den Brief signiert. Das Architekturdepartement der ETH Zürich rangiert damit unter allen wichtigen Bildungsstätten weltweit auf einem Spitzenrang, was Israelhass angeht – gleich hinter der New Yorker Columbia University." Dass diese einzelnen Beispiele jedoch einen "wissenschaftlich verbrämten Antisemitismus" ergeben, wie Autor Stephan Trüby schreibt, ist doch eine reichlich gewagte These. Auch die harte Zuschreibung "Hamas-Freunde" wird in diesem Artikel eher inflationär und ungenau benutzt. 


In der "Süddeutschen Zeitung" kommentiert Jörg Häntzschel die Aufstellung von Propheten-Figuren rings um die Kuppel des Berliner Stadtschlosses. Es sei unverständlich, so der Redakteur, "warum man nicht festgelegt hat, dass der Förderverein seine Arbeit in dem Moment beendet, da die für die Fassade nötigen 105 Millionen beisammen waren". Dass nach diesem Zeitpunkt (Ende 2020) jedoch weitergebaut wird, sieht nicht nur Häntzschel kritisch. Er beruft sich auf den Architekturhistoriker Philipp Oswalt: "Der Skandal, so Oswalt, sind nicht die Spenden selbst, sondern die Tatsache, dass man den Spendern erlaubt, mit ihrem Geld das Schloss nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Für Oswalt geht es dabei längst nicht mehr um Symbolik, es geht um Baumaßnahmen für eine neue Nation." Am Dienstag wurde eine Figur des Propheten Daniel an der Kuppel aufgestellt, bezahlt von Vera Lengsfeld, der früheren DDR-Bürgerrechtlerin, Grünen- und CDU-Bundestagsabgeordneten, die inzwischen rechtsextreme Positionen vertritt. Häntzschel: "Es ist eines von vier Fassadenelementen, für das sie gespendet hat. In einer zweiten Runde sollen später 18 weitere Figuren an der Balustrade des Stadtschlosses hinzukommen." Der Autor ist geneigt, die weitere Ausstattung der Fassade, "wie zuvor schon das Kreuz und den Bibelspruch, als weiteren Versuch [zu] verstehen, das Stadtschloss zur Festung für den Kulturkampf zu ertüchtigen, zum Sendemast christlicher Ideologie - was das Weltverständigungsprogramm des Humboldt-Forums natürlich untergräbt. Die Spender gestalten mit ihrem Geld das Schloss nach ihren Vorstellungen."

 

Kunstmarkt

Hat Damien Hirst bei der Datierung von Werken getrickst? Wie der "Guardian" exklusiv berichtet, sollen drei Formaldehyd-Skulpturen, die laut ihren Titeln aus den 1990er-Jahren stammen, erst 2017 gefertigt und künstlich mit Alterungserscheinungen versehen worden sein. "Die drei Werke, die durch das Konservieren einer Taube, eines Hais und zweier Kälber entstanden sind, wurden in den letzten Jahren in Galerien in Hongkong, New York, München, London und Oxford als Beispiele für Arbeiten aus den 1990er-Jahren, seiner Turner-Preis-gekrönten Zeit, ausgestellt. Alle drei wurden jedoch von Hirsts Mitarbeitern in einer Werkstatt in Dudbridge, Gloucestershire, im Jahr 2017 hergestellt", schreibt Autorin Maeve McClenaghan. Hirsts Firma Science Ltd. kommentierte auf Nachfrage, dass die Datierungen und die Produktionszeit von Werken bei dem Künstler nicht unbedingt übereinstimmen müssten: "Die Formaldehyd-Arbeiten sind konzeptionelle Kunstwerke, und das Datum, das Damien Hirst ihnen zuordnet, ist das Datum der Konzeption des Werks. Auf die Frage, was in der Konzeptkunst wichtig ist, hat er sich im Laufe der Jahre klar geäußert: Es ist nicht die physische Herstellung des Objekts oder die Erneuerung seiner Teile, sondern die Absicht und die Idee hinter dem Kunstwerk."
 

Ausstellung

Der "Tagesspiegel" beißt sich mit wohlwollendem Lächeln die Zähne an Bernhard Martin aus, der seinerseits den Goldzahn blitzen lässt. Der in Berlin lebende Maler ist ein fulminanter Techniker zwischen Abstraktion und Fotorealismus, und absolut furchtlos bei der Wahl seiner Motive und Bildkompositionen. Doch für eine eindeutige Botschaft steht er nicht zur Verfügung. "Ob sich in seinen Bildern die Liebe finden lässt, ist so subjektiv wie die Liebe an sich", konstatiert Hilka Dirks. "Fließender Käse, Völlerei und iPhones hingegen sind klar erkennbar. Auch Hände mit Ringen und Füße mit Schuhen. Die figurativen Fragmente setzen sich zu exzessiven Konstellationen zusammen, ohne Zeit und Raum." Zu sehen sind die neuen, oft großformatigen Werke des Künstlers jetzt in der Galerie Dittrich und Schlechtriem in Berlin-Mitte. "Ich verneine ein vorherrschendes Interpretationsbedürfnis", sagt Bernhard Martin selbst zu seiner Malerei. "Der Mensch neigt bei Abstraktion zu Erklärungsversuchen. Ich experimentiere damit und biete figurative Motive, die abstrakt oder metaphorisch zu lesen sind."