Medienschau

"Wer braucht das Atelier nötiger?"

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Der Berliner Kampf um Ateliers als "Hunger Games", eine Ode an Dresden als Kunststadt und die Künstler, die in Odessa ausharren: Das ist unsere Medienschau am Dienstag


Kunstszene 

Einen Generationenkonflikt sieht der "Tagesspiegel" im Rechtsstreit zwischen Frank Nitsch und der Ateliergemeinschaft Am Flutgraben an der Grenze zwischen Berlin-Kreuzberg und Friedrichshain. Der Maler wurde von seinen Künstlerkollegen per Räumungsklage aus seinem Studio vertrieben, auch ein Protestbrief von teils prominenten Namen änderte daran nichts mehr (wir berichteten). Die Ateliergemeinschaft will vor allem Kollektiven und marginalisierten Personen einen Platz anbieten. Für Birgit Rieger sagt das viel über die Situation in der Berliner Kunstszene aus: Aufgrund fehlenden Atelierraums treten nun ihrer Beobachtung nach Kunstschaffende untereinander in Konkurrenz: "Wer braucht es nötiger, das Atelier, ein in Berlin verwurzelter Maler Ü50, bei dem es längst nicht mehr so gut läuft wie vor 15 Jahren und bei dem es ohne Atelier noch schwieriger wird? Oder eine Ateliergemeinschaft, die für Diversität und Kollektivität sorgen will? Diese Frage stellt sich jenseits des aktuellen Falls auch andernorts in der Kunstszene. Deshalb wäre es so essenziell, hier andere Lösungen als den Anwalt zu finden."


Kunst und Krieg

Die ehemalige ukrainische Touristenmetropole Odessa am Schwarzen Meer wird immer öfter von russischen Bomben getroffen. Wie der "Guardian" berichtet, harren jedoch immer noch viele Künstler dort aus. Charlotte Higgins hat einige von ihnen besucht. "Vasya Dmytryk gehört zu den Künstlern, die sich entschieden haben, in ihrem Atelier zu bleiben, das nur wenige Meter von der Küste entfernt liegt und eine gemütliche Höhle mit Büchern, Werkzeugen und von der Decke hängenden Metallskulpturen ist. Auf seiner Werkbank steht eine Skulptur aus Kupfer und Stahl, die an die Form einer Drohne erinnert. Er plant, sie gegen eine echte Drohne auszutauschen: 'Wir haben als Künstler einen sehr direkten Auftrag', sagte er. 'Geld für die Armee zu sammeln.' 'Ich bin wirklich in Odessa verwurzelt', fügte er hinzu. 'Die Dinge, die ich liebe und die mir wichtig sind, sind hier. Ich habe das Gefühl, dass ich ohne sie nicht leben könnte.' Zu Beginn des russischen Einmarsches habe er aktiv darüber nachgedacht, ob er, falls die Stadt von den Russen besetzt würde, 'bleiben und versuchen würde, die ukrainische Kultur zu schützen, oder ob er gehen und versuchen würde, die Kultur von Odessa in anderen Städten der Ukraine zu präsentieren'. Seine Freundin, die Künstlerin und Kuratorin Valeriia Nasedkina, sagte dazu: 'Wenn alle gehen, was dann? Mit unserer Anwesenheit hier bestehen wir darauf, dass wir noch existieren.'"

 

Museen

Angetan vom neuen Archiv der Avantgarden (ADA) in Dresden ist Hubertus Adam in der "NZZ". Außerdem weist er darauf hin, dass die Stadt als Kunst- und Architekturort oft unterschätzt wird: "Es geht immer wieder vergessen, dass auch Dresden Stadt der Avantgarde war – man denke nur an die Expressionisten der Brücke, das Projekt Hellerau mit dem Schweizer Musikpädagogen Émile Jaques-Dalcroze vor dem Ersten Weltkrieg oder das nach dem Mauerfall lancierte, aber leider unrealisierte Kunsthallenprojekt des jüngst verstorbenen Frank Stella. Und ja, es gibt auch bemerkenswerte zeitgenössische Architektur. Man mag an das Militärhistorische Museum (2011) denken, ein ehemaliges Kasernenareal in der Nordstadt, das durch Daniel Libeskind umgebaut wurde; die szenografische Präsentation stammt massgeblich vom Zürcher Büro Holzer Kobler, das zwei Jahre später auch den Mathematisch-Physikalischen Salon im Zwinger neu gestaltete." Auch in der "Welt" berichtet Roberto Ohrt ausführlich zum neuen Museum. Er sieht in der Sammlung ein Potenzial, das erst noch in Gänze erschlossen werden muss. "Das ADA ist ein noch unerfasster Schatz, in dem die Geschichte der Avantgarden des 20. Jahrhunderts eingelagert ist und Etliches auf seine Entdeckung und Erforschung wartet. Ebenso unausgeschöpft wie in Bezug auf die Vergangenheit verhält es sich im ADA mit der Zukunft; denn das ADA ist nicht als ein abgeschlossenes Archiv gedacht."
 

Personalie

Die "FAZ" stellt den neuen Präsidenten der Berliner Akademie der Künste, den Musiker und Installationskünstler Manos Tsangaris, und seinen Stellvertreter An-Linh Ngo vor. Autor Jan Brachmann fragt sich in diesem Zuge auch, ob die beiden mit den politischen Verwerfungen der Gegenwart fertig werden können. "Der erste Eindruck, den Tsangaris und Ngo, von Haus aus Architekturhistoriker, im neuen Amt vermittelten, war der des Zurücktretens des Kunst-Akteurs hinter dem Administrator. Tsangaris will die 'kollektive Schnappatmung' bei kontroversen Themen überwinden und einen 'Freiraum für gesellschaftliche Debatten' schaffen. Das schließt für ihn offenbar auch bestimmte Formen der Kritik an Israel ein, wo, wie er suggeriert, 'eine Regierung, die zum Teil rechtsradikal ist', Krieg führe. Tsangaris sei 'gegen jede Art von Gewalt'. Ngo weist darauf hin, 'dass wir in dieser aufgeheizten Diskussion eine Vorbildfunktion haben' und dass man 'Freiräume auch anderen zur Verfügung stellen' müsse. Was zur Zeit an den Universitäten ablaufe, mache ihn 'traurig und sprachlos'. Aber kann sich die Akademie der Künste derzeit nicht Sprachlosigkeit gerade am wenigsten leisten?"

 

Kunstgeschichte

Das Madrider Prado-Museum hat ein lang vermisstes Caravaggio-Bild präsentiert, berichtet Patrick Illinger in der "SZ": "Beinahe wäre das Bild in der Versenkung geblieben. Als Teil einer privaten Erbmasse tauchte es im April 2021 im Online-Katalog des Madrider Auktionshauses Ansorena auf – als Werk aus der Schule eines spanischen Mittelklasse-Barockmalers. Den Schätzpreis setzte das Auktionshaus mit 1500 Euro an, kaum mehr als ein Flohmarktschinken. Das Bild war fleckig, der Firnis trübe."

Louise Berger würdigt in der "Taz" Werner Tübke an dessen gestrigem 20. Todestag als Maler, der "zwischen Auftragskunst und Zensur künstlerische Spielräume finden" konnte: "Tübke studierte nicht nur die Kunst der italienischen Renaissance in DDR-Sammlungen – Raffael in Dresden, Ghirlandaio in Ostberlin –, er bereiste auch im Gegensatz zu den meisten DDR-Bürger*innen das Land. Wenngleich er Mitte der 1950er zeitweise in Ungnade gefallen war, durfte er ab 1971 nach Florenz, Mailand oder Rom, wo er Museen aufsuchte, in Galerien ausstellte und Kollegen traf, etwa den 'malenden Metaphysiker' Giorgio de Chirico." Wie diese Reisen sein Malen prägte, zeigt derzeit auch das Museum der bildenden Künste in Leipzig. Wir haben mit dem Ko-Kuratoren Frank Zöllner über die Schau gesprochen.