Restaurierung

Mit Geduld und Spucke

Ein Highlight der Mannheimer Kunsthallen-Sammlung wird derzeit herausgeputzt: Das Ölgemälde "Die Erschießung des Kaisers Maximilian von Mexiko" von Édouard Manet wird grundgereinigt - mit einem recht unerwarteten Hausmittel

Seit über 100 Jahren befindet sich das zweieinhalb auf drei Meter große Historienbild "Die Erschießung des Kaisers Maximilian von Mexiko" von Édouard Manet im Besitz der Kunsthalle. 1910 kaufte der Gründungsdirektor Fritz Wichert mit der finanziellen Unterstützung von neun Mannheimerinnen und Mannheimern das Werk allen Anfeindungen zum Trotz. "Die Erschießung Kaiser Maximilians" stellte zugeich den Auftakt der Ankäufe dar: Von Beginn an verfolgt Wichert mit dem Kauf französischer Kunst ambitionierte Ziele und stößt damit vor allem auf den Unmut aus nationalistischen Kreisen.

Im Zuge der Beschlagnahmung vermeintlich "entarteter" Kunst im Jahr 1937 sind über 500 Gemälde aus der Kunsthalle Mannheim unter in den Fokus nationalsozialistischen Regimes geraten. Glücklicherweise ist das Herzstück der Mannheimer Sammlung der gezielten Zerstörung moderner Kunst entgangen.

Heute, ungefähr 20 Jahre seit der letzten Grundreinigung, lässt Hausrestauratorin Katrin Radermacher Akribie walten, um den historischen Manet in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Eine sensible Feinarbeit, die ein hohes Maß an Fingerfertigkeit und Fachwissen voraussetzt. Vom Ende des 19. Jahrhundert bis in die 1950er-Jahre hinein blieb den empfindlichen Oberflächen wertvoller Malereien nichts erspart: "Furchtbare Dinge hat man den Kunstwerken da angetan", sagt die Leiterin der Mannheimer Restaurierungsabteilung Radermacher im Monopol-Gespräch. Milch, Sand, Ammoniak, Bier, Bimsstein, Essig oder sogar Salzsäure und Terpentin benutzten die Restauratorinnen und Restauratoren der Vergangenheit, um die klassischen Werke wieder in Schuss zu bringen. Radermacher erklärt: "Davon rät man heute natürlich strengstens ab." Im 20. Jahrhundert ging die Experimentierfreude aber weiter, als man verschiedene Tenside - sprich Wasch- und Spülmittel oder auch Duschgele - mit viel zu hoher Konzentration für die Instandhaltung verwendete. Dabei gehört die Verwahrung und materialgerechte Wiederherstellung zu den wichtigsten Verantwortungen musealer Tätigkeiten.

Jetzt wird wieder auf die Wände gespuckt

Auch Katrin Radermacher bedient sich einer für Laien eher unerwarteten Lösung: mit destilliertem Wasser und künstlichem Speichel (!) bearbeitet sie den historischen Manet. Mit künstlichem Speichel? Gab es da nicht in den späten 90er-Jahren einen Mr. Bean Sketch, in dem das Gemälde "Arrangement in Grau und Schwarz No. 1" von James McNeill Whistler eine besondere Speichelbehandlung erfahren hat? Was sich zunächst wie ein Scherz anhört, ist auch laut Radermacher eine "völlig vernünftige und sinnvolle Methode", sofern es das bearbeitete Material zulässt. "Der Speichel ist durchaus geeignet, weil er spezielle Enzyme enthält, die zum Aufbrechen von Oberflächenverschmutzungen dienen", erklärt die Mannheimer Restauratorin weiter.

Zu genau dieser kuriosen und unzeitgemäß anmutenden Methode haben drei portugiesische Wissenschaftler geforscht und im Jahr 2018 dafür den sogenannten "Ig Nobel Prize" für Chemie erhalten - eine Art satirischen Anti-Nobelpreis für (wissenschaftlich seriöse) Forschungsergebnisse, die "erst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregen".

"Frankreich erschießt Maximilian"

Weniger humorvoll ist hingegen die Geschichte des Manet-Gemäldes. Schon zu seiner Entstehung schlägt das Gemälde hohe (politische) Wellen: Beinahe zwei Jahre lang arbeitet Manet daran, verändert immer wieder den Bildaufbau und die Technik. Die Szene zeigt die historische Erschießung des Erzherzogs Maximilian - einem Bruder von Österreichs Kaiser Franz Joseph I. - der auf Betreiben der französischen Monarchie als Kaiser von Mexiko inthronisiert wurde, um dort wiederum aus den Reihen konservativer Kräfte Unterstützer für die napoleonische Krone zu gewinnen. Statt der tatsächlichen mexikanischen Uniformen - die Erschießung Maximilians wurde als Urteil eines Militärtribunals gefällt - trägt das Exekutionskommando französische Uniformen. Ein naher Freund und Unterstützer Manets, der Schriftsteller Émile Zola, fasste die Botschaft dieser künstlerischen Intervention zusammen mit den Worten: "Frankreich erschießt Maximilian."

Den ausgelösten politischen Flächenbrand des 1868/69 entstandenen Werkes hätte man wohl auch gerne mit einer Mischung aus destilliertem Wasser und künstlichem Speichel gelöscht. Stattdessen gelang das Historienbild 1910 durch einen französischen Händler für 90.000 Goldmark in die Kunsthalle, wo es ab dem 31. Juli wieder für Mannheimer Museumsbesucherinnen und Besucher zu sehen sein wird. Der Speichel bleibt dann aber wieder unter der Gesichtsmaske.