Vom Panthéon auf die Straße

Nationalhelden in Streetart-Version

Im Pariser Panthéon liegen die Ruhestätten Frankreichs berühmtester Männer und Frauen. Nun zieren ihre Porträts die Straßen der französischen Hauptstadt

Victor Hugo hat seine letzte Ruhestätte in der Krypta des Pariser Panthéons neben Émile Zola gefunden. Simone Veil, Holocaust-Überlebende und Frauenrechtlerin, wurde vor wenigen Wochen in dem Ruhmestempel beigesetzt. Über 70 Persönlichkeiten haben unter der Kuppelkirche ihre Grabstätte. Rund 30 davon hat der französische Streetart-Künstler C215 porträtiert: auf Fassaden, Transformatorenboxen und Briefkästen, unter ihnen die Schriftsteller Hugo und Zola.

Die Aktion ist einzigartig. Denn alles, was mit dem Panthéon und seinen berühmten Männern und Frauen zu tun hat, ist der Nation heilig. Doch die Ausstellung "Illustres" (etwa: Die Berühmten) geht über den rein künstlerischen Aspekt hinaus. Man wolle damit ein Kulturgut und dessen Werte wieder in Erinnerung bringen, erklärte David Madec, der Verwalter des Panthéons. Gewissermaßen sollen die zum Teil in Vergessenheit geratenen Persönlichkeiten wieder zum Leben erweckt werden, meinte er.

Aimé Césaire, afrokaribisch-französischer Schriftsteller und Mitbegründer der Négritude-Strömung in Literatur und Philosophie, Antoine de Saint-Exupéry, Pilot und Autor von "Der kleine Prinz", Jean Moulin, bedeutender Widerstandskämpfer während des Zweiten Weltkriegs, André Malraux, Schriftsteller und Kulturminister, und Jean Jaures, Historiker und Politiker: Sie alle hat Christian Guémy alias C215 in Paris mit der Spraydose porträtiert.

Der 46-Jährige gehört zu Frankreichs bekanntesten Streetart-Künstlern. Er wird in Galerien und Museen ausgestellt und ist ein Meister der Schablonen-Technik. Seine detailreichen Vorlagen fertigt er in seinem Atelier bei Paris an, bevor er darauf die Farben sprüht. Die Ausstellung dauert bis zum 8. Oktober. "Wenn die Werke nicht vorher schon entfernt oder übermalt werden", räumte Guémy ein.

"Die hier beigesetzten Persönlichkeiten haben stark Frankreichs Geschichte mitgestaltet. Ihnen wieder ein Gesicht zu geben, das hat mir auf Anhieb zugesagt", sagte Guémy. Die Ausstellung reiht sich aber auch perfekt in seine Arbeit ein. Guémys Markenzeichen sind seit Jahren schon Porträts.

Die Bildnisse sind im 5. Arrondissement unweit des Panthéons zu entdecken. In der Straße, die vom Jardin Luxemburg zum Ehrentempel führt, hat Guémy das Porträt von Hugo auf einen Transformatorenkasten gesprüht – mit grauen Haaren und Vollbart. Von einem Transformatorenkasten nur einige Straßenzüge weiter blickt auch Zola auf die Passanten.

In der Ruhmeshalle liegen nur fünf Frauen begraben, unter ihnen die Physikerin und Chemikerin Marie Curie. Die Forscherin, die erste Frau, die gleich zwei Nobelpreise erhalten hat, dominiert eine Hausfassade in der rue d’Ulm, wo das Institut Curie liegt. Dort erforschte das Paar Marie und Pierre Curie das Radium und die Radiotherapie zur Behandlung krebskranker Menschen.

Simone Veil, die das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau überlebte und als Gesundheitsministerin die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs einsetzte, hatte man auf dem offiziellen Ausstellungsparcours, der hilft, die Berühmten in den Straßen zu finden, zunächst vergeblich gesucht. Als man mit dem Projekt begonnen habe, habe Veil noch gelebt, erläuterte Guémy. Veil starb am 30. Juni 2017 im Alter von 89 Jahren. Dennoch wird jetzt doch an sie erinnert. Als eine Art Happening habe Guémy auf eigene Initiative weitere Porträts hinzugefügt, ergänzte der Panthéon-Verwalter am Freitag. Darunter sind die Bilder von Denis Diderot, Abbé Grégoire und - Simone Veil.