Stiftung Preußischer Kulturbesitz antwortet auf Kritik

Nehmt Beuys für Warhol

Die Staatlichen Museen zu Berlin haben ein Warhol-Werk verloren, der Status anderer Leihgaben aus der Sammlung Marx ändert sich. Nun gibt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz endlich mehr preis zur aktuellen Situation

Ende November wurde bekannt, dass drei Werke aus der bei den Staatlichen Museen Berlin als Dauerleihgabe bewahrten Sammlung Marx an die Eigentümer zurückgegangen seien. Es handelt sich um die Arbeiten "Do it Yourself (Seascape)" und "Ten-Foot Flowers" von Andy Warhol sowie "Empire of Flora" von Cy Twombly. Das erstgenannte Gemälde von Warhol soll sich bereits in einer US-amerikanischen Privatsammlung befinden.

Auf die damaligen Anfragen verschiedener Medien, darunter auch Monopol, fand die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) als Trägerin der Staatlichen Museen erst in einer am Freitag verschickten Mail eine Antwort. Darin wird ausgiebig Hermann Parzinger als Präsident der Preußen-Stiftung zitiert, nicht jedoch Klaus Biesenbach als Direktor der Neuen Nationalgalerie und damit auch des künftigen, nunmehr "berlin modern" betitelten Neubaus, in dem unter anderem die jetzt noch im Hamburger Bahnhof gezeigte Sammlung Marx ihren Platz finden soll.

In der Mail, der offenbar ein längerer Abstimmungsprozess innerhalb der SPK vorausging, bestätigt deren Sprecherin den Abgang der drei genannten Werke. Dazu heißt es: "Im Frühjahr 2022 wurden drei Werke aus der Sammlung, 'Ten-foot flowers' (1967) und 'Do it yourself (Seascape)' (1962) von Andy Warhol sowie 'Empire of Flora' (1961) von Cy Twombly, in die Obhut der Leihgeber gegeben." Das ist eine reichlich gewundene Formulierung für den Tatbestand, dass Leihgeber ihr Eigentum an besagten Werken nunmehr wieder unmittelbar ausüben wollen. 

Leihgaben auf Abruf

Interessant die folgenden Sätze der SPK-Erklärung: "Das Werk 'Do it yourself (Seascape)' gehört inzwischen nicht mehr zur Sammlung. Die beiden anderen Werke sind nach wie vor Bestandteil der Sammlung Marx als Leihgabe zugunsten der SPK." Nanu? Nicht mehr Sammlung, aber dennoch Leihgabe? Wozu dann das Gewese? Aufklärung bringt der folgende Satz: "Es besteht jedoch Einvernehmen mit den Leihgebern, dass sie der Sammlung entnommen werden können."

Anders ausgedrückt, das zehn Fuß messende und daher so betitelte Blumen-Bild von Warhol und Twomblys Reich der römischen Blumengöttin Flora können jederzeit veräußert und aus den Räumlichkeiten der Stiftung entfernt werden. Sie sind Leihgaben auf Abruf. Parzinger, der im Weiteren der Mail wörtlich zitiert wird, macht daraus auch keinen Hehl: "Natürlich möchte man als Museum den vorhandenen eigenen und den geliehenen Bestand an Werken am liebsten ausschließlich erweitern. Aber ein Leihvertrag ist eben keine Schenkung, und die SPK war und ist nicht die Eigentümerin des geliehenen Werkbestands. Das muss man differenzieren, und das gilt es zu respektieren." Das respektiert die Öffentlichkeit durchaus, nur wäre sie gerne von Anfang an darüber aufgeklärt worden, dass es sich bei Marxens Leihgaben im Einzelfall um temporäre Gäste handelt, frei zum Weiterverkauf.

Parzinger kann sich in der Antwort-Mail gar nicht genug daran tun, auf die Schenkung von acht Beuys-Arbeiten aus der Sammlung Marx zu verweisen – zweifellos ein äußerst gewichtiger Zugewinn, bedenkt man die Stellung von Joseph Beuys für die Präsentation im künftigen "berlin modern". Demgegenüber ist aber mit dem mutmaßlichen Verkauf des Gemäldes "Do it Yourself (Seascape)" ein absolutes Schlüsselwerk im Œuvre von Warhol verloren gegangen. Warhol schuf 1961 fünf Gemälde mit dem Sujet "Do it Yourself" im Übergang von der Acryl-Malerei zum (seriellen) Siebdruck. Die Gemälde gingen allesamt an Privatsammler, doch gelang es dem Andy Warhol Museum in seiner Heimatstadt Pittsburgh, zumindest eines der fünf Bilder zurückzuerwerben. Die Marx'sche "Seascape" ist das malerischste und vollendetste Bild der Serie, sie dürfte einen sehr hohen Millionenbetrag eingebracht haben.

Beuys ist kein Trost

Auch Cy Twomblys "Empire of Flora" ist ein solches Schlüsselwerk. Der Künstler schuf es in Rom, wohin er in jenem Jahr 1961 übersiedelt war; daher sein Titel. Im Katalog der Sammlung Marx von 1996 wird das Gemälde als eines "der großen Bilder dieses barocken Sommers" eigens hervorgehoben und Heiner Bastian zitiert, der einmal schrieb, "dass in 'Empire of Flora' der Augenblick der Verwandlung des Menschen in Blumen dargestellt sei". Heiner Bastian war bekanntlich der Berater von Erich Marx, dem ein wesentlicher Anteil am Aufbau von dessen Sammlung zukommt.

Anstelle des schweigenden Klaus Biesenbach wird in der SPK-Mail Till Fellrath als Ko-Direktor des Hamburger Bahnhofs zitiert: "Die Zusammenarbeit mit der nächsten Generation der Familie Marx ist wie bei Dr. Erich Marx auch geprägt von gegenseitigem Vertrauen und hoher Wertschätzung. In diesem Geiste wird der Dauerleihvertrag gelebt. Wir freuen uns auf die Präsentation der beim Publikum beliebten Werke von Joseph Beuys in der Kleihueshalle ab März 2024, die wir angefangen mit Naama Tsabar in eine Dialogreihe mit Positionen lebender Künstlerinnen setzen werden." Nun tut zwar eine Ausstellungsreihe mit Künstlerinnen der Gegenwart nichts zur Erklärung des Warhol-Verschwindens bei, aber es dient dazu, den Vorgang zu bemänteln.

Der eine Warhol ist weg, ein "Schlüsselwerk" der Sammlung, wie es Erich Marx selbst genannt hat, und mit dem Twombly-Gemälde wird ein weiteres Schlüsselwerk verloren gehen. Und so bedeutend die geschenkten Beuys-Werke auch sein mögen: Sie sind kein Trost für Werke, die in Berlin waren oder gerade noch sind, aber nicht mehr im künftigen "berlin modern" leuchten werden.