New Yorker Kunstwelt zerrüttet

Im freien Fall

Das New Yorker Metropolitan Museum ist wegen des Corona-Virus geschlossen und wird in der Krise voraussichtlich 100 Millionen Dollar verlieren
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Das New Yorker Metropolitan Museum ist wegen des Corona-Virus geschlossen und wird in der Krise voraussichtlich 100 Millionen Dollar verlieren

New York ist jetzt ein Epizentrum der Corona-Pandemie. Die Krise trifft auch die Kunstwelt hart: Museen und Galerien entlassen die ersten Mitarbeiter, viele freie Künstler haben keine Rücklagen. Wie geht es weiter? 

Alexander Gray kann noch immer keinen klaren Gedanken fassen, die Ereignisse, der vergangenen 14 Tage haben ihn vollkommen überwältigt. "Wir reagieren nur noch", sagte der Galerist, der sich wie alle New Yorker Kunsteinrichtungen vor zehn Tagen der Schließungsanordnung der Stadt beugte.

Seither fühlt es sich für Gray so an, als sei die New Yorker Kunstwelt im freien Fall. "Die Museen haben zu und müssen Leute entlassen, die Kunstmessen sind abgesagt. Die Wirtschaft befindet sich in völlig unbekanntem Terrain", so Gray. Wie und ob es weiter geht, kann bislang noch niemand sagen.

Gray selbst musste bereits Mitarbeiter entlassen, alle Ausstellungen sind abgesagt. "Wie alle versuchen auch wir, uns irgendwie digital zu präsentieren", sagt er. "Aber das ist ja eigentlich nicht das, was wir tun."

Was Gray und seine Kollegen eigentlich tun, das ist Menschen zusammenzubringen, um Kunst zu betrachten und natürlich auch zu verkaufen. Aber das ist auf absehbare Zeit erst einmal nicht mehr möglich. Der New Yorker Kunstbetrieb ist über Nacht kollabiert und niemand weiß, ob er sich jemals erholen wird.

Für viele Museen geht es an die Substanz

So hat das mächtige Metropolitan Museum bekannt gegeben, dass es voraussichtlich 100 Millionen Dollar verlieren wird. Um den Verlust auszugleichen, plant man ebenfalls Entlassungen und einen Stopp der Ankäufe. Das mächtige Stiftungsvolumen von 3,6 Milliarden Dollar möchte Direktor Max Hollein freilich vorerst noch nicht angreifen: "Wir haben eine Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden Generationen, die Zukunft des Museums zu sichern."

Stattdessen macht sich Hollein dafür stark, dass US-Kultureinrichtungen beim gigantischen Hilfspaket der Regierung berücksichtigt werden. Das Metropolitan Museum hat eine Social-Media-Kampagne mit dem Hashtag #CongressSaveCulture gestartet, mit der sie dafür wirbt, dass kulturelle Institutionen eine Beihilfe von vier Milliarden Dollar erhalten. 

"Ich weiß, dass nicht alle in einer so glücklichen Lage sind wie wir", sagt Hollein. Das Metropolitan wird die Krise verschmerzen, der durchschnittliche Besucher wird kaum etwas merken, wenn das Museum im Sommer oder spätestens im Herbst wieder eröffnet. Für viele Museen geht es jedoch an die Substanz.

So schätzt die Allianz amerikanischer Museen, dass rund ein Drittel ihrer Museen die Krise nicht überstehen wird. Das Einwanderer-Museum in New York etwa musst alle Mitarbeiter, die nicht fest angestellt sind, entlassen. Das Carnegie Museum in Pittsburgh hat für seine gesamte Belegschaft die Lohnzahlungen ausgesetzt.

Die Künstler selbst sind auch noch dabei, zu verarbeiten, was da gerade passiert. Diejenigen, die Ausstellungen geplant hatten, müssen erst einmal mit der Enttäuschung fertig werden. "Ich habe monatelang daran gearbeitet", sagt Mamie Tinkler, deren Ausstellung in der Ulterior Gallery an der Lower East Side stattfinden sollte. "Es ist schwierig, weil man natürlich einerseits das gesundheitliche Wohl der Allgemeinheit im Sinn hat." Andererseits wollte sie natürlich, dass die Menschen ihre Arbeit sehen.

"Vielleicht schrumpfen wir uns ja gesund"

Andere Künstler wie die Bildhauerin Joan Bankemper haben sich zurückgezogen, um zu arbeiten und in der Arbeit auch die jetzige Situation zu verarbeiten. "Es hilft mir dabei, das zu akzeptieren, was gerade passiert."

Alexander Gray glaubt derweil, dass nach der Corona-Krise in der Kunstwelt nichts mehr so sein wird, wie vorher: "Das Ökosystem des Kunstbetriebs war vorher schon fragil", sagt er. Viele Galerien haben um das Überleben gekämpft, das Internet und die Kunstmessen haben gerade mittelgroßen Galerien das Leben schwer gemacht.

"Vielleicht schrumpfen wir uns ja gesund", sagt er. "Und vielleicht wissen wir nachher auch wieder mehr zu schätzen, wie sehr wir es brauchen, zusammen zu kommen und Kunst zu feiern."