Corona-Hilfen

Wenn der Bund Kunst direkt im Atelier kauft

Es kann voll werden im "Atelier des Künstlers", wie Courbet es darstellte: Nicht nur Modelle und Freunde hängen hier ab, sondern auch potentielle Käufer

Es kann voll werden im "Atelier des Künstlers" (hier in der berühmten Darstellung von Courbet): Nicht nur Modelle und Freunde lungern hier rum, sondern auch potentielle Käufer

Der Bund will seine Kunstsammlung erweitern, um der Kunstwelt in der Corona-Krise zu helfen. So lobenswert das Vorhaben ist, sendet doch der geplante Ankauf einiger Werke direkt in Ateliers ein falsches Signal. Ein Kommentar

Die Bundesregierung will sich keine Untätigkeit vorwerfen lassen: Das Krisenprogramm "Neustart Kultur" zur Abfederung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Kulturbetrieb zündet immer neue Stufen. Die milliardenschwere Rettungs- und Zukunftsinitiative kommt dabei vielen Sparten zugute. Die jüngste Meldung aus dem Hause von Kulturstaatsministerin Monika Grütters betrifft nun wieder die Kunstwelt: Der diesjährige Ankaufsetat der Sammlung zeitgenössischer Kunst wird um 2,5 Millionen auf drei Millionen Euro erhöht. Eine gute Nachricht!

Mit dem Geld sollen noch 2020 etwa 150 zeitgenössische Kunstwerke im Wert von je höchstens 20.000 Euro für die Sammlung gekauft werden. Die unabhängige Kommission aus Museumsleitungen und -kuratorinnen wird also in diesem so stillen Jahr extra viel zu tun haben. Sie will Kunst in Galerien erwerben, zum Beispiel auf Messen (da bleiben im Herbst nur noch die Positions in Berlin und die Art Cologne). So weit, so richtig. Doch die Ankündigung, "ganz gezielt auch bei Künstlerinnen und Künstlern" einzukaufen, macht dann doch etwas stutzig.

Auf Monopol-Nachfrage versichert das Bundesministerium für Kultur und Medien (BKM): "Es wird nur dann bei den Künstlerinnen und Künstlern direkt gekauft, wenn sie keine Galerie haben." Künstlerinnen und Künstler werden also nicht verführt, ihre Galerien zu hintergehen. Und tatsächlich hat ein großer Teil der Freiberufler gar keine Galerienvertretung – und dennoch sicherlich Unterstützung verdient. Und sind nicht gerade die Künstlerinnen und Künstler die primären Produzenten von Wert?

"Neustart Kunst" als Werbung für Atelierkäufe?

Doch sendet das Vorhaben des BKM für die 1970 gegründete Sammlung damit auch ein fragwürdiges Signal. Nicht nur suggeriert die Regierung so Künstlerinnen und Künstler, dass sie sich nicht um eine Galerienvermittlung bemühen müssen. Vor allen Dingen werden Kunstkäuferinnen und -käufern von höchster staatlicher Instanz ermutigt, in Ateliers zu kaufen. Vor dem Hintergrund der Dauerbrenner-Diskussion um den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, der Künstlerinnen und Künstlern bislang gewährt wird und Galerien nicht, muss sich der Kunsthandel erneut vom BKM im Stich gelassen fühlen.

Wer heute ein Kunstwerk direkt im Atelier kauft, zahlt fünf statt 16 Prozent Mehrwertsteuer. Schon jetzt müssen sich Galerien von ihren Kundinnen und Kunden oft fragen lassen, ob sie Verkäufe nicht über die Künstlerinnen und Künstler direkt laufen lassen können. Manche Galerien wickeln Verkäufe auch gleich ganz ins Ausland ab – was wiederum den Kunststandort Deutschland schwächt. 

Dabei sind doch Galerien der Kern des Betriebs. Sie entdecken junge Künstlerinnen und Künstler, strecken ihnen idealerweise Produktionskosten vor, geben ihnen erste Ausstellungsmöglichkeiten, positionieren sie in Museumsschauen und -sammlungen, machen für sie Pressearbeit und unterstützen sie moralisch und finanziell auch in schwierigen Zeiten. Sie sind die ersten Ansprechpartner für Institutionen und finanzieren Kunstmessen.

Durch ausgefallene Messen und laufende Kosten für Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Räume bei stillstehenden Geschäften während des Lockdowns haben die Galerien 2020 viel Geld verloren. Während wir uns über die Unterstützung aus dem Bundesministerium freuen, sollten wir eines nicht vergessen: Ein "Neustart Kultur" wird ohne die massive Unterstützung des deutschen Kunsthandels nicht funktionieren.