Dresden

Neue Direktorin sieht Hygiene-Museum als Ort der Begegnung

Im Deutschen Hygiene-Museum Dresden weht frischer Wind. Die neue Direktorin, eine Sächsin mit reicher Erfahrung außerhalb des Landes, setzt neue Schwerpunkte - und baut auf Erreichtes

Die neue Direktorin Iris Edenheiser will das Deutsche Hygiene-Museum Dresden (DHM) durch Kooperation und Austausch noch stärker international bekannt und zugleich regionaler machen sowie als Ort des gesellschaftlichen Diskurses weiterentwickeln.

"Ort der Begegnung zu sein hat riesige Bedeutung in diesen Zeiten, wo Menschen miteinander in Austausch gehen können, vor allem auch jenseits ihrer Twitter-Blasen", sagte die promovierte Kulturanthropologin am Montag in der Landeshauptstadt. Mehr Nachhaltigkeit bei großen Sonderausstellungen, kleinere agilere Formen der Vermittlung, Debattenkultur und Brückenbauen mittels Dialog nannte sie die Schwerpunkte ihres Konzepts.

Aufbauend auf dem Erreichten soll sich die Institution weiter öffnen, ein "niedrigschwelligeres durchlässigeres Haus" werden, "wo sich auch vortrefflich und respektvoll streiten lässt". Eine wichtige Aufgabe sieht Edenheiser in der finanziellen Konsolidierung. Sie werde die langjährigen Bemühungen um eine verlässliche Unterstützung des Bundes für das Haus fortsetzen, das bisher von Stadt und Land als Stiftern getragen und nur bei Projekten vom Bund gefördert wird. "Es ist eine Marke, auch international."

Für 2022 kündigte Edenheiser mit "Fake. Die ganze Wahrheit" eine große Schau in Kooperation mit dem Stapferhaus in Lenzburg (Schweiz) an, die Gelegenheit bietet, über das Verhältnis von Lüge und Wahrheit in Zeiten von Fake-News, Fake-Profilen und Fake-Produkten nachzudenken. Begleitend werden Programme rund um das Thema in Hoyerswerda entwickelt. Es ist der Auftakt eines neuen Outreach-Formats, in dem das DHM in den kommenden Jahren an verschiedenen Orten des Freistaates mit lokalen Kultur- und Bildungseinrichtungen gemeinsame Projekte initiiert, sagte die 44-Jährige.

Die Ausstellung "Künstliche Intelligenz" wird bis Anfang November verlängert. Im Mai wird das Forschungsprojekt zu den Gläsernen Figuren nach fünf Jahren abgeschlossen und bis September der Kopfbau Süd saniert und modernisiert, der als Tagungszentrum gefragt und inzwischen eine essenzielle Einnahmequelle für das Museum ist.

Erzählsalons und Community-Werkstatt

In Erzählsalons sollen Menschen mit unterschiedlicher Biografie über Familie, Religion, Herkunft oder Liebe sprechen und in einer Community-Werkstatt Vertreter migrantischer Gemeinschaften mit dem Museumsteam Projekte entwickeln. Für 2023 ist die Ausstellung "Genetik" angekündigt - als Anstoß für eine öffentliche Diskussion über Chancen und Risiken von Gentechnologien.

Edenheiser wurde 1977 in Torgau geboren und studierte in Leipzig und Granada (Spanien). Zuletzt war sie seit 2017 stellvertretende Direktorin am Museum Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu Berlin. Zuvor arbeitete sie am Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig, dem Museum für Völkerkunde Dresden und dem Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen. Ihre neue Aufgabe habe sie "als Fan übernommen", sagte die Sächsin.

Das Deutsche Hygiene-Museum wurde 1912 von dem Industriellen Karl August Lingner (1861-1916), dem Erfinder des Mundwassers Odol, gegründet. 1930 bekam es ein von Architekt Wilhelm Kreis (1873-1955) geschaffenes Ausstellungsgebäude. In der Weimarer Republik trug es mit verständlicher Präsentation von Wissenschaft zur Demokratisierung des Gesundheitswesens bei. Die Mitwirkung an "rassenhygienischer" Propaganda unter den Nazis gilt indes als finsterstes Kapitel in der Geschichte des Hauses. In der DDR Hort der Gesundheitserziehung, erhielt es 1991 als "Museum vom Menschen" eine Neuausrichtung und wird seit 1999 von einer Stiftung getragen.

2021 war es fast sechs Monate geschlossen, die Besucherzahl von nur 80 000 im Jahr schmerze, sagte die Kaufmännische Direktorin Lisa Klamka. 2018 lag sie noch bei 300 000 Gästen. Umso mehr freue man sich über die nun vom Pandemiegeschehen unabhängige Öffnung. Angesichts von im Schnitt 2000 Besuchern pro Woche im Januar "sind wir euphorisch und schauen hoffnungsvoll auf 2022".