Fotobuch über Patti Smith

Am Strand trug sie immer Schwarz

Patti Smith ist eine seltene Kombination aus Coolness, Sinnlichkeit und einem Hauch Philosophie. Die Fotografin Lynn Goldsmith hat sie mit ihrer Kamera begleitet. Ein neues Buch erzählt die Geschichte einer künstlerischen Freundschaft

Patti Smith ist einer jener wenigen Menschen, deren Ausstrahlung allein den Geist einer gesamten Subkultur verkörpert. "Sie war der Inbegriff von cool", schreibt Lynn Goldsmith, "in ihrer Sinnlichkeit lag stets ein Hauch von Philosophie." Goldsmith hat Smith jahrelang als Fotografin und als Freundin begleitet und ist unter anderem für das Coverfoto von Smiths bis heute erfolgreichstem Album "Easter" verantwortlich. Bei Taschen ist nun der Bildband "Before Easter After" erschienen, ein fotografisches Porträt der Sängerin auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.

Zu sehen sind unter anderem Outtakes aus dem Fotoshooting, bei dem das ikonische Bild von Smith in ihrem durchsichtigen Nachthemd entstand. Aus den zahlreichen Fotos, auf denen sie eindringlich und verführerisch in die Kamera blickt, wählten die beiden Künstlerinnen schlussendlich einen Schnappschuss aus, der entstand, als Smith gerade eine ihrer Haarnadeln richtete.

Damit ist das Cover ist die Kumulation jener nachlässigen Coolness, die Smith auf jeder einzelnen Buchseite ausstrahlt. Ihre Kleidung, Fundstücke aus Second Hand-Läden und Geschenke befreundeter Musiker, tauchen auf den Fotos sukzessiv in fortschreitenden Verschleißstadien auf. Ihr Betsey-Johnson-Seidenkleid, das einzige elegante Kleidungsstück in ihrem Besitz, trug sie mit Schnürstiefeln und Beinbehaarung und zweckentfremdete es zum Schlafen als Nachthemd.

Immer wieder zu sehen sind auch das zerlöcherte Rastafari-Shirt und die Salvation-Army-Lederjacke, der Smith in dem Buch eine Eloge hält und die sie ihrem Produzenten Jimmy Iovine nach der Veröffentlichung von "Easter" als Geste der Dankbarkeit schenkte. 

Gabentausch des Rock 'n' Roll

Es ist ein fortlaufender Kreislauf auratischer Aufladung, dem man durch die Bildlegenden gewahr wird: The Clash schicken Smith einen Wollpullover, sie selbst schenkt ihren Schal Bob Dylan und bekommt deshalb zum Ersatz einen neuen von Paul Getty. Goldsmith porträtiert die Sängerin auch in Stilleben, wenn sie beispielsweise einen Schrein aus Leopardenprints, Rimbaud-Gedichtbänden, Marienbildern und einem Porträt von Edgar Alan Poe fotografiert.

Im Goldsmiths Studio verkleidete sich Patti Smith, spielte mit den Requisiten und der Garderobe der Fotografin. "Sie schaffte es, innere Aspekte meiner Selbst zu enthüllen, wer ich mir heimlich vorstellte, zu sein, wenn auch nur für einen Moment," schreibt die Musikerin im Vorwort: "Ein Akolyth, eine Schäferin, ein Pirelli-Model." Spielerisch und sprunghaft schlüpft sie in verschiedene Rollen: Der Schal, den sie auf dem einen Bild wie ein Berber um den Kopf gewickelt trägt, dient auf dem nächsten Foto als provisorisch geknotetes Top, in dem sie sich über eine Schreibmaschine lehnt; als Hohenpriesterin in schwarzem Cape kniet sie inmitten eines Blumenmeers.

Burroughs im Publikum

Goldsmith lud Smith nicht nur in ihr Studio ein, sondern begleitete sie auch durch ihren Alltag. In "Before Easter After" sieht man Smith im Bett umringt von ihren langhaarigen Bandkollegen, auf einer Demo gegen die imperialistische Iran-Politik der USA und im Backstage in Kobra-Pose beim Aufwärmen fürs nächste Konzert. Goldsmith war dabei, als Smith bei einem Konzert in Florida von der Bühne stürzte, sie begleitete sie bei ihrer Genesung, bei den Auftritten mit Halskrause im legendären New Yorker Punk-Club CBGB und fotografierte den Moment, in dem Smith die Stützvorrichtung nach fünf Monaten wieder abnahm.

Immer wieder tauchen Smiths Weggefährten auf: William Burroughs steht bei einem Konzert im Publikum, Sam Shepard schenkte Goldsmith im Gegenzug zu einer Smith-Fotografie ein Gedicht über das "crow child" Patti Smith. "Before After Easter" ist damit nicht nur ein Porträt Smiths, sondern einer ganzen Szene, die Rock 'n' Roll mit spiritueller Ernsthaftigkeit praktizierte, der Stil wichtiger war als Mode und die an die Magie der Symbole und Artefakte glaubte.