Man konnte ja in letzter Zeit leicht den Eindruck gewinnen, die Welt sei nicht mehr so richtig in Ordnung. Bisschen durcheinander. Irgendwie wacklig. Und weil es jetzt nicht sehr viele Anzeichen dafür gibt, dass sie es in nächster Zeit wieder in Ordnung sein wird, soll an dieser Stelle nachdrücklich dieser hübsche Bildband empfohlen werden. Denn hier ist die Welt wirklich mehr als in Ordnung.
"For Bruce - who makes everything possible" steht in der Widmung des Buches, aber es liegt nahe, dass Bruce wohl eher ein Codewort für Geld ist. Denn in dem Bildband "Equestrian Life in the Hamptons" von Blue Carreon, sind – so verrät es der Titel bereits – Pferde in den Hamptons abgebildet, also jener Region im Bundesstaat New York, in dem es sich die Reichen und Schönen gemütlich gemacht haben und scheinbar auch deren Pferde.
Da spiegeln sich Schimmel (weiße Pferde, für die, denen der Reitsport erspart blieb) im blauen Pool, da ist ein Pferdehintern samt streng französisch geflochtenem Schweif, barfüßige Mädchen stehen in weißen Leinenkleidern mit Pony neben einem Vintage-Mercedes. Frank-Stella-Installation neben Pferdekoppel. Horse Shows mit Mary Kate Olsen (Schauspielerin). Also, wer da keine gute Laune bekommt, der hat noch nie die Nase in eine Mähne gesteckt, der hat noch nie Pferde-Äpfel mit der Hand aufgesammelt.
Verträumte Hochzeitsfotografie-Weichzeichnung
Blue Carreon zeigt sich für das Buch verantwortlich. Auf seiner Website lernen wir, dass dieser seine Karriere als Mode- und Lifestyle-Journalist begann. "Er hat mehrere regionale und internationale Publikationen herausgegeben. Seine Arbeit als Journalist hat ihn mit der Welt der Innenarchitektur bekannt gemacht." Und mit seiner Marke Blue Carreon Home vertreibt er sogar Design-Produkte, die allerdings eher in die Hamptons-Häuser passen. Wie die aussehen, erfahren wir ebenfalls in dem über 270 Seiten starken Bildband.
Die Schönheit der Hamptons fasst Martha Stewart (mit 81 gerade das älteste Covergild der Zeitschrift "Sports Illustrated" ever) im Buch so zusammen: "Im Gegensatz zu anderen beliebten Ferienorten bewahren die Hamptons ihre Eleganz, ihre Verbundenheit mit der Vergangenheit und ihre ursprüngliche natürliche Schönheit." Und sie muss es wissen, denn von "natürlicher Schönheit" ist auf ihrem Magazintitel eher wenig zu sehen.
Doch auf den Bildern, die von verschiedenen Fotografinnen und Fotografen stammen und oft etwas von verträumter Hochzeitsfotografie-Weichzeichnung haben, sehen wir diese natürliche Schönheit, die man sich leisten können muss: Ställe, Weiden, Strände. Menschen, die vor ihren Pferden im saftigen Gras liegen, etwas overdressed auf ihnen sitzen. Die junge Jackie Kennedy (ihre Ponys hießen Buddy, Dance Step und Danseuse) wird als sehr erfolgreiche Teilnehmerin der Turniere in den Hamptons beschrieben, schon 1934 berichtete die Lokalzeitung über sie.
Es ist toll, dass immer alles gleich ist
Und schon damals gab es Jagden und Turniere. Auch Ranches. Und einige bekannte Reiterinnen und Reiter: Ein historischer Exkurs gibt darüber genau Auskunft, samt zahlreicher Privatfotos. Aber auch dem Pferdesport weniger zugetane Menschen kommen in "Equestrian Life in the Hamptons" auf ihre Kosten. Denn es gibt kaum ein Foto-Sujet, das so klischeebeladen und entlarvend ist wie "Menschen und ihre Pferde": Mund an Nüster, Blick in die Ferne, Hand am Hals, festgetackertes Grinsen, Mann zwischen Pferd und Porsche, Pferd im Familienporträt, offene Haare am Strand ohne Sattel, weiße Bluse, rausgestreckter Hintern, muskulöser Mann, oben Ohne mit Zaumzeug um den Hals. Es ist toll, dass immer alles gleich ist.
Außerdem sieht man, wie die Ställe eingerichtet sind (aufwendiger als das durchschnittliche Berliner Wohnzimmer), wie der Pferdefreund sein Schlafzimmer dekoriert (mit auf Turnieren gewonnen Schleifen), und dass die vierbeinigen Schätzchen in den Hamptons auch mal im Flur stehen. Das Leben (mit Pferden) kann so schön sein!