Art Basel / Miami Beach

Willkommen im Artotop!

Alles so schön flach und bunt hier! Die Art Basel / Miami Beach zeigt sich zugleich überraschend verkaufsstark und enttäuschend zweidimensional. Und sehr amerikanisch

Der alljährlich zur Vorweihnachtszeit an Floridas Küste einfliegende Kunstzirkus ist bunt wie immer, aber ausgesprochen vorsichtig. Flachware dominiert die Art Basel / Miami Beach im Convention Center wie wohl noch nie zuvor – Gemälde fast so weit das Auge reicht. Dass NFTs nach der anfänglichen Spekulations-Bonanza der ersten Zeit von seriösen Kunstvermittlern – wenn überhaupt – zunächst über andere Kanäle vertrieben als gerade Kunstmessen, bestätigt auch Christian Nagel von Nagel & Draxler aus Berlin, einer Galerie, die auf dem Gebiet eine Vorreiterrolle innehat. 

Doch auch alle anderen Medien, die als innovativ oder schwierig zu vermitteln gelten, machen sich rar: Digitalkunst, Video, Performance, selbst Fotografie. Erholung fürs Auge und Herausforderung für den Geist bieten oft die in die Hallenarchitektur eingestreuten "Kabinett"-Stände. Elisabeth Kleys "Café Cleopatra" verwebt bei Canada aus New York Fläche und Raum über eine augentäuschende Wandmalerei mit ihren Keramiken zu einer immersiven Installation, die Formenelemente von der Antike bis zu den Wiener Werkstätten vereint. 

Elisabeth Kleys Installation "Café Cleopatra"
Foto: Stefan Kobel

Elisabeth Kleys Installation "Café Cleopatra"

Die Sammlerschaft scheint es jedoch nicht zu stören. Die Geschäfte am ersten Tag scheinen fast durch die Bank gut zu laufen. Gefragt ist im zeitgenössischen Bereich vor allem gesellschaftlich engagierte Kunst von nicht-Weißen und/oder Nicht-Männern und/oder aus dem Globalen Süden. (Oder Mobiles von Alexander Calder.) 

Mit María Magdalena Campos-Pons und Kaloki Nyamai hat Barbara Thumm aus Berlin gleich zwei prominente Schwarze Positionen im Programm, die offensichtlich den Nerv der Zeit treffen. Die beiden großformatigen Gemälde von letzterem sind bereits für je 50.000 Dollar in die USA verkauft, ein weiteres Werk bei dem neuen Kooperationspartner James Cohan aus New York ebenso. 

Kaloki Nyamai "Twenda kulika osene", im Angebot bei der Galerie Barbara Thumm
Courtesy Barbara Thumm, Berlin

Kaloki Nyamai "Twenda kulika osene", im Angebot bei der Galerie Barbara Thumm

Wentrup, gleichfalls aus Berlin - und da über München fliegend seit drei Tagen ohne Gepäck - hat ausschließlich weibliche Positionen dabei, ohne dass das nach Aussage der Galerie ausdrücklich geplant sei. Von allen hat die Galerie am ersten Tag schon bei fünfstelligen Preisen verkauft, fast ausschließlich in die USA. 

In seinem Kabinett zeigt David Nolan aus New York neue zauberhafte pastellfarbene geometrische Abstraktionen des 1959 geborenen Brasilianers Paolo Pasta, die mit 9.000 Dollar nicht unbescheiden bepreist sind. Gleichwohl haben am ersten Tag nicht weniger als 24 der vom Künstler "Pocket Paintings" genannten Bilder den Besitzer gewechselt, fast ausschließlich an Menschen von außerhalb, die in den letzten Jahren hier eine Immobilie erworben haben. 

Eine Konzentration auf Amerika (Nord-, Mittel- und Süd-) ist unübersehbar. Das wird besonders augenfällig in den kuratierten Sektionen, die als Visitenkarte für Aspiranten auf einen Platz im Hauptfeld gelten. Unter den 16 Erstteilnehmern der "Positions" mit Einzelpräsentationen sind gerade einmal zwei aus Europa und überhaupt keine aus dem deutschsprachigen Raum. Von den 21 Galerien in "Nova mit zu drei Positionen ein ähnliches Bild: fünf europäische Galerien, vier davon aus London, drei aus Afrika und nur eine aus Asien. Noch eindeutiger fällt die Auswahl bei "Survey" aus: Zwei Galerien sind aus Europa (Polka aus Paris und 1 Mira Madrid), eine aus Schanghai (Bank), alle anderen aus den USA und dem übrigen Amerika. 

Ob diese Konzentration auf den eigenen Kontinent eine bewusste Auswahl darstellt oder auf die Bewerbungslage zurückzuführen ist, lässt sich von außen kaum beurteilen. Die Hand des neuen Hauptanteilseigners Lupa Systems und vor allem des bereits vorher bestellten Noah Horowitz in der neuen Rolle als CEO scheint sich jedenfalls beim Baseler Konzern bemerkbar zu machen. Jede der vier Messen in Basel, Miami, Hongkong und Paris hat jetzt eine eigene Direktion, mit dem Verantwortlichen für alle Messen Vincenzo de Bellis wurde eine neue Managementebene eingezogen.

Horowitz ist froh über die neue Rollenverteilung: "Ich bin in einer CEO-Rolle, mein Vorgänger war sowohl für die globale Strategie als auch für die Messe in Basel verantwortlich. Jetzt hat Vincenzo de Bellis die Fäden für die vier Messen in der Hand. Mit dem operativen Teil der einzelnen Messen selbst habe ich nichts mehr zu tun. Diese Struktur mit ihren vier jeweiligen Messedirektoren ist ausgesprochen belastbar." 

Der angewachsene Overhead bleibt jedoch nicht ohne Folgen. Aussteller beklagen den Kostenanstieg von rund 20 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. Allerdings sind die Standpreise nach Messeangaben lediglich um bis zu vier Prozent angehoben worden. Der Rest dürfte wohl auf gefühlte und tatsächliche externe Inflation zurückzuführen sein - Faktoren auf die die Messe keinen Einfluss hat.

Zudem scheint sich die Messe ganz ins Convention Center zurückgezogen zu haben. Vorbei sind jedenfalls die Zeit, als etwa noch Events und Container im öffentlichen Raum oder am Strand gab, das Filmprogramm etc. 

Zum Glück hat sich in den letzten 21 Jahren seit der ersten Ausgabe der Art Basel die gesamte Städteregion aus Miami Beach und Miami mit seinen zahlreichen Satellitenmessen und unzähligen anderen Events zu einem Artotop entwickelt, das nicht mehr nur ein Zentrum hat.