Medienschau

"So undifferenziert hat schon mal ein Maler die Kunst aus DDR-Ateliers beschimpft"

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Eine wütende Replik auf Maler Daniel Richter, neue Kritik an der Bührle-Präsentation in Zürich und Harry Potter im Berghain: Das ist unsere Medienschau am Mittwoch



Debatte

In der "Berliner Zeitung" ist Kunstkritikerin Ingeborg Ruthe ganz außer sich: "Was ist bloß in den im Kunstbetrieb angebeteten Maler und Otto-Dix-Preisträger Daniel Richter (60) gefahren?", fragt sie entgeistert. Anlass sind Zitate Richters, die in einem Porträt der "Financial Times" erschienen sind und in denen sich der Künstler abfällig über die figurative, politisch engagierte Malerei der Gegenwart geäußert hat. So nannte er sie: "Beschissener sozialistischer Realismus, der einfach nach Westen gewandert ist." Ruthe kontert nun mit einem Baselitz-Vergleich: "Derart undifferenziert hat schon mal ein ruhmverwöhnter Maler die Kunst aus DDR-Ateliers beschimpft. Der Schmäh 'Künstler, die in der DDR blieben, sind Arschlöcher' des früh in den Westen emigrierten Georg Baselitz war Teil jener Zündschnur, die nach der Wiedervereinigung den fatalen West-Ost-Bilderstreit entfachte. Was Daniel Richter nun herauspoltert, klingt weniger nach Ketzerei denn nach Abschwören. Hat Richter doch selber unlängst noch politische Werke gemalt, etwa zum Umgang Europas mit der Flüchtlingskrise." 


Mit der umstrittenen neuen Präsentation der Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich beschäftigt sich Max Glauner im "Freitag". Er hält der Ausstellung, die zu einem Bruch des Museums mit dem wissenschaftlichen Beirat führte, immerhin für einen Fortschritt, da die jüdischen Opfer von Zwangsenteignung und Verfolgung sichtbar werden. Es blieben aber weitere Probleme: "Doch würdigt man sie ausreichend, wenn man die Verstrickung der Schweiz in Verfolgung und Genozid weitgehend ausblendet und die wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen Bührles ausbreitet? Das Kunsthaus sieht die Ausstellung als Beta-Version und strebt eine permanente Überarbeitung an. Mit Bührle en bloc wird das kaum gut gehen."


Ausstellung

Gerhard Matzig hat sich für die "Süddeutsche Zeitung" die opulent bestückte Ausstellung angeschaut, mit der das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein den Architekturfotografen Iwan Baan würdigt. Und er ist schwer begeistert. "Diese Ausstellung feiert nicht das Bauen, sondern das Leben. Das ist es, was Baan zu einem der derzeit interessantesten Architekturfotografen macht: Er dokumentiert keine Bauten, er feiert keine Bauten, er inszeniert keine Bauten, er betreibt kein Marketing (Stahlträger vor Sonnenuntergang), er hofiert die Architekten nicht, er lobpreist nicht die Bauherren (wie immer selten: Baudamen) - sondern er erzählt vom Alltag in, vor, hinter und neben den Bauwerken. Das ist es, was sein eigenes Werk groß macht. Es birgt nämlich auch eine Idee vom Kleinen."


Im "Guardian" ist Adrian Searle ebenfalls begeistert - von der Ausstellung "Women in Revolt", die gerade in der Tate Britain gezeigt wird. Dieser Überblick über feministische Agit-Kunst voller Witz und kollektiver Wut könnte nicht aktueller sein, meint der Autor. Und findet vor allem im Echoraum ihrer Schreie Erkenntnis  – ob aus Schmerz, bei der Geburt oder aus Trotz. "Während der gesamten Ausstellung kommen wir immer wieder auf Frauen in Ausnahmezuständen zurück. Diese oft parodistischen Bilder und Performances sind ihr Versuch, die Kontrolle über ihren eigenen Körper und die Art und Weise seiner Darstellung zu erlangen."


Cartoon

Die Einsamkeit von Edward Hopper, die Bosheit von Tomi Ungerer – so umreißt die "FAZ" das Werk der deutschen Künstlerin Anna Haifisch, das jetzt im Straßburger Musée Tomi Ungerer ausgestellt wird. "Die siebenunddreißigjährige deutsche Zeichnerin ist ein internationaler Star des Cartoons, und die erste französische Werkschau war deshalb überfällig. Dass die dann gleich im renommiertesten Haus für Illustration in unserem Nachbarland stattfindet, zeigt, wie hoch man Haifisch auch in Frankreich einschätzt", schreibt Andreas Platthaus.


Das besondere Kunstwerk 

Seit einigen Monaten sorgen immer wieder alternative Film-Realitäten für große Heiterkeit im Internet, wenn zum Beispiel die "Harry Potter"-Charaktere mithilfe von künstlicher Intelligenz plötzlich im pastellfarbenen Stil von Wes Anderson auftreten. Ein Urheber solcher KI-Fusionen ist der Berliner Demonflyingfox, über den Tobias Langley-Hunt im "Tagesspiegel" berichtet. Gerade hat er einen Trailer veröffentlicht, bei dem Harry, Hagrid und Co im zerfeierten Berghain-Look durch die Hauptstadt irren. "Dass ausgerechnet die 'Harry Potter'-Filmreihe so gut funktioniere, läge an keiner Obsession, sondern weil er herausgefunden habe, dass sich Harry Potter am besten dazu eigne, in unterschiedliche Szenarien gesteckt zu werden, erklärt Demonflyingfox". Seinen echten Namen will der Künstler übrigens nicht nennen - seine KI-Projekte würden sich "mit seiner eigentlichen Tätigkeit als Fotograf überschneiden".