Udo Kier im Kölnischen Kunstverein

Dieses Gesicht hat eine Welt zu erzählen

Trash liegt ihm, Kunst auch. Nur für das Label Mainstream ist er sich zu schade. Der Schauspieler Udo Kier feiert jetzt seinen 80. Geburtstag und kapert den Kölnischen Kunstverein mit der Hommage "Udo is love"

Der unfassbare Aufstieg dieses kölschen Jung vom heutigen Problembezirk Mühlheim zu einem international in über 200 Filmen performenden Kult-Original macht immer noch sprachlos. Erst verschaffte ihm sein überirdisches Aussehen die Mitgliedschaft im Kulturjetset, die Herren Arndt von Bohlen und Halbach, Jean Marais, Luchino Visconti oder Helmut Berger suchten mit Vorliebe in Südfrankreich seine Nähe. Als Schauspieler war dem Exzentriker dann jede Rolle recht, die aus dem üblichen Rahmen viel, vom puren Trash à la Andy Warhols "Frankenstein" und "Dracula" bis zu Hollywoods "liebstem deutschen Bösewicht".

Als wäre diese Spannbreite nicht genug – nicht zu vergessen die sechs skurrilen Darstellungen von Hitler – gesellten sich noch mehr oder wenige kurze Auftritte bei Rainer Werner Fassbinder, Gus Van Sant, Christoph Schlingensief oder Lars von Trier dazu. Im Kölnischen Kunstverein wird jetzt die Vita dieses nach Marlene Dietrich und Nico sehr deutschen Glamour-Exports von der Wiege in den rheinischen Kriegstrümmern bis in die Gegenwart seines Rentner-Lebens in Palm Springs rekapituliert, mit unzähligen Erinnerungsstücken, flimmernden Bildschirmen und Fotodokumenten. Nur wenige Exponate kommen von ihm selbst, was auch offenbar nicht nötig ist, denn die enorme Schar der Leihgeber deutet auf ein weltumspannendes Netzwerk hin, das ihm loyal zu Füßen liegt.

Meister des Obskuren

Der junge Kier will 1966 Großhandelskaufmann werden, arbeitet bei Ford am Band und reißt mit dem Ersparten ins Swinging London aus. Hier kellnert er, nimmt Schauspielunterricht und es dauert nicht lange, bis er in B-Filmen wie "Schamlos" spielt, ausgerechnet einen Zuhälter, der an einem von Otto Muehl inszenierten Blut-und-Sperma Happening teilnimmt. Es ist immerhin der Anfang unzähliger Kooperationen im Kunst-Kontext.

Allein in Köln dreht er in den 1970er- und 1980er-Jahren mit den Videopionieren Ulrike Rosenbach, Klaus vom Bruch und Marcel Odenbach und posiert für Sigmar Polkes Kamera – nur um einige zu nennen. Für Kier kein Grund, um nicht nebenbei weiterhin an seinem Image eines Meisters des Obskuren zu arbeiten, was irgendwann sogar Madonna angelockt hat, die ihn in dem Musikvideo "Deeper and Deeper" als dekadenten Dandy besetzte.

Im Finale steht man vor Jan Soldats Kompilationsfilm "Staging Death". Er versammelt die Filmtode Udo Kiers in einem wilden Strom aus Eros, Vanitas und blutigen Spezialeffekten. Mehr Leben, mehr Wagnis geht nicht. Am heutigen Montag wird Udo Kier 80 Jahre alt.