Ull Hohn in Berlin

Der Abgrund hinter der Bob-Ross-Idylle

Zwischen Natürlichkeit und Fetisch: Ull Hohn verpasste den klassischen Kategorien der Malerei ein campes Update. 30 Jahre nach dem frühen Tod des Künstlers öffnet eine Schau im Berliner Haus am Waldsee den Blick auf ein schillerndes Werk 

Ull Hohn hatte mehr Fragen an die Malerei, als ihm Deutschland beantworten konnte. 1980 begann er ein Studium an der Hochschule der Künste Berlin, es war die Zeit der Jungen Wilden, doch deren breitbeinige Punkgesten waren seine Sache nicht.

Er setzte seine Ausbildung an der Kunstakademie Düsseldorf bei Gerhard Richter fort, wo schon analytischer gemalt wurde – doch sein Erweckungserlebnis markierten erst der Umzug nach New York im Jahr 1986 und die Teilnahme am Whitney Independent Study Program (ISP). Dort folgte man einer theoretisierten Praxis, standen soziale und von den Kulturkämpfen rund um die Aids-Epidemie befeuerte identitätspolitische Debatten im Mittelpunkt des Curriculums.

Körperlichkeit und Sexualität sind das eine, wiederkehrende Thema in Hohns Malerei. Das andere ist die Auseinandersetzung mit der Tradition der Landschaftsmalerei und der Erhabenheit der US-amerikanischen Natur. Wie smart er beides miteinander zu verknüpfen wusste, zeigte bereits seine Abschlussausstellung am ISP, die jetzt im Haus am Waldsee wiederaufgeführt wird. 

Natur und fetischistische Sinnlichkeit

Dort hängen neun Landschaftsszenen, deren serielle Reihung und vergilbte Oberflächen ihre fotografischen Vorlagen verraten. Und ihnen gegenüber neun Reliefarbeiten, auf denen sich braune Farbmassen auftürmen wie Schokolade oder Fäkalien. Dort dekonstruiert er per abgemaltem Postkartenidyll Ideen von Natur und Natürlichkeit, hier kontert er sie mit fetischistischer Sinnlichkeit, seiner eigenen Homosexualität.

Dekoratives und Expres­sives, Abstraktion und Figuration, massenmediale Aneignung und auratisches Einzelwerk – in camper Umdeutung klassischer Kategorien verhalf Hohn der Malerei zu einem zeitgenössischen Update. Wenn er einen Penis malte, ging es ihm auch um formale Raumfragen; malte er ein Kitschmotiv des TV-Malers Bob Ross nach, dann mit meisterlicher Virtuosität. 1995 starb Hohn mit 35 Jahren an den Folgen von Aids, die umfangreiche Ausstellung im Haus am Waldsee öffnet den Blick für ein viel zu lange übersehenes Werk.