Kommentar zur Art Basel / Hong Kong

Der Elefant im Kunstmessen-Raum

In den letzten Jahren hat China die Sonderverwaltungszone Hongkong vollends unterworfen. Nun beginnt dort die internationale Kunstmesse Art Basel – ist ein solches Großevent in einer Diktatur noch vertretbar? 

Nach einer coronabedingten Absage, einer Hybridausgabe mit Schlagseite ins Digitale und einer Verschiebung vom März in den Mai beginnen am heutigen Mittwoch die Preview-Tage auf der Art Basel / Hong Kong. Rund 130 Galerien aus 28 Ländern werden im Convention Center der chinesischen Sonderverwaltungszone erwartet, darunter Schwergewichte wie Gagosian, Hauser & Wirth, Perrotin und Zwirner. Zwar gibt es auch in diesem Covid-Jahr Online-Angebote und virtuelle Showrooms, doch ein ausgedehntes "Public Programme" und Kunstwerke im öffentlichen Raum sollen diesmal wieder mehr Sammlerinnen und Sammler ganz physisch ins Zentrum des asiatischen Kunsthandels locken.

Was in der ganzen Pandemie-Verwirrung ein wenig untergegangen ist: Hongkong ist nicht mehr der Ort, in den der internationale Kunst-Jetset zuletzt 2019 vor Ausbruch der Pandemie einflog. Seitdem hat die chinesische Regierung die Proteste der Demokratiebewegung auf brutale Weise zum Schweigen gebracht, Oppositionelle wurden auf Grundlage des sogenannten Sicherheitsgesetzes willkürlich festgenommen oder haben wegen der Repressalien das Land verlassen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sah sich angesichts der politischen Lage gezwungen, ihr Hongkonger Büro zu schließen, und auf dem Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen liegt die Metropole inzwischen auf Platz 148 von 180 Ländern und Regionen. Vom einstigen Motto "Ein Staat, zwei Systeme", das den Sonderstatus der ehemaligen britischen Kolonie auch nach der Übergabe an China sichern sollte, ist nichts mehr übrig. 

Ist das der richtige Ort für ein solches Großevent einer Szene, die sich selbst gern für besonders liberal und empfindsam gegenüber Ungerechtigkeiten hält – zumal gerade wieder durch die geleakten "Xinjiang Police Files" ein Schlaglicht auf die  Menschenrechtsverletzungen Chinas gegenüber der Minderheit der Uiguren geworfen wird? Während die Vertretbarkeit der Olympischen Spiele in Peking breit diskutiert wurde, ist die Thematik in der Kulturwelt eher wenig präsent. Die Art Basel / Hong Kong ist so etwas wie der Elefant im Raum des internationalen Kunstmessen-Kalenders, der vielen ein wenig Unwohlsein bereitet, aber bisher unangetastet bleibt. 

Das könnte sich nun ändern, denn durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die Aufmerksamkeit für die Unterdrückung der Uiguren ist die Frage nach ethischem Wirtschaften im öffentlichen Bewusstsein derzeit sehr präsent. Kaufen und Verkaufen sind politische Akte, und der Ansatz "Wandel durch Handel" hat gerade eine spektakuläre Bruchlandung erlebt. Unternehmen, die Geschäfte in und mit autoritären Staaten machen, dürften sich auf verstärkte Beobachtung einstellen.

Die Diskussion ist überfällig

Die Art Basel hat bisher immer betont, als Wirtschaftsunternehmen außerhalb des staatlichen Einflusses zu operieren und die lokale Kunstszene zu stärken. "Hongkong hat schon so viel durchgemacht. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und zusammenarbeiten", sagte die Asien-Direktorin der Messe, Adeline Ooi, 2021 dem Magazin "The Art Newspaper". Aus der Demokratiebewegung hatte es damals vereinzelte Boykott-Aufrufe gegen die Kunstmesse gegeben. "Nur auf etwas einzuschlagen, ist nicht produktiv", so Ooi weiter. 

Natürlich sollte die lokale Hongkonger Kunstszene unterstützt werden, der es in den vergangenen Jahren immer schwerer gemacht wurde, sich zu entfalten. Dass das jedoch langfristig durch eine profitorientierte Messe passiert, dürfte eher Wunschdenken sein. Es stellt sich die Frage, ob ein Rückzug der internationalen Kunstmarkt-Player die Kultur vor Ort erst recht allein lassen würde, oder ob nicht dennoch ein eindeutiges Zeichen nötig ist, dass die Branche Chinas Unterdrückungsregime nicht unterstützen will. 

Die Art Basel und ihre teilnehmenden Galerien haben sich durch ihre Hongkonger Ausgabe den Zugang zum lukrativen, und offenbar recht krisenfesten, asiatischen Kunstmarkt gesichert. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass sich das Geschäft mit Kunst zunehmend in andere, politisch weniger brisante Metropolen wie Seoul oder Tokio verlagert. Ob die Art Basel am Standort Hongkong festhält oder sich in absehbarer Zukunft eine andere Heimat in der Region sucht, wird sich zeigen. Eine offene Diskussion darüber ist jedenfalls überfällig.