Galerienwochenende DC Open

Drei Tage am Rhein

Egal ob zu Fuß, mit dem Rad, per E-Roller oder doch lieber mit dem kostenlosen Shuttleservice: An diesem Wochenende geht's zum Galerienrundgang in Düsseldorf und Köln. Wir haben ein paar Highlights für Sie herausgesucht

Rundgang Köln

Innenstadt + Riehl

In Köln führen alle Wege zum Dom – in dessen Schatten auch gleich die ersten Schwergewichte der Kölner Galerienszene anzutreffen sind. Die Galerie Boisserée in der Drususgasse, 1838 gegründet, gehört zu den ältesten Deutschlands – und zeigt mit Georg Baselitz einen Künstler, der auch mit 81 Jahren noch produktiv ist wie eh und je.

Direkt nebenan bei Karsten Greve präsentiert der Venezolaner Raúl Illarramendi reliefartige Bilder aus Kunstharz, Gouache und Buntstiften, die in all ihrer Abstraktion auch von der Krise in seiner Heimat sprechen. 

Auf dem Weg zu Gisela Capitain, wo der Maler Tobias Pils dichte, grauschwarze Bilder präsentiert, in denen archaische Figuren mit abstrakten Ornamenten verschmelzen, lohnt ein Blick in die Ausstellung der kürzlich verstorbenen Lutz Bacher bei Buchholz. Bei Nagel Draxler blickt der chinesische Künstler Gang Zhao in seinen Bildern auf Altlasten kaiserlicher Systeme seines Geburtslands einerseits und auf kanonisierte westliche Blickweisen andererseits.

Mit Klaus vom Bruch ehrt die Galerie Brigitte Schenk einen Pionier der Videokunst, der sein neuestes Werk, "The McLuhan Project" vorstellt. Der Film, eine Assemblage aus einem Radiointerview mit dem Medientheoretiker Marshall McLuhan von 1966 und zeitgenössischen Pornoclips, ist ein provozierender Kommentar auf eine durch soziale Medien und Konsum geprägte Welt.

Über einen Schwenk zum Kölnischen Kunstverein gelangt man zu Thomas Rehbein, wo Benjamin Houlihan Kindheitserinnerungen weckt: Seine Zeichnungen und Skulpturen beruhen auf dem Konzept von Klappbüchern, bei denen Kopf und Körperteile von verschiedenen Tieren oder Menschen zu schrägen, nicht mehr eindeutig identifizierbaren Formen und Mischwesen zusammengesetzt werden.

Etwas abseits vom Zentrum, dafür über einen schönen Spaziergang am Rhein erreichbar, liegt das Galeriehaus An der Schanz. Hier stellt die Gruppenausstellung "Place Vendôme" bei Berthold Pott die Schwerkraft auf die Probe – in den Arbeiten von Florian Auer, Jonathan Binet, Giulia Cenci, Isaac Lythgoe und Athena Papadopoulos, die in ihrer Thematik und Form unterschiedlicher nicht sein könnten, ist das Schwebende, Transparente der verbindende Faden.

Bei den Nachbarn Krupic Kersting zeigt der Pariser Künstler Damir Radović großformatige Gemälde, in denen "World of Warcraft" auf die französischen Protestbewegungen der 60er-Jahre trifft.

Abstecher nach Ehrenfeld

Neu im DC-Open-Programm ist der ak Raum, ein Projektraum im westlichen Stadtteil Ehrenfeld. Hier stellt die junge Kölner Künstlerin Natascha Schmitten ihre großformatigen abstrakten Farbkompositionen aus, die, in unzähligen transparenten, bewegten Schichten auf Nylongewebe gemalt sind und von innen zu leuchten scheinen.

Belgisches Viertel & Lindenstraße

Rund um die Aachener Straße kann man nicht nur der aufgekratzten Kölner Jugend beim Ausgehen und Eisessen zuschauen, hier lohnt sich auch ein Galerienrundgang. In den textilen Tierskulpturen von Mary-Audrey Ramirez in der Galerie Martinetz in der Moltkestraße verschmelzen Gender- und Rollenbilder, trifft testosterongesteuerte Männlichkeit in Form von zwei Dobermännern auf die listige, aber dominante Verführungskunst einer genähten Skorpionin.

Bei Martina Kaiser um die Ecke hat der Kölner Künstler Dokoupil, einst Teil der legendären Künstlergruppe Mülheimer Freiheit, eine Heimkehr zu feiern, denn in den Räumen war früher die Galerie Paul Maenz beheimatet, wo Dokoupil 1982 seine erste Einzelausstellung hatte. Heute gibt es dort einen Überblick über seine Zeichnungen zu sehen, von den ikonischen Seifenblasenbildern mit Lauge bis zu akademischen Tuschearbeiten.

Jan Kaps zeigt einen eindrucksvollen "Body of Work", so der Ausstellungstitel, des britisch-französischen Künstlerduos Daniel Dewar & Grégory Gicquel. Der Körper, besonders der menschliche, ist auch das zentrale Thema in ihren Skulpturen aus Holz, Keramik, Wolle oder Stein. Dabei arbeiten die Künstler für jede Werkgruppe mit traditionellen Verarbeitungsverfahren aus dem Handwerk, die sie mühsam erlernen und akribisch anwenden – so lange, bis sie eine Technik fast perfekt beherrschen. Ihre geschnitzten Holzfiguren oder getöpferten Wandreliefs sind humorvoll genauso wie pervers, anachronistisch wie zeitgemäß.

Ein paar Häuser weiter bei Natalia Hug spielt der Kölner Fotograf Alwin Lay mit unseren Erwartungen. Seine aufwendig inszenierten Fotografien zeigen nur auf den ersten Blick alltägliche Dinge wie das Inventar seines Studios, die im entscheidenden Augenblick, wenn man meint, alles gesehen und erfasst zu haben, eine optische Falle stellen.

Um die Ecke setzt sich Marietta Clages für die transatlantische Völkerverständigung ein und zeigt eine Gruppenausstellung mit Bradley Davies, Isabella Fürnkäs, Megan Francis Sullivan, Christian Theiß und Mark van Yetter, die sich einer kafkaesken Welt zwischen Wahrheit und Erfindung, Realität und Einbildung abspielt.

Überirdisch wird es auch bei Ginerva Gambino, hier fragt der junge Schweizer Mathis Gasser in seiner Malerei nach der Zukunft institutioneller Strukturen auf der Erde zu Zeiten der immer wichtiger werdenden Raumfahrt und -forschung.

Eine etwas anders geartete Zukunftsvision proklamierte zeitlebens die Künstlerin und Aktivistin Helga Goetze, deren vielseitiges Werk bei Delmes & Zander entdeckt werden kann. Mit dem Slogan, "Ficken ist Frieden" kämpfte die Berlinerin seit 1983 mit täglichen Aktionen vor der Gedächtniskirche für die sexuelle Befreiung insbesondere der Frau. Sie empfand Sex als einzig probates Mittel auf dem Weg der Erkenntnis. Die Galerie präsentiert eine Auswahl aus ihren über 3000 Gedichten, Zeichnungen und gestickten Tapisserien mit erotischen Szenen, um Goetze, die zu Lebzeiten für ihre Aktionen eher belächelt wurde, als Künstlerin zu ehren.

Rundgang Düsseldorf

Flingern

Seit einigen Jahren schon macht die Galerienszene in Flingern vor, wie man gemeinsam ein lebendiges Kunstviertel schafft, und auch zur DC Open lohnt sich hier der Rundgang. Bei Schönewald macht Stefan Vogel sein Atelier zum Mittelpunkt seiner neuen Arbeiten und verausgabt sich, "bis der Kopf den Geist aufgibt" im Verflechten von poetischen Satzfragmenten mit großflächigen Alltagsmaterialschlachten.

Keine Angst vor dreckigen Händen zeigt auch Jugoslav Mitevski bei Petra Rinck. Seine Beton-Bilder und -objekte sind Zeugnisse von Grenzerfahrungen des Künstlers mit dem Material, das er bis zum Äußersten strapaziert, bricht, zerschlägt und zu neuen Formen führt.

Nebenan zeigt Linn Lühn Papierarbeiten des amerikanischen Künstlers Dike Blair, gezeichnete Momentaufnahmen aus Kohle, Gouache und Gesso von Hotdogs und Coladosen, Espressotassen oder Aschenbechern, die er auf Schwarz und Weiß reduziert zeichnerisch erfasst.

Um ganz andere Formen der Zeichnung, nämlich solche, die sich in den Raum hinein ausdehnen, geht es in der Gruppenausstellung bei Rupert Pfab. Zu sehen sind eine raumbezogene Wandarbeit von Haleh Redjaian, filigrane Papierrollen von Elisabeth Sonneck oder mit der Kreissäge in Holzplatten gezeichnete Muster von Julia Bünnagel, die Holzzeichnungen von Alfonso Hüppi gegenübergestellt werden.

Bei Van Horn beendet der britische Maler Paul Morrison mit einer großen Geste seine 16-jährige Ausstellungsabstinenz im Rheinland. In einem riesigen Wandgemälde in der Galerie schafft er ein schwarz-weißes Panorama aus Pflanzendarstellungen, dem historische Radierungen genauso als Vorlage dienen wie Comics.

Freunde der Malerei kommen auch bei Max Mayer auf ihre Kosten, wo Klaus Merkel sein malerisches System präsentiert, in dem die eigenen Bilder als Bausteine für andere dienen, sich aufeinander beziehen und versetzt wiederholen, als folgten sie einer Syntax.

Carlstadt und Bilk

Im Galeriencluster jenseits der Kö liegt die zweite, auf junge Kunst ausgerichtete Filiale der Galerie Setareh, hier stellt die Bonner Malerin Bettina Marx aus. Ihre Malerei verlässt gerne mal die Leinwand, um als Installation auf Papierbahnen oder Wandgemälden den ganzen Ausstellungsraum in einen Bildraum zu verwandeln.

Auch Beck & Eggeling setzen mit Heribert Ottersbach auf Malerei aus dem Rheinland. In seiner neuen Wahlheimat Schweden lebt er nahe der Natur und Wildnis, und so beschäftigen sich seine neuen "Geländebilder" mit der zeitgenössischen Relevanz von Landschaftsmalerei.

Eine andere Art der Naturverbundenheit zeigt der in Brüssel lebende Künstler Chris Evans bei Markus Lüttgen: in Zusammenarbeit mit einem Viehzüchter und einer Herde von Rindern schuf er eine Klangarbeit, die seine Reliefbilder, gemalt aus feinen Pigmenten wie Senfkörnern, Chilipulver, Kreuzkümmel, Safran oder Dill auf Kochplatten, begleiten.

Bei Sies + Höke lässt Marcel Dzama die Puppen auf seinen Papierarbeiten tanzen, und im zweiten Raum der Galerie wirft der Maler Michael van Ofen einen zeitgenössischen Blick auf Europa zu Napoleons Zeiten "von der Guillotine zu Waterloo", wie der Titel verspricht.

Vorbei am K21 im südlichen Bilk öffnet Kunst & Denker Contemporary eine frisch sanierte Fabrikhalle im Hinterhof mit einer großen Augmented-Reality-Wandarbeit von Tim Berresheim dem großen Publikum. Außerdem finden Thomas Musehold, Katja Tönnissen und Angelika J. Trojnarski in der Gruppenausstellung "Biophilia" einen zeitgenössischen Umgang mit Natur. Im Vorderhaus zeigt der Städel-Absolvent Martin Kozlowski abstrakte Malerei, die an vergrößerte Röntgenaufnahmen oder grobkörnige Fotogramme erinnert. 

Am Ende des Tages, was zufällig auch der Name eines unweit gelegenen Projektraums, kurz AedT ist, macht sich Roman Schramm die Verbindung von Fotografie und Skulptur zur Aufgabe, mit schwarz-weißen Nahaufnahmen undefinierbarer Oberflächen in dominanten Alurahmen. Am Ende des Tages dominiert an diesem Wochenende im Rheinland sehr sehenswerte Kunst.