Forecast Festival in Berlin

Zauberei, aber ohne Kaninchen

Sechs junge Künstlerinnen und Künstler präsentieren ihre Arbeiten beim Forecast Festival in Berlin. Entstanden sind dabei auch zwei Performances, die mit Zauberei und Übungen zum besseren Beobachten aufwarten

Tom Cassani redet mit seiner Hand. Er hat sie zu einem Schnabel geformt. "Bist du aufgeregt?", quäkt sie. "Ja ein bisschen, aber das gehört dazu", sagt er. Kurz darauf gehen die Scheinwerfer an, Cassani wird ernst. Aus seiner Tasche zieht er eine Münze, lässt sie verschwinden und zwischen seinen Fingern wieder auftauchen. Seine Arme vollführen dabei eine Choreografie aus gleitenden Bewegungen, die sich schwungvoll aneinanderreihen.

Tom Cassani ist Künstler und Performer, Zauberer – und Bauchredner. Er ist einer von sechs jungen Künstlerinnen und Künstlern, die am Wochenende im Rahmen des Forecast Festivals ihre Kunst vorstellen. Einen Tag vorher üben sie ein letztes Mal vor leeren Zuschauerrängen.

Performances, Stand-up-Comedy, Filme und Installationen, der Kunstbegriff ist bei dem Festival weit gefasst. Die unter anderem vom Bund finanzierte Plattform Forecast möchte wegweisende künstlerische Projekte fördern, aus allen möglichen Disziplinen. Jede Künstlerin und jeder Künstler hat dafür einen Mentor oder eine Mentorin, der sie in einem Bewerbungsprozess ausgewählt hat. Seit knapp einem Jahr arbeiten die Paare nun an der Entwicklung ihrer Projekte.

Eine variierende Endlosschleife

Der Brite Cassani wird von der Choreografin und Performancekünstlerin Florentina Holzinger betreut. Zusammen haben sie eine hybride Zaubershow erarbeitet, die sich in mehreren Variationen desselben Münz-Tricks, vor allem dem Körper des Zauberers widmet. "Für mich ist Zauberei eine sehr physische Disziplin", sagt Cassani. "In meiner Arbeit beschäftige ich mich deshalb viel mit Stunts und Acts. Ich versuche, meine Beziehung zu Zauberei und zu meinem Körper in der Performance zu hinterfragen." Wenn Cassani von Zauberei redet, meine er eine säkulare Performance-Zauberei, frei von Konfessionen. "Es geht um Münzen und Karten und sowas."

Wenig von dem, was Cassani auf der Bühne präsentiert, wirkt wie die aufgebauschte Show-Zauberei, bei der ständig ein Kaninchen aus einem Hut gezogen oder eine Frau zersägt wird. In kurzen, abgeschlossenen Handlungseinheiten vollführt er immer wieder den gleichen Ablauf: Eine silberne Münze wandert zwischen seinen Händen und Hosentaschen hin und her. Jede Einheit wird dabei nüchtern von ihm angekündigt: "Zuerst Schritt für Schritt" - "Jetzt die Variante, wo ich an meinen Großvater denke" - "Jetzt so, als wäre die Münze das Einzige, was mir in der Welt bleibt".

Immer etwas anders bewegen sich seine Arme und Hände. Mal spielt Chopin im Hintergrund, mal plärrende Show-Musik. Seine Bewegungen scheinen zu variieren, obwohl sie das immer Gleiche vollführen: Münze hin, Münze her. Zu Chopin wirken seine Arme wie die eines Balletttänzers. Bei den "Gedanken an den Großvater" ist sein Blick apathisch in die Leere gerichtet, er scheint nur kurz aufzuschrecken, wenn er bemerkt, dass seine Hände sich wie von selbst bewegen.

Cassani nutzt seinen Körper als Experimentierfeld; das ist in vielen Kunstperformances üblich. Die Verbindung aber zur Zauberei, die den Körper als Täuschung und gleichzeitig als Werkzeug gebraucht, überrascht und gibt der Darbietung einen ungewohnten Kontext.

Den "persönlichen Horizont" finden

Um Körperlichkeit geht es auch bei Mia Štark. Sie probt im Nebenraum ihre Lecture Performance. Dort werden Wissensvermittlung und performative Elemente miteinander verschränkt. "Es geht um eine enorme Bühnenpräsenz", erzählt die Künstlerin. "Da ist zwar dieser gewisse Rahmen durch das, was ich erzähle, vorgegeben. Aber gleichzeitig ist darin auch eine große Freiheit, mit der ich spielen kann."

In einem strengen Blazer geht Štark dafür auf der Bühne auf und ab, manchmal legt sie sich bäuchlings auf einen Stuhl. Das Setting erinnert etwas an einen Ted-Talk. Im Hintergrund bewegen sich Videos von Aussichtspunkten oder Leuchttürmen auf zwei Leinwänden. Bei der kroatischen Künstlerin geht es um den Blick und unsere Perspektive auf die Welt, den Alltag, andere Menschen. An einer Stelle fordert sie die Zuschauenden auf, mit der Hand vor den Augen Kniebeugen zu machen. Sie sollen so ihren "persönlichen Horizont" finden.

Die "Übungen", die Štark auf der Bühne mit einem Stuhl vormacht, scheinen mal metaphorische Botschaften, mal humoristische Anspielungen zu sein. Dabei bleibt unklar, welche Arten des Blicks genau die Künstlerin thematisieren möchte. Geht es ihr um Achtsamkeit? Kritisiert sie Voyeurismus? Oder geht es um stereotypisierte gazes, also wertende Blicke, wie etwa den male gaze, den männlichen Blick auf Frauen in der Gesellschaft?

Keine Identitätspolitik

Die Künstlerin selbst sagt dazu: "Ich möchte das Publikum irritieren, es soll sich fragen: Ist das jetzt real oder nicht?" Den Rest überlässt sie den Zuschauenden. "Mias Performance ist eine Mischung aus Technik und Humor", sagt Ana Prvački, serbisch-rumänische Konzeptkünstlerin und Mia Štarks Mentorin. Humor sei auch das, was sie beide verbinde. "Ich wehre mich sehr dagegen, immer nur als Gemeinsamkeit zu sehen, dass wir beide aus Balkanländern kommen. Unsere Arbeit hat nichts mit Politik und Identität zu tun. Ich denke, dass Humor viel wichtiger ist als all das", erklärt Prvački.

Štarks Werk kreist auf eine ungezwungene, lockere Art um Witz und unseren Blick auf die Welt. Sie streift diese Themen in ihrer Rede, scheint sie aber nie richtig zu fassen. Das macht ihre Darbietung leicht aufnehmbar und gleichzeitig so unbefriedigend unvollständig. Es ist eine verwirrend-beeindruckende Performance, die zwischen Humor und Ted-Talk changiert.