Gerhard Richter in Berlin

Eine Ausstellung, über die debattiert werden muss

Die Neue Nationalgalerie in Berlin zeigt erstmals 100 Werke von Gerhard Richter, die der Nationalgalerie von der Stiftung des Künstlers mit einem langfristigen Leihvertrag übertragen worden sind

Neben seiner Geburtsstadt Dresden und dem Wohnort Köln habe der Maler damit "ein neues Zuhause bekommen", sagte Kurator Joachim Jäger. "Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin" soll bis 2026 im Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie gezeigt werden. 

Zentrum dieser Ausstellung ist der Zyklus "Birkenau" aus dem Jahr 2014. In den vier abstrakten Bildern setzt Richter sich mit der Darstellbarkeit der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte auseinander. Der Zyklus basiert auf vier Fotos, die im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau heimlich aufgenommen wurden. Auf zwei der Fotos kann man Abkommandierte erkennen, die Leichen verbrennen, auf dem dritten sieht man eine Gruppe von Frauen, die in Gaskammern getrieben werden. Die verwackelten Baumkronen auf dem vierten Foto verdeutlichen die Gefahr, in die der Fotograf sich begeben hat, um diese Zustände der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Der schiere Horror auf den Fotografien beschäftigte Richter über viele Jahre, bis er einen Weg fand, die Bilder sowohl künstlerisch als auch persönlich zu verarbeiten. Er übermalte die auf Leinwand übertragenen Fotos mit mehreren Schichten Farbe, schabte die Farbe wieder ab, vermischte sie neu. Auf den fertiggestellten Bildern kann man die originalen Fotos nicht mehr erkennen.

"Mit der Ausstellung wird ein Traum wahr"

Die Ausstellung, die den Angaben zufolge in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entstand, zeigt aßerdem Arbeiten aus mehreren Schaffensphasen Richters seit den 1980er-Jahren. Raumgreifende Werke sind dabei wie "4900 Farben" aus 2007, ein Ergebnis von Richters Auseinandersetzung mit Farbfeldern, oder das am Computer entstandene "Strip" (2013/2016). Daneben finden sich ebenso kleinere Arbeiten wie etwa die seit 1986 entstandene Werkgruppe "Übermalte Fotografien". Die Glasarbeit "Schwarz, Rot, Gold" entstand 1999, als Richter für die Eingangshalle des Bundestages die gleichnamige monumentale Wandinstallation aus farbemaillierten Glasplatten realisierte. Richter verstand seine Arbeit mit den Farben der Bundesflagge als Zeichen des Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg.

Richters Kunstwerke werden Besuchern zunächst im Grafischen Kabinett der Neuen Nationalgalerie zugänglich gemacht. Danach wechseln sie langfristig in einen eigenen, Gerhard Richter gewidmeten Raum im Museum des 20. Jahrhunderts, das sich zurzeit unter den Architekten Herzog & de Meuron im Bau befindet. Mit der Ausstellung werde ein Traum wahr, sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger. Die Leihgabe sei Ansporn, das Kulturforum zu einem Ort für die Kunst des 20. Jahrhunderts weiterzuentwickeln. "Gerhard Richters Stiftungsbilder markieren den Beginn einer neuen Zeit für die Nationalgalerie."

Elke Buhr, Chefredakteurin von Monopol, äußert sich auf Detektor FM im Gespräch mit der Moderatorin Yvi Strüwing sowohl lobend als auch skeptisch über Richters gezeigte Werke. Sie schildert auch die Wirkung, die der "Birkenau"-Zyklus auf sie hat. Außerdem ein weiterer Tipp von ihr: Tehching Hsieh, ebenfalls in der Neuen Nationalgalerie: . Elke Buhr erklärt, inwiefern der Taiwaner mit seinen Langzeitperformances alles andere in den Schatten stellte. Sie können den Beitrag direkt hier hören, wenn Sie die Inhalte aktivieren: