Absage der Leipziger Jahresausstellung

"Die Einladung an Krause war eine Provokation"

Hier hätte die Ausstellung stattfinden sollen: das Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei in Leipzig
Foto: Baumwollspinnerei Leipzig

Hier hätte die Ausstellung stattfinden sollen: das Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei in Leipzig

Nach den Protesten gegen den AfD-nahen Maler Axel Krause wurde die Leipziger Jahresausstellung nun ganz abgesagt. Im Interview reagiert Galerist Jochen Hempel, der seine Räume ebenfalls auf dem Gelände der Baumwollspinnerei hat

Die Kontroverse um die Jahresausstellung auf dem Gelände der Baumwollspinnerei Leipzig hat nun zur Absage der gesamten Ausstellung geführt. Gestern Abend hatte der verantwortliche Verein mitgeteilt, dass der AfD-nahe Maler Axel Krause aus der Gruppenschau ausgeschlossen wurde. Außerdem hatte der gesamte Vorstand seinen Rücktritt angekündigt.

Nun soll gar keine Ausstellung stattfinden. Andere Teilnehmer hatten gegen Krauses Einladung protestiert oder ihren eigenen Beitrag ganz zurückgezogen, weil sie nicht mit einem Künstler ausstellen wollten, der unter anderem Mitglied des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ist. In einem neuen Statement des Vereins Leipziger Jahresausstellung von Samstag Nachmittag heißt es nun: "Die Ereignisse der letzten Tage haben zu dieser Entscheidung geführt. Der komplett ehrenamtlich arbeitende Verein sieht sich nicht in der Lage, einen Veranstaltungsablauf wie in den vergangenen 25 Jahren zu gewährleisten. Zudem ist Vereinsmitgliedern, ausstellenden Künstlern, Förderern und Besuchern die (...) stark politisierte und aufgeheizte Situation nicht zuzumuten."

Dazu haben wir mit dem Galeristen Jochen Hempel gesprochen, der die gleichnamige Galerie auf dem Gelände der Baumwollspinnerei betreibt, wo auch die Jahresaustellung stattfinden sollte. 

Jochen Hempel, wann haben Sie von Axel Krauses Teilnahme an der diesjährigen Leipziger Jahresausstellung erfahren? 

Da keiner der von mir vertretenen Künstler an der Ausstellung teilnimmt, habe ich davon erst vor zehn Tagen erfahren, als ich die Einladung erhielt und war ehrlich gesagt geschockt. 

Die auf dem Gelände ansässige Galerie Kleindienst hatte sich im vergangenen August von Axel Krause getrennt. Grund waren seine Facebook-Aktivitäten. Der Galerist Christian Seyde warf ihm vor, rechtsextreme Seiten zu verlinken. Außerdem unterstützt er die AfD*. Der Fall löste eine internationale Debatte über die Freiheit der Kunst aus, die Galerie sah sich Anfeindungen ausgesetzt. Inwieweit ist seine Einladung zur Teilnahme an der Jahresausstellung als Reaktion auf die Entscheidung von Kleindienst zu verstehen? 

Ich habe diese sofort als Affront gegen Kleindienst und letztlich auch gegen die auf dem Gelände ansässigen Galerien verstanden. Wir alle haben uns im vergangenen August mit der Entscheidung von Kleindienst solidarisiert. Axel Krause hat sich bis zum heutigen Tage nicht für die Reaktionen entschuldigt, die sein Umgang mit der Trennung nach sich zog. Es war Axel Krause, der mit der Trennung an die Öffentlichkeit gegangen war. Das Spektrum der Reaktionen reichte von wütenden Anrufen bis hin zu Morddrohungen gegenüber der Galerie Kleindienst.  

Sowohl Sie als auch die Galerie Kleindienst haben ihren Sitz auf dem Gelände der Baumwollspinnerei. Auch die Leipziger Jahresausstellung sollte auf dem Gelände stattfinden, in der sogenannten Werkschauhalle, die für Sonderausstellungen von den Spinnereieigentümern angemietet werden kann. Schadet die Debatte um Krauses Ausstellungsteilnahme nun dem guten Ruf des Geländes und letztlich auch den Spinnerei-Galerien? 

Das ist der Knackpunkt: Wir als auf dem Gelände verortete Galerien haben strukturell und inhaltlich nichts mit dem Verein der Jahresausstellung zu tun. Dennoch wurde etwa ein Artikel zur Problematik in der "Süddeutschen Zeitung", überschrieben mit "Mit Rechten ausstellen", mit einem Bild vom Spinnereigelände bebildert. Das schadet enorm. Ob sich das nun in Besucher- und Verkaufszahlen ausdrückt, sei dahingestellt. Wir als Kulturschaffende hier in Sachsen, werden aber dadurch medial in eine Ecke gestellt, in der wir nicht stehen. 

Haben Sie den Dialog mit dem Vereinsvorstand der Jahresausstellung gesucht? 

Ja, allerdings zu spät. Ich habe erst am vergangenen Freitag mit dem Vorstand gesprochen und ihm zum Rücktritt und zur Absage der Ausstellung geraten. Dadurch, dass die wenigsten Galerien auf dem Gelände Künstler in der Ausstellung haben, haben wir einfach zu spät reagiert. Die Gruppe der teilnehmenden Künstler, die in der vergangenen Woche einen Brief an den Vorstand verfasst hatten, und auch der mediale Druck, waren wichtige Faktoren. Der Verein hätte viel eher reagieren müssen und hat sich zu lange auf seine Satzung und das demokratische Auswahlverfahren bezogen. De facto hätte es Axel Krause als künstlerische Position für die Ausstellung nicht gebraucht. Das Problem ist und bleibt, dass eine einfache Mehrheit der Jury für ihn gestimmt hat. Das war und ist eine deutliche Provokation gegenüber der Entscheidung von Kleindienst sowie den Spinnerei-Galerien. 

 

Hintergrund zur Ausstellung:

Die Leipziger Jahresausstellung wird von einem ehrenamtlich geführten Verein organisiert und findet in einer Werkshalle auf dem Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei Leipzig statt. Strukturell hat sie nichts mit den auf dem Gelände ansässigen Galerien und Künstlerateliers zu tun. Die Halle kann als Ausstellungsort angemietet werden. Die circa 120 Mitglieder des Vereins Leipziger Jahresausstellung sind aufgerufen, bis zu fünf Vorschläge für die Gruppenschau einzureichen. Wer wen vorschlägt, bleibt anonym. Eine Kommission aus Vereins- und Vorstandsmitgliedern sowie Gästen wählt aus. Zu den 36 Künstlern, die eingeladen wurden, zählte in diesem Jahr auch der umstrittene Maler Axel Krause. 

* In einer früheren Version des Artikels hieß es: "Hier [auf Facebook] referiert und verlinkt er rechtsextreme Seiten, unterstützt die AfD." Der Begriff "rechtsextrem" ist keine Einschätzung der Autorin, sondern ist aus einem Interview mit dem Galeristen Christian Seyde zitiert. Wir haben die Stelle präzisiert.