Kanye Wests "Star Wars"-Häuser für Obdachlose

Unbefleckte Tempel des Lichts

Set aus "Star Wars: Episode I" – so könnten Kanye Wests Obdachlosenunterkünfte aussehen
Foto: Bel Adone, via Wikimedia Commons

So könnten Kanye Wests Obdachlosenunterkünfte aussehen: Set aus "Star Wars: Episode I"

Kanye West will Fertighäuser für Bedürftige bauen und hat sich dafür Inspiration auf dem "Star Wars"-Planeten Tatooine gesucht. Seine Entwürfe passen nahtlos in eine Ästhetik des maßlosen Minimalismus 

Mit den Berichten über Kanye Wests entrückte Megalomanie ist es ähnlich wie mit jenen über die kulturelle Aneignung seiner angeheirateten Kardashian-Verwandten: Man begegnet ihnen medial so häufig, dass sie sich zu einem Megamoment zusammenschließen, dem man mit wachsender Abgestumpftheit halb unfreiwillig beiwohnt. Aber es hilft ja nichts, der Rapper und Designer steht laut "Forbes"-Magazine nach Erzfeindin Taylor Swift und Schwägerin Kylie Jenner an dritter Stelle der Prominenten mit den höchsten Einkommen und übt damit einen nicht zu ignorierenden Einfluss auf unsere gegenwärtige Hyperrealität aus – sogar Leonard Cohen setzte sich in seinem Spätwerk mit dem Größenwahn des Rappers und Designers auseinander.

Diesen Einfluss will West jetzt noch vergrößern, indem er Fertighäuser baut, die von Geringverdienenden und Obdachlosen bewohnt werden sollen und deren Architektur von den Häusern auf dem "Star Wars"-Planeten Tatooine inspiriert ist. Offizielle Bilder gibt es noch nicht, aber Zack O'Malley Greenburg, der Prototypen der Häuser im Rahmen einer "Forbes"-Coverstory zu Gesicht bekam, berichtet von gewaltigen, raumschiffartigen Konstrukten. Vielleicht sollen sie auch in den Boden eingelassen und durch Fenster an der Decke mit Tageslicht versorgt werden, da ist sich West noch nicht ganz sicher.

Mit Design die Welt retten

Dass Kanye West Sozialbauten errichten will, verwundert kaum. Nicht etwa, weil er seine Unberechenbarkeit seit Jahren immer wieder durch wirre Auftritte, Solidarisierungen mit Donald Trump und zweifelhafte Aussagen zur Sklaverei beweist. Sondern weil sich sein Vorhaben perfekt in eine ganzheitliche Vision einfügt. Bereist 2013 versprach er bei einem Besuch in Harvard, dass Design die Welt retten werde. Vergangenes Jahr verkündete er auf Twitter, dass er sein Modelabel Yeezy mit Yeezy Home um einen Architekturarm erweitern wolle und suchte nach Architekten und Industriedesignern, die ihm dabei helfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Und auch die Ästhetik der Gebäude ist ganz Kanye: Die verschlissenen, locker fallenden Entwürfe in ausgewaschenen Naturtönen, für die Yeezy bekannt ist, könnten ebenso gut von Tatooine stammen wie Luke Skywalker selbst. Bei der Gestaltung des Wüstenplanets ließ sich Regisseur George Lucas wiederum von den tunesischen Berbern inspirieren, deren kuppelförmige Häuser zum Schutz vor Hitze teilweise in den Fels- und Wüstenboden eingelassen sind. 

Vor circa drei Monaten gewährte ein Vogue-Video erstmals Einblicke in das kurz zuvor für 20 Millionen Dollar renovierte Eigenheim der Kardashian-West-Familie. Zwischen dem Steinway-Flügel aus unbehandeltem Holz, der "White Dark"-Skulptur von Anish Kapoor und den Küchen- und Badezimmerinseln aus Naturstein das große Nichts: das Haus ist voll von leeren Gängen und radikal offenen und karg möbelierten Räumen. Für die Gestaltung des Gebäudes, das Kim Kardashian-West als “minimal monastery” beschreibt, hat Kanye West eng mit dem belgischen Innenarchitekten Axel Vervoordt zusammengearbeitet. Vervoordt, der auch als Galerist und Kunsthändler tätig ist, ist in seiner Arbeit stark beeinflusst von den Ideen des Zen-Buddhismus und der Zero-Kunst. Es verwundert nicht, dass West an seiner puristisch monochromatischen Ästhetik Gefallen gefunden hat.

Gemeinsam haben die beiden eine Antithesis zur "McMansion" geschaffen, ein Tempel des Lichts, der mit seinem Minimalismus locker den Protz der ihn umgebenden Calabasas-Villen überstrahlt. Der Reichtum findet seine Kulmination in der sakralen Leere. Jegliche Oberfläche wirkt hell und empfindlich, trotzdem ist das gesamte Gebäude makellos und unbefleckt. In seinem "Forbes"-Porträt berichtet Greenburg, dass Kratzer im belgischen Stuckfußboden ausschließlich von einem Team europäischer Spezialisten ausgebessert werden können – maximale Abgehobenheit bei absoluter Reduziertheit. 

Kanyes Neo-Gospel

West hat seine bipolare Störung als Superkraft beschrieben, er hat einen Track namens "I am God" veröffentlicht und gibt sich selbst immer wieder den Spitznamen "Yeezus". Wenn Kim in seinen Songs die Rolle der Maria zuteil wird, gibt er sich selbst mit der Rolle des Joseph zufrieden. Seit Januar veranstaltet der Rapper "Sunday Services", bei denen riesige in Yeezy-Entwürfe gekleidete Chöre in spektakulärer Kulisse Gospel-Versionen seiner Songs darbieten. In jene neochristliche Bildwelt fügen sich die höhlenartigen "Star Wars"-Bauten nahtlos ein.

Dass Prominente sich an Architektur und sozialen Wohnbau heranwagen, ist nichts neues. Zuletzt scheiterte Brad Pitt mit seiner "Make It Right Foundation", die Opfern des Hurricane Katrina nachhaltige Unterkünfte bieten sollte und sie stattdessen mit maroden Häusern zurückließ. Es ist unwahrscheinlich, dass Wests Bauprojekt eine bessere Zukunft bevorsteht. Nicht nur, weil Kanye die Inspiration für seine Fertighäuser auf einem von Sandstürmen, Dürre und Kriminalität gebeutelten fiktiven Planeten sucht. Sondern vor allem, weil die meisten Bedürftigen sich wohl eher nach Wohnlichkeit als nach Minimalismus sehnen und monumentale Kargheit ihren Glanz nur durch aufwendige Instandhaltungsmaßnahmen beibehält.

Es geht selten gut, wenn Architekten-Egos schwerer wiegen als reale Wohnbedürfnisse. Und eines ist sicher: Kanye Wests Ego wiegt locker so viel wie der ganze Todesstern.