Medienschau

"Man darf sich nicht an die jetzige Realität gewöhnen"

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Reaktionen auf den geschlossenen Israel-Pavillon in Venedig, Trauer über die verbrannte Börse in Kopenhagen und die Ideologie des Berliner Stadtschlosses: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch


Israelischer Pavillon 

In Venedig öffnet der israelische Pavillon der Künstlerin Ruth Patir nicht wie geplant. Erst, wenn ein Waffenstillstand im Gaza-Krieg und eine Freilassung der Geiseln aus der Hand der Hamas erreicht ist, will sie ihren Beitrag vollständig zeigen (lesen Sie unseren Kommentar dazu hier). Für den "Spiegel" hat sich Ulrike Knöfel mit Patir getroffen und schildert das Gespräch mit einer zerrissenen Künstlerin: "Es ist eine starke und auch eine berührende Geste. Das Statement einer Künstlerin, die eigentlich keine Statements mag, nun aber die Botschaft vermitteln will, 'dass man sich an die jetzige Realität nicht gewöhnen darf'. Sie hält es schlichtweg für unpassend, in diese Realität eine Kunstschau zu setzen, die Kunst muss zurückstehen. Allerdings war die Entscheidung schwer, Patir nennt sie sogar 'schmerzhaft'. Auch jetzt, in den Stunden nach der Ankündigung, wisse sie vor lauter Emotionen kaum, was sie wirklich fühle. Nur sah sie keinen anderen Weg. Lange hätten sie und ihr Team gehofft, dass die Lage im Nahen Osten im April eine andere sein würde."


Nicht weit genug geht die Geste von Ruth Patir hingegen einigen Unterstützern des Boykottaufrufs gegen den israelischen Pavillon. Wie "Hyperallergic" berichtet, äußerte sich der Zusammenschluss Art Not Genocide Alliance (ANGA) in den sozialen Medien und kritisierte die Schließung als ungenügend, da durch das Fenster noch ein Teil der Arbeit zu sehen ist. "Hyperallergic zitiert aus dem Statement: "'Die ANGA applaudiert nicht für leere und opportunistische Gesten, die auf ein maximales Presseecho abzielen und Videoarbeiten der Öffentlichkeit zugänglich machen, während Palästinenser stündlich von Israel getötet werden und Millionen von Menschen von einer Hungersnot bedroht sind', heißt es in einem Teil des Instagram-Statements der Gruppe, in dem sie die vollständige Schließung des Pavillons fordert und betont, dass die Künstlerin und die Kuratorinnen die Ausstellung nur auf Druck von Tausenden von Petitionsunterzeichnern abgebrochen haben."
 

Debatte

Der Architekt und Publizist Philipp Oswalt recherchiert seit Jahren zu rechten Spendern für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und hat darüber nun auch ein Buch geschrieben. Im Interview mit der "Berliner Zeitung" erklärt er, welche nationale Ideologie hinter der Rekonstruktion der Fassade samt aller christlichen Symbole steckt und wie ein Aufbrechen dieser Architektur verhindert wird: "Das Schloss ist das wichtigste Bundesbauprojekt neben dem Reichstag seit 1990: Aber ist die Reproduktion eines Hohenzollernschlosses im 21. Jahrhundert die adäquate Setzung für die heutige deutsche Gesellschaft? Man hat versucht, das mit dem Inneren auszugleichen, mit den außereuropäischen Sammlungen. Das ist eine neokoloniale Instrumentalisierung dieser Kulturen, wenn man damit die preußische Fassade legitimieren und sich als weltoffen darstellen will. Und das Problem mit der Fassade wird man damit nicht los."


Kulturerbe

Der Brand in der historischen Börse in Kopenhagen ist für viele Däninnen und Dänen ein Stich ins architektonische Herz. In der "Zeit" beschreiben Augenzeugen und Anwohnerinnen ihr Verhältnis zu dem markanten Gebäude, das am gestrigen Dienstag durch die Flammen schwer beschädigt wurde. Ikonisch sind schon jetzt die spontanen Rettungsaktionen für das Interieur des Hauses: "Vormittags hatten Menschen noch Gemälde aus dem brennenden Gebäude getragen, darunter ein besonders historisches Skagen-Gemälde von P. S. Krøyer. Es ist unklar, wie viele der historischen Gemälde, Papiere und Bücher der Börse gerettet wurden. Brian Mikkelsen, Geschäftsführer von Dansk Erhverv, dem Eigentümer des Gebäudes, half selbst dabei, die Gemälde aus der Börse zu tragen, zusammen mit vielen spontanen Helfern. Er bezeichnet das Feuer als 'eine nationale Katastrophe'. Dänemarks Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen schrieb bei X: 'Schreckliche Bilder aus Børsen. So traurig. Ein ikonisches Gebäude, das uns allen viel bedeutet. Unser eigener Notre-Dame-Moment.'" In einem Beitrag von "Deutschlandfunk Kultur" wurde indes berichtet, dass hunderte Kunstwerke gerettet werden konnten. 


Ausstellung

Bei der Aufarbeitung der Geschichte der sogenannten "Gastarbeiter" hinkt der deutsche Kunstbetrieb anderen Kulturdisziplinen bisher hinterher. Die Ausstellung "There Is No There There" im MMK Frankfurt am Main will das ändern. Kritikerin Lisa Berins würdigt die Schau in der "Frankfurter Rundschau" als überfällige Analyse eines vernachlässigten Kapitels der Kunstgeschichte. "Die strukturelle Ausgrenzung drängte die Künstlerinnen und Künstler an den Rand des Kunstbetriebs, einige konnten kleinere Erfolge feiern, mit Galerien-Ausstellungen etwa, andere, wenige, waren bei größeren Ausstellungen, unter anderem auch der Documenta in Kassel, vertreten. Im Gros blieb der westlich geprägte Kunstdiskurs aber keinesfalls 'über-', sondern im Gegenteil chronisch 'unterfremdet'. Umso eindrucksvoller ist es nun zu sehen, was der Kunstwelt bisher entgangen ist. Aus einer großen Recherche, die mehrere Hundert Künstlerinnen und Künstler umfasste, haben der Kurator Gürsoy Dogtas und MMK-Direktorin Susanne Pfeffer 30 Positionen herausgefiltert und großzügig im gesamten Hollein-Bau inszeniert. Es ist vor allem eine eindringliche, oftmals drastische, manchmal derbe Bildsprache, die die Besucherinnen und Besucher erwartet."


Film 

Kann man bei allem anhaltenden Frida-Kahlo-Hype noch etwas Neues über die mexikanische Künstlerin erzählen? Nicht wirklich, resümiert Stephanie Caminada, die in der "NZZ" den neuen Dokumentarfilm "Frida" bei Amazon-Prime bespricht. Trotzdem kann sie dem Porträt etwas abgewinnen, da er die Protagonistin selbst zu Wort kommen lässt und einige ihrer Bilder liebevoll animiert. "Die aus den Schriften rekonstruierte Erzählstimme Kahlos spricht offen über ihr turbulentes Leben. Sie erinnert sich an ihre aufmüpfige Kindheit in Mexiko, in der sie sich bereits gegen die patriarchalische Gesellschaft stellte. Sie kleidete sich etwa wie die Jungen in Anzüge. Sie spricht auch über das Busunglück im Alter von 18 Jahren, bei dem sich eine Stahlstange durch ihr Becken bohrte: 'Es war nicht gewalttätig, es war still. Es ist eine Lüge, dass man weint. Ich hatte keine Tränen'. Sie erzählt von den Schmerzen, die sie fortan begleiten, von der Verzweiflung darüber, ans Bett gefesselt zu sein, 'gefangen allein mit meiner Seele'."