Künstler erinnert an abgebrannte Synagoge

"Ein physischer Moment des Innehaltens"

Düsseldorfer Synagoge und Schauspielhaus vor 1938
Foto: © Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf

Düsseldorfer Synagoge und Schauspielhaus vor 1938

Vor 85 Jahren brannten in der Reichspogromnacht die Synagogen - und wurden oft nie wieder aufgebaut. Der Künstler Mischa Kuball erinnert nun an das jüdische Gotteshaus in Düsseldorf. Und sieht sein Werk als Friedenszeichen

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wird die große Düsseldorfer Synagoge angezündet. Die Feuerwehr wird angewiesen, die Flammen nicht zu löschen. Mit ihr brennen in der Reichspogromnacht jüdische Einrichtungen und Geschäfte in ganz Deutschland nieder. Zahlreiche Jüdinnen und Juden werden verschleppt, misshandelt oder getötet. Bis heute sind einige Orte, die damals auf Geheiß der Nazis zerstört wurden, vergessen. 

In Düsseldorf steht heute ein schmuckloser Neubau anstelle der alten Synagoge. Das Einzige, was an die sakrale Architektur erinnert, ist ein dunkler Steinblock. Er steht am Rande des Bürgersteigs. Will man sich die eingravierte Abbildung des historischen Gebäudes anschauen, steht man schon mit einem Fuß auf dem Fahrradstreifen. Daneben rasen die Autos vorbei. Seit Kurzem hat sich aber etwas verändert: Einige Fahrerinnen und Fahrer drosseln unsicher das Tempo. Denn der Straßenabschnitt vor dem Gedenkstein ist hell erleuchtet. Ein Strahler scheint quer über die Straße auf ein großes Transparent, das vor der Fassade des Neubaus hängt. Darauf zu sehen: Ein großes Bild der alten Synagoge. 

"Es ist ein regelrecht physischer Moment des Innehaltens, der hier passiert", sagt der Konzeptkünstler Mischa Kuball. Er hat das Projekt "Missing link_" gestartet, um die nahezu vergessene Synagoge wieder in Erinnerung zu rufen. "Das hier ist eigentlich ein würdeloser Ort, Hunde pinkelten an den Gedenkstein, die gesamte Umgebung wirkte ungepflegt. Mit meiner Installation will ich diesen Ort deutlich aufwerten“, erzählt er. 

Schmerzlich aktuelle Bedeutung

In Anbetracht des Angriffs der Hamas auf Israel scheint das Erinnern an die Novemberpogrome dieses Jahr wichtiger denn je. Das ist aber manchmal gar nicht so einfach. Denn Gedenksteine und -tafeln, haben häufig ein Problem: Sie sind meistens zurückhaltend und verschwinden im Stadtbild. Im schlimmsten Fall werden sie eben zu Hundetoiletten. Eine Lichtinstallation kann da eine größere Wirkung erzielen.

Aber auch Licht ist ein heikles Material. Nicht zuletzt haben es die Nazis für ihre Hetze eingesetzt. Dort stand es für Überwältigung und aggressive Macht. Berühmt geworden ist vor allem der "Lichtdom" von Albert Speer. Bei den Nürnberger Reichsparteitagen der Nazis wurden dafür meterhohe Scheinwerfersäulen in den Himmel geschickt und bildeten so ein immaterielles Monument.

Künstlerinnen und Künstler, die heute mit Licht arbeiten, sollten sich also bewusst sein, welche historische Kodierung dem Material anhaftet, sagt Mischa Kuball. "Ich habe selbst einmal beinahe den Fehler gemacht, mich nicht klar genug davon abzugrenzen", erzählt er. Er habe für ein Projekt in der Synagoge Stommeln Hochleistungsscheinwerfer benutzen wollen, um sie von innen heraus auszustrahlen. Er sei aber rechtzeitig von einem Freund auf die ikonografische Parallele hingewiesen worden und habe dann eine andere Formulierung gefunden.

Statement in der Stadtlandschaft

Die Lichtführung der Düsseldorfer Installation ist zurückhaltend, aber ausreichend, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Vor allem aber ist sie durch den aktuellen politischen Kontext zu einem Statement in der Stadtlandschaft geworden. Ein solches Bekenntnis von der Kunst scheinen gerade viele zu vermissen.

Seit Wochen wird in deutschen Medien eine Positionierung von Kulturschaffenden zum Krieg in Israel und dem Gazastreifen  gefordert. In den USA rief der Brief "Artists for palestine", der in der Kunstzeitschrift "Artforum" publiziert wurde und in seiner ersten Fassung keine Verurteilung des Hamas-Terrors beinhaltete, große Empörung hervor

Viele bekannten Künstlerinnen und Künstler zogen daraufhin ihre Unterschriften zurück. Der Chefredakteur der Kunstzeitschrift, David Velasco, musste wegen des Briefes seinen Posten aufgeben - wogegen es wiederum Proteste gab. In Deutschland hüllten sich bisher viele Kulturschaffende in Schweigen, nur wenige verurteilten öffentlich den Angriff der Hamas. 

Ein zum Frieden aufrufendes Mahnmal

Auch Kuball wünscht sich mehr Stellungnahmen aus seiner Branche. Er selbst habe zwar keinen Brief unterschrieben, mache aber durch Installationen wie in Düsseldorf seine Position klar. Dabei betont er: "Jetzt ist nicht die Zeit des Schweigens. Der Dialog ist das Wichtige. Ansichten können sich ja auch im Laufe der Zeit anpassen und verändern, dafür ist es aber wichtig, miteinander zu sprechen - Nie wieder ist Jetzt!" 

Dass seine Installation, auf der deutlich der Davidstern zu sehen ist, eventuell beschädigt werden könnte, befürchtet Kuball nicht. Es sei bereits eine pro-palästinensische Demonstration an der Installation vorbeigezogen, erzählt er. Die Menschen hätten geschaut, seien aber friedlich weitergegangen. 

Er betont: "Ich bin überzeugt, dass das bewusste Sichtbarmachen von jüdischer Kultur und jüdischem Leben den gemeinsamen Dialog eher verstärken kann". Vielleicht kann die vergessene Düsseldorfer Synagoge also durch die Lichtinstallation ein zum Frieden aufrufendes Mahnmal werden. Denn Dialogräume braucht es in Zeiten des Nahost-Krieges mehr denn je. Künstlerinnen und Künstler könnten diese Räume erschaffen – sie müssen es nur wollen.