Künstler will NFT-Emissionen kompensieren

Mit Feuer gegen Feuer

Medienkünstler Kyle McDonald verkauft drei NFT-Skulpturen, deren Erlös alle bisherigen Emissionen von drei großen Digital-Marktplätzen kompensieren soll. Ergibt das Sinn?

Non-Fungible Tokens, kurz NFTs, klären digitale Besitzverhältnisse. Dafür spielen zwei Prozesse eine wichtige Rolle: Minting und Mining. Das Minting meint die Erstellung eines NFTs und dessen Eintragung auf der Blockchain. Durch Mining entstehen Kryptowährungen wie Bitcoins. Mit diesen werden NFTs meist bezahlt.

Beide Prozesse haben jedoch ein Problem globaler Bedeutung: Sie kosten riesige Mengen an Energie, ihre Klimabilanz ist schlecht. Einer Studie des bekannten NFT Clubs zufolge verbraucht die Blockchain-Registrierung eines NFTs rund 83 Kilogramm CO2. Jedes Mal, wenn jemand für ein NFT bietet, kommen 23 Kilogramm hinzu, jeder Verkauf verbraucht 51 Kilogramm, jeder Transfer 30 Kilogramm und jeder Zweitverkauf 81 Kilogramm. Hinzu kommt das Mining: Ein Institut der Cambridge University hat berechnet, dass allein das Mining von Bitcoins – nur eine von vielen Währungen – mehr Strom verbraucht als Länder wie Argentinien, Pakistan oder Schweden.

Medienkünstler Kyle McDonald, dessen Werke schon im Londoner Victoria and Albert Museum (V&A) oder auf der Ars Electronica in Linz gezeigt wurden, stört sich gewaltig an dem Klima-Problem von NFTs. Schon im vergangenen Jahr widmete sich sein Projekt "Ethereum Emissions" dem Energieverbrauch dieser Kryptowährung. Nun hat er sich vorgenommen, gleich die gesamten bisherigen Emissionen von drei großen NFT-Kunstmarktplätzen zu kompensieren. Dafür will er gewissermaßen Feuer mit Feuer bekämpfen: Unter dem Titel "Amends", was Wiedergutmachung oder Entschädigung bedeutet, hat er drei digitale NFT-Skulpturen geschaffen. Ihre Versteigerung soll insgesamt mindestens 17 Millionen US-Dollar einbringen. Die Arbeiten sind den Angaben des Künstlers zufolge "so bepreist, dass sie die vollständige CO2-Minderung" der Plattformen finanzieren. "Es reicht nicht aus, die Dinge in der Zukunft zu ändern", sagt McDonald. Mit seiner Arbeit wolle er Verantwortung übernehmen.

Heilung hinter Glas

McDonalds NFTs im Videoformat zeigen digitale Skulpturen in der Form kristallklarer Würfel. Im Inneren ist die Simulation von Natur- oder Kunstmaterialien zu sehen. Sie alle versprechen Heilung, stehen für verschiedene Projekte, die große Mengen an CO2 einsparen können. Die Textur der Hüllen sind zu glatt, zu perfekt, um wahr zu sein. Sie vermitteln den Eindruck der irrealen Hyper-Perfektion, von dem die 3D-Ästhetik des jungen Jahrtausends geprägt war. Das Rendering aktueller 3D-Programme kann realistischere Ergebnisse hervorbringen als diese.

Es ist anzunehmen, dass McDonald und Robert Hodgin, der für die visuelle Gestaltung zuständig war, genau diesen Effekt erreichen wollten. Der Betrachter muss sich entrückt fühlen von den gezeigten Materialien. Nicht nur das Glas trennt ihn vom Inneren der Würfel. Auch die grenzenlose Künstlichkeit der Objekte schafft Distanz.

Erst, wenn das Eis schmilzt oder das Glas bricht, kann der Kern, der Heilung verspricht, ins Freie kommen. Bislang scheint dieser Schritt noch weit entfernt. Der Erlös der Werke soll jedoch Projekte unterstützen, die dazu beitragen, dass die Materialien ihre Wirkung entfalten können.

Drei Gründe zur Hoffnung

Die erste der Skulpturen, deren Erlös Emissionen der Plattform OpenSea ausgleichen soll, ist scheinbar mit Olivin, einem grünen Sand, gefüllt. Das Geld geht an Project Vesta. Diese Initiative möchte den natürlichen Prozess der Küstenmineralisierung beschleunigen, indem es Olivin in die Wellen freisetzt. Das soll CO2 binden und den Ozean entsäuern.

Die zweite Arbeit beinhaltet eine digitale Darstellung kohlenstoffreicher Erde. Mit ihrem Umsatz will McDonald die Emissionen der Seite Rarible kompensieren. Das Geld geht an die Organisation Nori, die mit Landwirten zusammenarbeitet, um CO2 im Boden zu versenken. Regenerative Praktiken wie der Anbau von Deckfrüchten und Direktsaat sollen der Atmosphäre pro Hektar Land über eine Tonne CO2 entziehen.

Das dritte Werk ist mit einem 3D-Bild von geschredderten Kältemittelzylindern gefüllt. Das unterstützte Projekt Tradewater will die schädlichsten Treibhausgase finden und zerstören, bevor sie in die Atmosphäre gelangen. Dafür konzentriert es sich auf alte Kältemittel, die über 10.000 Mal stärker sind als CO2. Fünf Millionen Tonnen Kohlendioxid hat die Initiative nach eigenen Angaben dadurch bereits vernichtet. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass noch neun Milliarden Tonnen CO2 vernichtet werden könnten. Das NFT soll Klimaschäden der Plattform Foundation ausgleichen.


Wenn die zukünftigen Besitzer außerdem ihre NFTs zerstören und auf ihre Eigentumsrechte an der digitalen Arbeit verzichten, sollen sie eine physische Variante der Skulptur erhalten. Diese materiellen Arbeiten sollen einen Monat nach dem Start enthüllt werden. Sie bestehen aus mundgeblasenem Glas, für die Produktion ist der Künstler Kazuki Takazawa verantwortlich.

Klarer könnte McDonald die vieldiskutierte Frage, welchen Wert digitale Objekte wie NFTs haben können, kaum beantworten. NFTs scheinen für ihn Mittel zum Zweck zu sein. Mithilfe ihres Verkaufs möchte er die Schäden beseitigen, die durch NFTs erst angerichtet wurden – nicht mehr und nicht weniger. Wenn die digitalen Objekte ihren Nutzen erfüllt haben, können sie weg und werden durch das physische Gegenstück ersetzt.

Besser, aber trotzdem schlecht

Mit NFTs gegen NFT-Schäden: Diese Idee fußt auf der Annahme, dass bald alles besser wird. Bislang ist der sogenannte Proof-of-Work-Algorithmus Standard in der Krypto-Szene. Ein anderes Modell, Proof-of-Stake genannt, verspricht deutlich reduzierte Emissionen. Die Etherum-Blockchain verabschiedet sich nun von Proof-of-Work. Einem Forscher der Ethereum Foundation, Carl Beekhuizen, zufolge soll der Energieverbrauch von Etherum bald um 99,95 Prozent sinken. Das hat McDonald offenbar Hoffnung gemacht und zu dem Projekt inspiriert. Er sagt: "Wenn Ethereum sich von Proof-of-Work verabschiedet, wird Amends in den Verkauf gehen."

Hoffnung war schon oft Bedingung für positive Entwicklungen. NFTs sind wohl gekommen, um zu bleiben. So ist es erfreulich, dass sie der Erde nun bald weniger stark einheizen könnten. Außerdem macht McDonalds Kunst auf ein Thema aufmerksam, das im Krypto-Rausch häufig in den Hintergrund gerät.

Der Nutzen von Projekten zur CO2-Kompensation ist jedoch umstritten. Immer wieder wird beispielsweise kritisiert, dass sich Klimaprobleme nicht wegkaufen lassen und Aktionen wie diese die Technologie lediglich "reinwaschen" sollen. Zudem erzeugt auch die Proof-of-Stake-Technik Emissionen — genau wie McDonalds Werke für den guten Zweck. Weiterhin nähert sich die Klimakatastrophe auch mit jedem gehandelten NFT.