Antifa-Posse in Chemnitz

"Auch in Deutschland ist die Kunstfreiheit bedroht!"

Peng! Kollektiv gibt 10.000 Euro Steuergeld an Antifa im Rahmen des Festivals "Gegenwarten" in Chemnitz
Foto: Peng! Kollektiv

Peng! Kollektiv gibt 10.000 Euro Steuergeld an Antifa im Rahmen des Festivals "Gegenwarten" in Chemnitz

Sie werfen Torten, helfen Geflüchteten und provozieren Lobbyisten: Nika Blum, die Sprecherin des Peng!-Kollektiv, über das umstrittene Antifa-Projekt in Chemnitz, über "Cancel Culture" und Dilettantismus

Nika Blum, nach einem verwirrenden Hin und Her wurde das Projekt "Antifa – Mythos und Wahrheit" letztendlich doch Teil der Ausstellung "Gegenwarten | Presences", die am vergangenen Samstag in den Kunstsammlungen Chemnitz eröffnet wurde. Wie kam es zu dem Missverständnis ... oder handelte es sich vielleicht doch um eine geschickte Öffentlichkeitsinszenierung?

Weder noch. Es war tatsächlich ein Rauswurf. Ein Treffen am Freitag endete mit der Ansage: "Die Ausstellung kann so nicht in den Kunstsammlungen stattfinden, sucht euch bitte einen anderen Ort." So sind wir aus dem Treffen herausgegangen und in Anbetracht des Zeitdrucks sind wir damit direkt in die Öffentlichkeit herangetreten, haben eine Pressemitteilung geschrieben und wissen lassen: "Fuck, wir werden in aller letzter Minute hier rausgeschmissen."

Weswegen?

Wegen des Neutralitätsgebots, wegen der Hufeisentheorie, wegen des politischen Drucks. In einem Wandtext hatten wir CDU, FDP und AfD als diejenigen benannt, die die fatale Gleichsetzung von rechts und links immer wieder vornehmen. Die Nennung von Parteien war für die Kunstsammlungen nicht in Ordnung. Die Kritik an den Parteien, die ein Kernproblem bei der Repression antifaschistischer Arbeit ist, sollte zensiert werden. Darauf konnten wir uns nicht einlassen. In der Pressemitteilung haben wir zum wiederholten Mal deutlich formuliert, dass wir eigentlich eine gute Zusammenarbeit mit Frédéric Bußmann hatten – bis zu unserem Gespräch – und dass wir vermuten, dass die Institution da unter politischem Druck stand, so eine Forderung überhaupt in den Raum zu stellen. Nachdem wir mit der Pressemitteilung rausgegangen sind, brodelte das auf Twitter hoch. Dann riefen die ersten Journalistinnen bei der Stadt an, die sich wiederum mit den Kunstsammlungen verständigt hat. Und dann haben wir eigentlich erst über Twitter erfahren, dass wir doch reindürfen und die Ausstellung wie geplant stattfindet. Mit den Parteinamen. Die waren das Streitthema. In dem vorhergehenden Gespräch am Freitag haben wir allerdings deutlich gemacht, dass wir es nicht verantworten können gegenüber den Leuten, die wir wiederum im Rahmen unseres Projektes ausstellen.

Druck über die Öffentlichkeit funktioniert. Peng! setzt allgemein viel Wert auf Medien und visuelle Repräsentation, oder?

Definitiv. Die Öffentlichkeit, die Pressearbeit sind immer auch Teil des Kunstwerks. Die Rezeption in der Presse, wie in der Folge politische Gegnerinnen reagieren und wie wir darauf wiederum antworten. Das ist alles Teil des Werks. Die Aktion in der aktuellen Ausstellung endet nicht mit den 10.000 Euro, die verschoben worden sind, sondern es geht immer auch um die mediale Auseinandersetzung. Trotzdem würden wir nicht bewusst mit unseren Kooperationspartnern ein falsches Spiel spielen. Es ist zwar nachvollziehbar, dass von außen dieser Eindruck entstehen kann, aber das ärgert uns aktuell eher. Es gab Pannen in der Kommunikation, auch unsererseits. Dennoch haben wir versucht, von Anfang an offen zu kommunizieren: Was haben wir vor? Was wollen wir damit erreichen? Was für eine Reaktion erwarten wir? Was für Trigger bauen wir ein?

Und ein Trigger führte zur unerwarteten Eskalation …

Leider! Und es ist sehr schade, dass es so eskaliert ist, weil wir als Kollektiv eigentlich gemeinsam mit den Kuratorinnen und den Kunstsammlungen Chemnitz den Kampf gegen rechts führen möchten. Umso mehr freuen wir uns natürlich, dass wir das jetzt doch gemeinsam durch- und an einem Strang ziehen. Es folgt die Auktion am kommenden Samstag (22.08.) und die ganze Ausstellung ist noch zweieinhalb Monate zu sehen. Gegen das juristische Vorgehen der AfD werden wir ebenso gemeinsam vorgehen müssen. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag hat angekündigt, die Fraktion werde Strafanzeige wegen Subventionsbetrugs gegen uns stellen. Ein weiterer Abgeordneter hat eine Kleine Anfrage zu unserer Aktion und dem Festival gestellt. In rechten Online-Foren wird Stimmung gegen die Veranstaltung am Samstag gemacht. Es gibt also andere Kämpfe, die wir nun gemeinsam führen müssen. 


Peng! ist gerne explizit. Ob es die genannten Parteien in der Ausstellung sind oder die Aufforderungen in einigen eurer vergangenen Aktionen. Halten Sie das Vage und das Mehrdeutige nicht für eine zeitgemäße Eigenschaft für die Kunst? 

Es ist auf jeden Fall nicht unser Stil. Unser Stil ist sehr plakativ in der Hinsicht. Ein sehr konkreter und auch einer, der klare Handlungsanweisungen gibt. Wir können zum Beispiel ziemlich genau benennen, was wir von der Politik fordern. Was sich ändern muss. Das würden wir jetzt aber nicht generell auf die Kunst beziehen. Ich mag zum Beispiel auch Kunst, die sehr assoziativ arbeitet, viel freier ist und viel mehr Raum für Interpretation lässt. Also, das kann man nicht so universell anwenden. 

Verfolgt das Peng!-Kollektiv Ideale? 

In all den Jahren haben wir uns zumindest nicht hingesetzt und ein Manifest aufgeschrieben. Aber natürlich gibt es vieles, das uns verbindet. Gewaltfreiheit ist ein Grundsatz, den wir in all unseren Aktionen verfolgen. Wir haben einen kollektiven Ansatz, in dem es keine Mehrheits-, sondern Konsensentscheide gibt. Wir wollen Machtverhältnisse und Diskriminierungsstrukturen aufbrechen. Es gibt viele Ideale, die uns verbinden, aber keine ausformulierte, politische Linie in dem Sinne.

Für wen macht Peng! Kunst? 

Das ist eine gute Frage. Auch das ist von Aktion zu Aktion unterschiedlich. Bei der Antifa-Aktion hatten wir uns überlegt, ein bürgerliches, linksliberales Kunstpublikum zu adressieren. Menschen, die sich selbst zwar als links verstehen, aber Antifa verteufeln. Die selbst nie die Erfahrungen gemacht haben, sich in Antifa-Gruppen zu organisieren oder niemanden kennen, der in den Strukturen arbeitet. Jene, die ihr Bild und Verständnis von Antifa und antifaschistischer Arbeit nur aus den Medien gewinnen. Deshalb haben wir gezielt versucht, in die Feuilletons zu kommen – damit wir da genau diese Zielgruppe erreichen können. 

Also ein typisches Kunstpublikum? 

Das ist aber nicht bei jeder Aktion so. Wir versuchen immer auch andere Gruppen zu erreichen. Im Rahmen der Antifa-Aktion ließen wir den kompletten Webseiten-Inhalt in leichte Sprache übersetzen, damit es eben auch für Leute, die leichte Sprache lesen und Medien in leichter Sprache konsumieren, zugänglich ist. Das ist ein strukturelles Problem: Es gibt sehr wenig Material a) zu Kunst und b) zu Aktivismus und den politischen Zusammenhängen in leichter Sprache. Da wird erst mal erklärt, was ist eigentlich Rassismus und woran glauben Leute, die rassistisch denken. Und worin besteht der Unterschied zu Antifaschismus? Das ist ein spannendes Experiment. Und ich hoffe, dass wir auch damit noch mal eine neue Zielgruppe erreichen können. 

Die Freiheit der Kunst scheint weltweit gefährdet zu sein. Handelt man in Deutschland in einem privilegierten Kunstfreiheitsrahmen? 

Auch in Deutschland ist die Kunstfreiheit bedroht! Die AfD versucht derzeit, Kunst zu entpolitisieren und hat letztes Jahr im sächsischen Landtagswahlkampf Plakate aufgehängt mit der Aufschrift: "Kein Cent für politische Kunst!" Der Druck einer starken AfD im Sächsischen Landtag ist auch in den Kulturinstitutionen spürbar. Das Festival in Chemnitz ist massiven Anfeindungen in der Stadt ausgesetzt. Erst gestern wurde das Werk von Roman Signer, ein halbversunkenes Auto im Schlossteich, demoliert. Wir halten es für umso wichtiger, dem entgegenzusteuern und freuen uns umso mehr, dass eine Institution wie die Kunstsammlungen so mutig ist, den Raum für eine klare politische Position wie unserer zur Verfügung zu stellen

Ihre Antwort beginnt damit, dass die Kunstfreiheit von rechts bedroht sei. Aus dem rechten Spektrum kommt genau die Gegenthese: Die Freiheit der Kunst sei von links gefährdet, unter anderem durch so genannte "Cancel Culture". Ist die Kunst auch durch linken Aktivismus eingeschränkt?

Also erstmal muss man sich immer vergegenwärtigen, dass unsere Kultur und unsere Gesellschaften eine lange Tradition des Kolonialismus und Rassismus haben. Jahrhundertelang haben wir andere Kulturen, Perspektiven und Lebensweisen gewalttätig unterdrückt und ihnen unsere Perspektiven aufgezwungen. Unsere europäischen Kulturen sind hegemoniale Kulturen. Das darf man nie vergessen! Die Kunstfreiheit baut auf den Grundrechten aller Menschen auf. Wer antisemitische Witze macht, verstößt gegen die Grundrechte und vor allem gegen den absoluten Grundsatz "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Die Freiheit der Kunst ist nicht von links gefährdet. Ich meine, seit wie vielen Jahrzehnten werden denn überhaupt BIPoCs (Black, Indigenous, People of Color) und Frauen zu Kunstausstellungen eingeladen und dürfen sich selbst repräsentieren und ihre Perspektiven in künstlerischen Arbeiten zeigen? Wie lange sind denn diese Identitäten im öffentlichen Raum sichtbar? Noch nicht lange! Und das soll jetzt schon wieder zu Ende sein? Die Rechten führen einen harten Kunst- und Kulturkampf, weil Kunst als einen Bereich unser kollektives Gedächtnis prägt. Und die Rechten wollen den so frisch geöffneten Raum wieder für alle anderen schließen. Es soll wieder ein völkisch-nationaler Raum werden. Aber nicht nur die Rechten sind das Problem, sondern die weiße Mehrheitsgesellschaft, die genauso stark um den Erhalt ihrer Machtposition und ihrer Deutungshoheit kämpft. Und da können wir nur sagen: Nein! Das ist vorbei! Und wenn wir es nur schaffen, diesen Raum offen zu halten und zu erneuern, indem wir aktivistisch tätig werden, für das Absagen von diskriminierenden Veranstaltungen kämpfen und vor Ort die Veranstaltungen stören ... Na klar, sehr gerne und immer wieder!

In welchem Maße stellt Globalisierung für Ihre Auseinandersetzung einen Segen dar? Oder eher einen Fluch? 

Am globalisierten Kapitalismus arbeiten wir uns häufiger ab. Wir haben auch eine Kampagne zu globalen Lieferketten gemacht. Dafür arbeiteten wir mit der These: Die Supermärkte, auch die deutschen Supermärkte, bestehlen den globalen Süden, indem sie Hungerlöhne zahlen, Gewerkschaften verhindern und Menschenrechte missachten. Deshalb ist es legitim, als deutsche Verbraucherinnen wiederum von Supermärkten zu stehlen und das gesparte Geld direkt an NGOs oder Gewerkschaften aus dem Produktionsland weiterzuleiten. Wir haben also einen großen Aufruf zu Ladendiebstahl gestartet: "Geh’ in den Supermarkt und klau’ eines dieser acht Produkte." Auf unserer Webseite konnten die Leute über eine Art Onlineshop zusammenklicken, was sie gestohlen hatten und das gesparte Geld direkt an eine Gewerkschaft aus Ghana, Ecuador oder Brasilien zahlen. Kapitalismuskritik verbindet viele unserer Aktionen, auch wenn die Themen sehr unterschiedlich gelagert sind.

Peng! wird gerne in das Genre der Aktionskunst oder politischen Kunst eingeordnet. Wie halten Sie es mit solchen Zuordnungen? 

Das darf wirklich jede und jeder für sich entscheiden. Dass wir generell irgendwann als Kunst gelabelt wurden, war eine Fremdzuschreibung. Wir sind gar nicht so gestartet, wir haben uns eher als aktivistisches Kollektiv verstanden. Dann merkten wir aber schnell, wie viel Spaß wir daran haben, die Kampagnen zu ästhetisieren, bestimmte Kunstformen auszuprobieren, Elemente aus dem Theater zu nehmen, aber uns auch aus dem Produktdesign zu bedienen. Aber wer darin jetzt was sieht… Also es gibt auch Kunstprofessorinnen, die ganz klar sagen: "Das ist keine Kunst!" Das ist uns alles recht. 

In welchem Verhältnis stehen Sichtbarmachung und der Aufruf zum Mitmachen zueinander?

An unsere Arbeiten erheben wir immer den Anspruch, dass sie neben dem Beschreibenden auch immer etwas Eingreifendes haben. Wie jetzt in der Antifa-Ausstellung. Wir zeigen nicht nur die zehn Exponate und legen damit dar "OK, Antifa ist mehr, als Steine werfen", sondern gleichzeitig verschieben wir 10.000 Euro aus öffentlichen Mitteln an Antifa-Gruppen. Das ist für uns ein wichtiges Element, Einwirkung auf die Realität. Bei der Supermarkt-Kampagne war es auch so. Klar, du kannst zum 20000. Mal darauf aufmerksam machen, dass in Bangladesch Menschenrechtsverletzungen auf der Tagesordnung stehen und dass die mit unserem Konsum zu tun haben. Oder du bietest eine partizipative Möglichkeit zum Mitmachen, die in die Realität eingreift, auch wenn sie am Ende natürlich nicht DEN Unterschied macht. In der Hinsicht machen wir uns nichts vor: Das Geld, das zusammenkommt für die Gewerkschaften im Globalen Süden, ändert deren Situation nicht langfristig. Aber es bringt eine ganz andere Aufmerksamkeit und etwas Empowerndes für die Leute. Damit sie unsere politische Kampagne nicht nur konsumieren, sondern Teil werden, sie reflektieren und Komplizinnen werden können. 

Als Anregung und weniger als konkrete Aufforderung?

Ja, genau. Das ist eh unser Ding, wir sagen ja: Wir brauchen mehr zivilen Ungehorsam! Ziviler Ungehorsam ist leicht! Kommt, macht mit!

Und ist diese radikale Forderung ein Ziel oder ein Mittel? 

Ein Mittel. Auf jeden Fall. Das Ziel wäre dann eher die Aufhebung des Kapitalverhältnisses und zwar mit alldem, was es an Ausbeutung, Armut, Ungleichheit und Entfremdung mit sich bringt

Die Interventionen von Peng! richten sich häufig gegen Unternehmen oder spielen mit der Hybris, die manchen dieser Unternehmen anhaftet. Manche Aktionen bedienen sich der Funktionsweisen institutioneller Kräfte. Sehen Sie in Institutionen eher Mit- oder Gegenspielerinnen? 

Das hängt immer von der Institution ab, da gibt es ja ganz unterschiedliche. Zum Beispiel: Die Institution Verfassungsschutz ist ein Gegenspieler. Gehört eher abgeschafft. 

Warum? Auch aus dem rechten Spektrum werden Institutionen heftig kritisiert und deren Abschaffung gefordert. Ist es nicht auch wichtig, Institutionen gerade in dieser Zeit zu stützen und mitzugestalten?

Der Verfassungsschutz hat sich mit seinem V-Mann-System selbst absolut disqualifiziert. Ich meine, er hat in den letzten 30 Jahren mit seiner tollen Nazi-Förderung Nazi-Strukturen nicht nur finanziell unterstützt, sondern überhaupt die Netzwerke aktiv mit aufgebaut. Wie kann man so eine Institution tragen? Wie kann es sein, dass so eine Institution überhaupt noch staatlich gedeckelt ist und als "Sicherheitsorgan" operieren darf? Der NSU hat das Handeln und die Logik der Verfassungsschutzbehörden aufgezeigt. Und so viele weitere Beispiele auch: Hanau, Halle, der Mord an Lübcke, Amri, die rechtsextremen Anschlagserien in Neukölln, die Polizeigruppe NSU 2.0 … Der Verfassungsschutz ist antidemokratisch, er kooperiert nicht, er klärt nichts auf, er hält sich nicht an das Grundgesetz und an die Menschenrechts-Charta – es ist eine eigene autokratische Parallelwelt, die auch noch staatlich legitimiert ist. Und sowas sollte es in Demokratien nicht geben. Und die gleichen Aspekte betreffen auch die Polizei, die sich immer mehr verselbstständigt hin zur reinen "Law & Order"- Institution. Warum sollten wir unsere Institutionen unterstützen und supporten, wenn sie diskriminierenden Logiken folgen? Die Kritik an den Institutionen ist berechtigt und die Rechten und Nazis kritisieren die Institutionen für andere Gründe als die Linken, BIPoCs, Trans- und Homosexuelle und Frauen. Wir, die Linken, kritisieren sie dafür, dass sie die Menschen- und Grundrechte nicht wahren und nicht umsetzen, sondern nach wie vor unterdrücken, schikanieren und Ausschlüsse produzieren. Die Rechten kritisieren die Institutionen dafür, dass sie noch nicht rassistisch genug sind. Das darf man bei dieser Gleichsetzung nie vergessen. 

Und die Mitgestaltung?

Natürlich ist es wünschenswert, Institutionen mitzugestalten und in ihren Logiken zu verändern. Aber das ist ein sehr langer Prozess und er ist wahnsinnig schwerfällig, weil Institutionen sehr langsam und widerspenstig sind. Wir unterstützen gerne die Institutionen, wenn sie sich endlich an unsere Verfassung halten und sich selbst reflektieren. Und auch hier, dass sich die Institutionen gewandelt haben, liegt nicht an ihnen, sondern an den vielen Menschen mit sehr langem Atem und mit viel Kraft, die sie verändert haben und aktuell verändern. Ich habe erst heute ein tolles Video-Interview mit Aminata Touré von den Grünen gesehen, die Vizepräsidentin des Landtags in Schleswig Holstein ist. Sie sagt "Ich selbst habe gesagt, ich werde Sprecherin für Antirassismus-Politik sein." Und ihr wurde begegnet: "Diese Position gibt es nicht." Und da sagte sie, so taff wie sie ist: "Doch, jetzt gibt es sie!" Sie ist eine von Tausenden, die in den Institutionen jeden Tag kämpfen.

Aber gibt es Institutionen, die Ihnen zuspielen? Sie haben selbst erwähnt, so eine Ausstellung muss ja auch gefördert werden …

Klar. Wir werden institutionell gefördert und wir verstecken das auch nicht. Wir versuchen aber, zumindest im Kollektiv immer zu reflektieren: Von wem nehmen wir Geld an, von wem nicht? Und was machen wir mit dem Geld, das wir da annehmen? Wenn wir mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden, versuchen wir daraus Aktionen zu spinnen, die sich gegen die öffentliche Institution wenden oder damit auseinandersetzen. Im aktuellen Beispiel nehmen wir sächsische Steuergelder, geben sie antifaschistischen Gruppen und kritisieren damit unter anderem die Finanzpolitik der Sächsischen Landesregierung. Die hat es in den letzten 30 Jahren versäumt, genau an diese Stelle öffentliche Gelder zu leiten und hat damit auch dafür gesorgt, dass die AfD bei der letzten Landtagswahl in Sachsen 27 Prozent der Stimmen einfahren konnte. Aber auch in der Vergangenheit haben wir unsere Financiers berücksichtigt: Als wir eine Förderung von der Kulturstiftung des Bundes bekamen, haben wir damit Aktionen gemacht, die sich gegen die Bundeswehr, gegen die Waffenexportpolitik der Bundesregierung und gegen das Bundesarbeitsministerium gerichtet haben. 

Auch als Sie die gefälschten Briefe im Namen von Heckler & Koch verschickt haben, dachte sich manch einer nur: Hui ui ui, wie konnte das nur gutgehen? Der Schauspieler Anton Gernot, Mitglied Ihre Kollektivs, hat mal geäußert, dass Dilettantismus für ihn im Zusammenhang mit Peng! eine wichtige Rolle spielt. Halten Sie Dilettantismus für eine Erscheinung in der Kunstwelt und des Aktionismus oder zieht sie sich durch andere, vielleicht sogar alle Lebensbereiche? 

Vermutlich ja, aber es gibt halt niemand zu. Und wir kokettieren damit. Wir sind in keinem Metier "vom Fach". Wir kommen nicht aus der Kunstwelt, wir kommen aber auch nicht aus der Politik. Überall dilettieren wir ein bisschen rum und versuchen da trotzdem viel rauszuholen. Auch in unserer Pressearbeit haben wir wahnsinnig viele Fehler gemacht: schlechte Interviews geführt, vergessen jemanden anzurufen, vergessen eine Pressemitteilung zu schreiben, das Pressehandy aufzuladen. Wir dilettieren uns da eben so hin. Wir geben das dann lieber zu und versuchen keinen großartig elitären Anspruch zu erheben, sondern offen zuzugeben: Das ist vielleicht dilettantisch, aber wir haben uns das alles selbst beigebracht. Und du kannst das auch. Jeder kann das auch!