Elsa Schiaparelli und die Surrealisten

Gehört der Schuh auf den Kopf? Wohin sonst?

Eine Retrospektive in Paris feiert die Modeschöpferin Elsa Schiaparelli für ihre Kollaborationen mit den Surrealisten, den Mut zur Grenzüberschreitung und die Farbe "Shocking Pink"

Wenn es darum geht, auf dem roten Teppich aufzufallen, kommt neuerdings für eine Lady Gaga, Beyoncé, Adele oder Tilda Swinton nur das Modehaus Schiaparelli in Frage. Aber wofür steht eigentlich diese historische Maison, die über Jahrzehnte nicht aus dem Winterschlaf herausfand? Das erfährt man jetzt im Musée des Arts Deécoratifs in Paris in der Ausstellung "Shocking! Les mondes surréalistes d’Elsa Schiaparelli", die den aktuellen Hype um den einstigen Mode-Punk eindrücklich zu begründen weiß.

Da wären etwa Filmaufnahmen und Fotos eigenwilliger Berühmtheiten, die den speziellen Look bereits zu Lebzeiten der Meisterin zu schätzen wussten: Mae West, Katherine Hepburn, Gala Dalí, Greta Garbo oder Wallis Simpson. Sie alle sind in den auffälligen, wenn auch sicherlich nicht bequemen Roben zu sehen. Flankiert von dem 1937 lancierte Parfum "Shocking" in einem Flakon, das die Form einer weiblichen Büste nachahmt - Frida Kahlo war angeblich begeistert. 212 Originalentwürfe gesellen sich dazu, einer dramatischer als das andere, flankiert von Porträts, Skulpturen, Keramiken und der Rekonstruktion des märchenhaften Parfümkäfigs, den der Designer Jean-Michel Frank für die Ladenfront entwarf.

Accessoires aus Plexiglas? Alles schon da gewesen.  Gedruckte Papieranzüge, die eine Collage aus Presseausschnitten wiedergeben? Nicht wasserdicht, aber für Schiaparelli kein Grund zum Umdenken. Mit dieser ökonomievergessenen Verspieltheit schaffte es die Markengründerin in den 1930er-Jahren zur Star-Couturière und schmückte 1934 sogar das Cover des "Time"-Magazins.

Je exzentrischer, desto besser

Für gepflegte Langeweile hatte die italienische Aristokratin nichts übrig. Ihr Mantra? Je exzentrischer, desto besser, womit sie all die bad boys von Jean-Paul Gaultier bis zu Alexander McQueen vorwegnahm. Ideen für ihre Entwürfe lieferten nicht selten Künstler, von ihnen fühlte sie sich verstanden und ignorierte immer wieder die Spielregeln, die man zu beachten hatte, um ein sündhaft teures Kleid an eine nur selten zu Scherzen aufgelegte High-Society-Klientel verkaufen zu können.

Aufgemalte Hummer oder Skelett-Applikationen und ein Hut in Form eines Schuhs gingen auf das Konto von Salvador Dalí. Jean Cocteau geizte nicht mit Motiven für Stickereien und entwarf auch Broschen. Eine bizarre Spiralbrille steuerte Man Ray bei. Alberto Giacometti und Meret Oppenheim fielen kuriose Armreifen ein. Yves Saint Laurent beschrieb Schiaparelli später als barbarische Königin, Tyrannin, Zarin: "Sie wollte nicht gefallen, sie wollte dominieren."

Und wie schafft man das in einer Männerbranche als einzige Frau neben Coco Chanel? Mit der Erfindung einer Farbe, einem grellen Magenta, genannt "Shocking Pink" – eine Agenda, die natürlich gerade heute im multiplen Kampf um die Aufmerksamkeit gut ankommt.

Vive Schiaparelli!

Nicht so jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Markt für tragbare Experimente eingebrochen war. Die Avantgardistin verlor den Anschluss an die neue Biederkeit und gab ihr Geschäft 1952 auf. 60 Jahre später sorgte der italienische Geschäftsmann Diego Della Valle, Chef von Marken wie Tod’s, Hogan und Fay, für eine Renaissance, indem er 2007 die Rechte erwarb.

Seit April 2019 trifft der neue Chefdesigner Daniel Roseberry den möglichst "schockierendsten" Ton: von optischen Täuschungen über lebensechte Abbildungen von Körperteilen bis zu Schmuck in Form von Zähnen und Augen. Diese Neuinterpretationen lassen am Ausgang keinen Zweifel: Vive la différence! Vive Schiaparelli!