Die Documenta Fifteen im Sommer 2022 ist den meisten wohl vor allem wegen des "Antisemitismus-Skandals" in Erinnerung. Inzwischen fungiert die Ausstellung vor allem als Chiffre mit unterschiedlicher Aufladung. Die einen benutzen den Begriff Documenta – leicht verkürzt gesagt – als Beweis für einen vermeintlich antisemitischen Kunstbetrieb, den man einhegen muss. Die anderen sehen die Ereignisse in Kassel als Fanal für eine rassistische deutsche Mehrheitsgesellschaft, die Antisemitismus auf den "Globalen Süden" projiziert und sich dadurch der Verantwortung für koloniale Verbrechen entzieht.
Knapp drei Jahre nach der Schau erscheinen zwei ausführliche Analysen der Ereignisse: "Kunst im Streit. Antisemitismus und postkoloniale Debatte auf der Documenta Fifteen", herausgegeben von Heinz Bude und Meron Mendel, und "Anstößige Bilder. Gesellschaftskampfspiele um den Documenta-Fifteen-Skandal" von Michael Hutter. "Jenseits von Anklage und Verteidigung" versuchen die Autoren, das soziale Spannungsfeld auszuloten, in dem die Debatte um die Documenta stattfand und immer noch nachwirkt.
Über ihre Zugänge und Forschungsergebnisse zu dem Thema diskutieren die Soziologen Heinz Bude und Michael Hutter mit Monopol-Redakteurin Saskia Trebing am Montag, 28. April, ab 18 Uhr im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) am Reichpietschufer. Gemeinsam nehmen die Autoren mediale Kommentare und akademische Expertisen unter die Lupe und fragen, wie Kunst, die in der Gesellschaft stört und auch stören will, wissenschaftlich beobachtet und beurteilt werden kann.