Proteste und Absagen

Wie die russische Kunstwelt auf den Ukraine-Angriff reagiert

Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Bild zeigt wie Polizisten einen Teilnehmer einer Mahnwache gegen Russlands Militäroperation in der Ukraine auf dem Puschkin-Platz festnehmen
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Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Bild zeigt, wie Polizisten einen Teilnehmer einer Mahnwache gegen Russlands Militäroperation in der Ukraine auf dem Moskauer Puschkin-Platz festnehmen

In Russland formiert sich vorsichtiger Protest gegen den Einmarsch in die Ukraine. Künstlerinnen, Künstler und Museen sagen Ausstellungen ab. Auch der russische Pavillon der Venedig-Biennale wird leer bleiben

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat zu ersten Reaktionen von russischen Kulturschaffenden geführt. So wollen die Künstlerin Alexandra Sukhareva, der Künstler Kirill Savchenkov und der Kurator Raimundas Malašauskas nicht wie geplant den russischen Pavillon auf der diesjährigen Venedig-Biennale bespielen. Sukhareva und Savchenkov erklärten am Sonntag in einem gemeinsamen Beitrag in den sozialen Medien, dass die politische Situation in der Ukraine sie dazu veranlasst habe: "Es gibt keinen Platz für Kunst, wenn Zivilisten unter dem Beschuss von Raketen sterben, wenn sich ukrainische Bürger in Bunkern verstecken und wenn russische Demonstranten zum Schweigen gebracht werden."

In einer separaten Erklärung schrieb Kurator Malašauskas, dass er sich als Litauer, der bis zur Unabhängigkeit seines Landes von  der Sowjetunion 1990 als Sowjetbürger aufgewachsen ist, nicht in der Lage fühle, den Pavillon weiter zu organisieren. "Dieser Krieg ist politisch und emotional unerträglich", schrieb er. "Der russische Pavillon wird geschlossen bleiben", erklären unterdessen auch die Veranstalter in einem Beitrag auf Instagram. Die Biennale soll Ende April eröffnen. Die Biennale-Leitung rief vergangene Woche zum Frieden auf: "Wir hoffen, dass die internationale Diplomatie die Kraft findet, in kürzester Zeit eine gemeinsame friedliche Lösung zu finden."

Oligarchen-Museen bleiben geschlossen

In Russland selbst reagieren einige Museen mit Schließungen. Das private Moskauer Museum Garage will keine Ausstellungen mehr zeigen, solange der Ukraine-Krieg andauert. In einer Mitteilung nennt das Museumsteam die Ereignisse in der Ukraine eine "menschliche und politische Tragödie": "Wir können nicht die Illusion von Normalität unterstützen, wenn solche Ereignisse stattfinden. Garage war schon immer eine internationale Institution, die offen für eine Vielzahl von Stimmen ist. Wir sind kategorisch gegen alle Aktionen, die Spaltung säen und Isolation schaffen. Wir sehen uns als Teil einer größeren Welt, die nicht durch Krieg geteilt ist." Verschoben werden unter anderem Ausstellungen der deutschen Künstlerin Anne Imhof und des österreichischen Künstlers Heimo Zobernig. Man "hoffe auf ein baldiges Ende des Konflikts". Das Museum wurde 2008 von dem damaligen Oligarchenpaar Dascha Schukowa und Roman Abramowitsch – der als Putin-Vertrauter gilt – gegründet und sitzt heute in einem Rem-Koolhaas-Bau im Gorki-Park. Es hat sich zu einer zentralen Instanz für die Aufarbeitung der Geschichte der staatsfernen Szene in der einstigen Sowjetunion entwickelt und stellt internationale Gegenwartskunst in Russland vor.

Verdruckster fällt ein Statement eines anderen Moskauer Oligarenmuseums aus: "Angesichts der aktuellen tragischen Ereignisse hat die Stiftung V-A-C beschlossen, eine Reihe von Programmen und Aktivitäten sowohl im GES-2 House of Culture in Moskau als auch in V-A-C Zattere in Venedig auszusetzen", heißt es vom Privatmuseum GES-2, das erst vor einigen Wochen eröffnet wurde. Das 20.000 Quadratmeter umfassende Ausstellungshaus ist Hauptstandort der VAC Foundation, die Unternehmer Leonid Michelson vor zehn Jahren gemeinsam mit der aus Neapel stammenden Kuratorin Teresa Iarocci Mavica gründete. Ein Projek des isländischen Künstlers Ragnar Kjartansson wird nun Wochen vor dem geplanten Ende vorzeitig abegbrochen: Er bespielte das Haus mit einem kolossalen Reenactment der US-amerikanischen Soap "Santa Barbara" aus den 80er-Jahren. 

Der in Berlin lebende französische Maler Emmanuel Bornstein und der russische Künstler Wladimir Potapow haben am Sonntag aus Protest gegen den Einmarsch Russlands in der Ukraine ihre Ausstellung "Chronicles of Isolation" abgesagt, die diese Woche im staatlichen Kunstmuseum MIRA im russischen Krasnojarsk in Russland eröffnen sollte. 

Eremitage fürchtet Verlust von Förderern

In der berühmten Sankt Petersburger Eremitage sorgen sich die Verantwortlichen offenbar vor allem darum, ausländische Förderer zu verlieren. "Liebe Freunde, die Welt ist verrückt geworden, und sie wird nie wieder dieselbe sein", schrieb laut "Spiegel" Direktor Michail Piotrowski am Samstag an in einer Mail an Fördervereine unter anderem in den Niederlanden, Großbritannien und Kanada. "Die Dinge, die jetzt geschehen, sind unbegreiflich, sie sollten niemals geschehen..." Man müsse "in diesem Wahnsinn" die Ruhe bewahren, "denn unser Auftrag, die kulturellen Brücken zwischen den Nationen zu schützen, ist wichtiger denn je geworden". Er forderte "anstelle von Gewalt" die Rückkehr zum Dialog. In einem weiteren Absatz appellierte der Museumsdirektor an die Freundschaft, "sie wird in schwierigen Zeiten auf die Probe gestellt".

Da ist Pussy Riot schon weiter: Die Mitgünderin des russischen Aktivistinnen- und Kunstkollektivs, Nadeschda Tolokonnikowa, verkauft 10 000 NFTs der ukrainischen Flagge, um Gelder für ukrainische Zivilgruppen zu sammeln. Am Wochenende wurden so bereits mehrere Millionen Dollar eingenommen.